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12.07.2021

13:08

Digitalisierung

Interessierte Lehrer, veraltete Technik: Deutschen Schulen fehlen 6,5 Milliarden Euro für digitales Lernen

Von: Barbara Gillmann

Jede fünfte Schule hat kein WLAN oder mangelnde Server. Das behindert den Distanzunterricht - aber auch den Einsatz moderner KI-gesteuerter Lernprogramme. 

Seltenes Bild in deutschen Schulen: Schülerinnen mit Internetzugang. dpa

Schülerinnen lernen am Rechner

Seltenes Bild in deutschen Schulen: Schülerinnen mit Internetzugang.

Berlin Aktuell fehlt es an jeder fünften weiterführenden Schule in Deutschland an WLAN oder an Serverleistung – oder an beidem. Noch viel seltener sind Datenbanksysteme oder digitale Tafeln vorhanden. 

Das zeigt eine Umfrage unter Kommunen im Auftrag des IT-Dienstleisters Rednet zu Beginn dieses Jahres, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Befragt wurden 100 Schulträger mit insgesamt 620 Schulen und 180.000 Schülern. 

Insgesamt beziffern die Schulträger den Mittelbedarf allein zum Schaffen der notwendigen Infrastruktur – die dann beispielsweise auch den Einsatz moderner, von Künstlicher Intelligenz (KI) gesteuerter Programme erlaubt – auf durchschnittlich 258.000 Euro pro weiterführender Schule oder Berufsschule. Hochgerechnet ergibt sich so für die insgesamt 25.000 weiterführenden und Berufsschulen in Deutschland ein Bedarf von 6,5 Milliarden Euro. 

Das bedeutet, dass die zur Verfügung stehenden Mittel schon jetzt viel zu niedrig sind. Denn der 2019 gestartete Digitalpakt des Bundes für die Schulen umfasst nur fünf Milliarden Euro.

Kultusminister fordern Digitalpakt 2.0

Allerdings schaffen es die Länder nur sehr langsam, das Geld auch auszugeben: bis Ende 2020 waren lediglich 219 Millionen Euro abgeflossen und weitere 700 Millionen Euro bewilligt. Für 2021 erwartet das Bundesbildungsministerium, dass die Länder weitere Projekte im Umfang von immerhin gut zwei Milliarden Euro bewilligen. Die Kultusminister der Länder, die diese Gelder mit zehn Prozent kofinanzieren, fordern schon seit Längerem einen Digitalpakt 2.0. 

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Die mangelnde Infrastruktur hat nicht nur zur Folge, dass der Distanzunterricht in der Pandemie vielfach nicht optimal funktioniert. Die fehlende Technik ist auch ein Grund dafür, dass in den Schulen neue, KI-gesteuerte Lern- und Lehrprogramme bisher nur sehr zögerlich eingesetzt werden – anders als etwa in China, den USA oder Israel.

Die Mehrheit der Kommunen hält diese jedoch für sinnvoll und notwendig – lediglich zehn Prozent lehnen die KI-gesteuerten Lern- und Lehrprogramme ab. 

Aktuell berichten 70 Prozent der Schulträger, dass an ihren Schulen mindestens ein KI-gesteuertes System etabliert ist. Am häufigsten eingesetzt werden Übersetzungstools und Lernprogramme.

Ebenso häufig kommen auch Smart-Building-Anwendungen zum Einsatz, also Programme für die vernetzte und automatische Steuerung von Heizung, Licht oder anderen Geräten in den Schulgebäuden oder auch zur Überwachung und Zugangskontrolle des Gebäudes. 

Das Potenzial KI-gesteuerter Programme ist enorm - für Schüler und Lehrer

Das Potenzial von KI-gesteuerten Programmen für den Unterricht gilt unter Fachleuten als enorm – sowohl für die Schüler als auch für die Lehrer, die dadurch etwa von zeitraubenden Korrekturarbeiten entlastet werden könnten. 

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Die Systeme reichen von Übersetzungsprogrammen bis hin zu solchen, die sich präzise auf den individuellen Kenntnisstand der Schüler einstellen. Sie können etwa Aufgaben so stellen, dass ein Schüler das übt, was er noch nicht kann oder zuvor falsch gemacht hat. 

Das funktioniert bisher vor allem in MINT-Fächern wie Mathe oder Naturwissenschaften, in denen Regeln eine große Rolle spielen. Aber auch beim Lernen von Sprachen ist der Einsatz von KI sinnvoll, sagen Experten. Besonders profitieren könnten auch Schüler mit Lese- und Rechtschreibschwäche oder Dyskalkulie. 

Kommunen fordern mehr praktische Erforschung der Programme

Bevor die KI-Programme jedoch auch in Deutschland flächendeckend eingesetzt werden, sollten Bildungsforscher  herausfinden, wie nützlich die Programme sind, fordern mehr als 90 Prozent der befragten Schulverantwortlichen in den Kommunen. Eine vor Kurzem erschienene Studie der Deutschen Telekomstiftung empfiehlt den Kultusministerien, dafür besondere „KI-Innovationsschulen“ einzurichten. 

Der Studie für die Telekomstiftung zufolge sind vor allem chinesische Programme aus ethischen und rechtlichen Gründen auch nicht ohne Weiteres übertragbar. Sie werden dort etwa auch zur Beobachtung und cloudbasierten Bewertung des Lernverhaltens genutzt. Das reiche bis zur Gesichts- und Emotionserkennung in Unterrichtsaufzeichnungen. Dies ist in Deutschland undenkbar. 

In Deutschland fehlt es aktuell jedoch an Lehrern, die solche Programme einsetzen könnten:  In der Rednet-Umfrage beklagen drei Viertel der Schulträger einen Mangel an Fortbildungen für die Lehrkräfte. 

Der gute Wille der Lehrkräfte ist da - es fehlt aber an Fortbildungen 

Der gute Wille der Pädagogen, mit modernen, KI-gesteuerten Programmen zu arbeiten, ist offenbar durchaus vorhanden: Lediglich 15 Prozent der Kommunen geben an, dass Lehrer den Einsatz von intelligenten Lern- und Lehrprogrammen bremsen, weil sie ihn aus didaktischen Gründen ablehnen. 

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Neben der Technik und den Schulungen für die Pädagogen fehlt es in den Stadtverwaltungen und den Schulen zudem an IT-Spezialisten, die die KI-Programme einrichten und betreuen könnten, beklagen 88 Prozent der Kommunen. Die Folge: KI an Schulen hat derzeit bei mehr als zwei Dritteln ihrer Träger keine hohe Priorität. 

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