Mit zentralen Vorgaben will Verkehrsminister Wissing ein Ladenetz für Elektrofahrzeuge aufbauen. Das sorgt für Kritik bei den Unternehmen.
Berlin Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will den stockenden Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos voranbringen. Dazu haben seine Beamten einen „Masterplan Ladeinfrastruktur II“ erstellt. Der Plan beinhaltet 74 Vorschläge, die „eine Gesamtstrategie aus planerischen, koordinierenden, regulatorischen und investiven Maßnahmen“ ergeben sollen. Das Papier befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung der Bundesregierung und liegt dem Handelsblatt vor.
Die Elektrifizierung des Straßenverkehrs sei „eine der zentralen Stellschrauben für die Treibhausgasminderung“, heißt es in dem Papier. Deutschland wolle mit 15 Millionen Elektroautos bis 2030 „zum globalen Leitmarkt für Elektromobilität“ werden. Der Umstieg vom Benziner oder Dieselauto auf einen Stromer gelinge aber nur „mit der dafür notwendigen Ladeinfrastruktur“. Laut Bundesregierung soll es bis 2030 mindestens eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte geben.
Bereits daran entzündet sich heftige Kritik in der Energiewirtschaft, organisiert im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Dieser fordert in seiner Stellungnahme, die dem Handelsblatt vorliegt, dass die Regierung „die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Elektromobilitätsmarkt setzt“.
Es gehe „um ein eng verwobenes, digitales Ökosystem, dessen Potenzial nur im Wettbewerb der Marktteilnehmer gehoben werden kann“, betont der BDEW. Dazu gehörten zuvorderst „realistische“ Ausbauziele. Das Eine-Million-Ziel sei indes „oberhalb realistischer Zielsetzungen“. Vielmehr seien „zwischen einhundert- und zweihundertfünfzigtausend öffentliche Ladepunkte realistisch, bedarfsgerecht und damit auch volkswirtschaftlich effizient“.
Anfang März gab es laut Bundesnetzagentur 48.225 Normal- und 8401 Schnellladepunkte. Laut Masterplan gibt es in der Hälfte der Kommunen noch keinen öffentlich zugänglichen Ladepunkt.
Derzeit nutzt der Bund Ausschreibungen und Zuschüsse, um den Ausbau zu fördern, der aber angesichts hoher bürokratischer Hürden stockt. Künftig soll es planwirtschaftlich gelingen. Die Infrastruktur soll mit dem Verkauf der Fahrzeuge „vorauslaufend und verlässlich mitwachsen“.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hält es für erforderlich, dass schon zwei Jahre vorher so viele Ladesäulen stehen, wie nötig sein werden, um die dann zwei Jahre später verkauften Fahrzeuge mit ausreichend Ladekapazitäten zu versorgen. Nur so könne „das bestehende Delta zwischen Infrastruktur und Bedarf behoben und das dringend benötigte Vertrauen“ entstehen, erklärte der Verband. So soll auch die Nachfrage steigen.
Der BDEW ist zu regelmäßigen Marktanalysen bereit, warnt aber vor „der Errichtung eines Dauersubventionssystems“. Der Markt sei „willens und bereit, für 15 Millionen vollelektrische Pkw eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur zu errichten und zu betreiben“.
Laut Masterplan soll indes aber etwa die Autobahngesellschaft des Bundes noch in diesem Jahr „den für 2025 errechneten Bedarf an Ladepunkten auf bewirtschafteten Rastanlagen ausschreiben, sofern die Konzessionäre diesen Bedarf nicht selbstständig und verlässlich nach den Vorgaben des BMDV errichten“. 2023 will das Bundesverkehrsministerium (BMDV) 5000 Schnellladepunkte ausschreiben und bis Ende des Jahres gemeinsam mit Ländern und Kommunen eine „effiziente, zielgenaue und schnelle finanzielle Unterstützung“ entwickeln. Dies gilt für den Bau öffentlicher wie auch privater Ladepunkte.
Derzeit gibt es noch viel Reformbedarf, damit schnell Ladesäulen entstehen. Es geht nicht nur darum, zu vereinheitlichen, wie ein E-Auto auf einem Straßenschild aussieht und wie eine Ladesäule angezeigt wird. So muss der Bund auch das Energiewirtschaftsrecht ändern, damit nicht jeder Ladesäuleninhaber als Energieversorger gilt und aufwendige Genehmigungsverfahren durchlaufen muss.
Zudem muss die Energiewirtschaft Ladepunkte, ob nun öffentlich oder privat, ins Stromnetz integrieren. Oft dauert es aber bis zu einem halben Jahr, bis ein potenzieller Investor eine Zusage erhält, wie es kritisch in der Branche heißt. Entsprechend gibt es die Forderung nach einer „Netzanschlussgarantie“. Mit dem Masterplan sollen die Genehmigungs- und Netzanschlussverfahren „bundesweit vereinheitlicht, vereinfacht und verkürzt“ werden.
Allein die Anzahl der Beteiligten an den 74 Vorschlägen im Plan zeigt, wie kompliziert es ist, eine flächendeckende Ladeinfrastruktur aufzubauen. So ist neben dem Verkehrsministerium mit seinen nachgeordneten Behörden auch das Wirtschaftsministerium zuständig, etwa um die erneuerbaren Energien sowie das Stromnetz zügig auszubauen und die Ladepunkte zu integrieren.
Das Innenministerium ist für Datensicherheit und das Verwaltungsrecht zuständig, das Bauministerium fürs Gebäuderecht, ebenso das Justizministerium. Fördergeld muss der Finanzminister Christian Lindner (FDP) freigeben. Wissing plant daher eine „interministerielle Arbeitsgruppe“.
Die Kommunen sind aufgefordert, „bis Ende 2024 Masterpläne für den Aufbau der Ladeinfrastruktur einzuführen“. Diese sollen „Versorgungsziele“ enthalten. Das öffentliche Ladenetz soll datenbasiert wachsen. So ist etwa geplant, Lkw-Mautdaten zu nutzen, um die Infrastruktur für Nutzfahrzeuge nachfrageorientiert aufzubauen. Bis 2030 soll ein Drittel der Lastwagen elektrisch fahren.
Volker Wissing
Der FDP-Minister will Privatleute unterstützen, die ihr Auto zuhause mit Solarstrom laden.
Bild: Reuters
Private Halter will Wissing fördern, wenn diese eine Solaranlage betreiben und mit dem Strom ihr Auto laden. Muss der Hausanschluss erneuert werden, so will er auch das fördern. Allerdings profitieren da allenfalls Hausbesitzer in sonnenreichen Gegenden. Geplant ist darüber hinaus, das Gesetz zum Ausbau der Ladeinfrastruktur an Gebäuden (GEIG) wie auch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) zu ändern.
Markus Emmert, Vorstand beim Bundesverband eMobilität, empfiehlt, beim Ausbau des Ladenetzes nicht nur auf den öffentlichen Raum und private Haushalte zu schauen, sondern vor allem Arbeitgeber in den Blick zu nehmen. Hier könnten an den Betriebsstätten zügig gleich mehrere Ladepunkte entstehen und einfach ans bestehende Stromnetz angeschlossen werden.
>> Lesen Sie hier: Strom oder Sprit: Womit fahren Autobesitzer günstiger?
So würden Ladepunkte auch in Ballungsräumen aufgebaut, in denen der Platz knapp ist. „Hier besteht unglaubliches Potenzial“, sagte Emmert dem Handelsblatt.
Emmert beklagte die fehlende „Weitsicht“ im Masterplan. Bald schon kämen neue Themen hinzu, etwa „schwere Nutzfahrzeuge mit elektrischem Anhänger“. Auch für sie seien Lademöglichkeiten nötig. Zudem fehlten Aussagen zur Ladeinfrastruktur für Schiffe und Flugzeuge. Die Rolle von Fahrzeugen als Stromspeicher sei in dem Plan so gut wie nicht thematisiert. „Der Masterplan muss offen sein für neue Themen.“
Ziel des Plans ist es, dass E-Auto-Fahrer „mittlere und lange Strecken verlässlich fahren können, ohne Umwege und Wartezeiten für das Laden in Kauf nehmen zu müssen“. Laden soll „so einfach sein wie jetzt das Tanken“, vom „Ladeerlebnis“ ist die Rede.
Die Preise sollen „transparent und diskriminierungsfrei sein“. Dies ist bisher oft nicht der Fall, da die Anbieter Kunden binden und ihnen Vorteile einräumen, ähnlich wie bei Tankstellen und Tankkartenanbietern.
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