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18.01.2022

09:30

Energie

„Brauchen alles an Strom, was wir kriegen können” – IG-BCE-Chef fordert Entlastung industrieller Verbraucher

Von: Frank Specht

Gewerkschafter Michael Vassiliadis mahnt einen schnellen Ausbau von Gaskraftwerkskapazitäten an. Er warnt die Politik, Vertrauen in die Energie- und Klimawende zu verspielen.

Der IG-BCE-Chef fordert eine verlässliche Energiewende. imago images/Rainer Weisflog

Michael Vassiliadis

Der IG-BCE-Chef fordert eine verlässliche Energiewende.

Berlin Die von der Bundesregierung geplante Beschleunigung der Energiewende wird nach Einschätzung der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) nur mit einem radikalen Ausbau von Gaskraftwerken möglich sein. Nötig sei nicht weniger als eine Verdopplung der heutigen Kapazitäten von rund 30 Gigawatt (GW) bis 2030, sagte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis auf der Jahrespressekonferenz seiner Gewerkschaft. Rund 300 zusätzliche Gasturbinen müssten installiert werden. „Das ist der größte Zubau thermischer Leistung der Geschichte”, sagte Vassiliadis.

Damit formuliert Vassiliadis, was auch die Bundesregierung so ähnlich anstrebt. Auch wenn Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden soll, halten SPD, Grüne und FDP Erdgas für eine Übergangszeit für unverzichtbar. In ihrem Koalitionsvertrag haben sie vereinbart, die Errichtung moderner Gaskraftwerke zu beschleunigen.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte vergangene Woche zwei große Gesetzespakete bis zum Sommer angekündigt. Allerdings zeigte sich Vassiliadis enttäuscht von den bisherigen Plänen, die etwa nichts Konkretes zum Ausbau der Gasverstromung enthielten: „Ehrlich gesagt habe ich ein bisschen mehr erwartet.“

Schwankungen bei der Energieversorgung wolle die Bundesregierung offenbar in erster Linie durch Stromimporte und – bei Bedarf – durch die vorübergehende Abschaltung großer industrieller Stromverbraucher auffangen.

„Wer glaubt, das Problem schwankender Einspeisung zu lösen, indem er Atomstrom aus Frankreich und Kohlestrom aus Polen importiert, gleichzeitig unsere energieintensiven Fabriken vom Netz nimmt und unsere Kolleginnen und Kollegen in Kurzarbeit schickt, der wird auf unseren entschiedenen Widerstand treffen“, sagte Vassiliadis.

Vassiliadis fordert Gipfel mit energieintensiver Industrie

Für eine Übergangszeit brauche Deutschland „alles an Strom, was wir kriegen können“, betonte der Gewerkschafter. Eine Renaissance der Kernkraft in Deutschland sei zwar aus politischen und wirtschaftlichen Gründen äußert unwahrscheinlich, deshalb dürfe man aber Atomstromimporte aus Frankreich nicht verteufeln.

Auch solle die Politik sich gut überlegen, ob sie „grünen“ Wasserstoff, solange dieser knapp sei, wirklich verfeuern wolle, nur um die Gasverstromung ein bisschen klimafreundlicher zu machen. So will die EU-Kommission im Rahmen ihrer Taxonomie Investments in Gaskraftwerke nur dann als klimafreundlich einstufen, wenn das Gas ab 2035 aus erneuerbaren Quellen kommt oder niedrige Emissionen hat. Mit solchen Vorgaben werde der nötige Gaskraftwerksausbau „torpediert“.

Kritisch äußerte sich Vassiliadis über die hohen Energiepreise, die für viele Unternehmen etwa aus der Papier-, Glas-, Keramik- oder Aluminiumindustrie bereits eine existenzielle Bedrohung seien. Da der Gewerkschafter an dieser Preisfront keine wirkliche Entspannung erwartet, forderte er Wirtschaftsminister Habeck auf, rasch einen Gipfel mit der energieintensiven Industrie abzuhalten.

Um das Vertrauen in die Energie- und Klimawende zu erhalten, müsse die Bundesregierung Unternehmen und Verbraucher rasch entlasten, etwa durch eine schnellere Abschaffung der EEG-Umlage oder Steuerstundungen. Der von den Ampelfraktionen geplante Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger sei richtig, reiche aber nicht aus, sagte Vassiliadis. Der IG-BCE-Chef sprach sich dafür aus, Haushalte bis zu einem Bruttojahreseinkommen von 50.000 Euro einmalig pauschal mit Energieschecks zu entlasten. Dies sollte seiner Ansicht nach am besten einfach über die Steuererklärung abgewickelt werden.

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