Unionschef Merz attackiert den Kanzler scharf wegen der Atompolitik. Doch Kanzler Scholz pariert ungewöhnlich hart und warnt den Unionsfraktionschef davor, eine Spaltung herbeizureden.
Olaf Scholz (SPD)
Scholz warf Merz unverantwortliches Handeln vor.
Bild: IMAGO/Political-Moments
Berlin Die Attacken von Friedrich Merz (CDU) wirken auf Olaf Scholz (SPD) offensichtlich als Aufputschmittel. Nachdem der Unionsfraktionschef die Ampelkoalition für ihren Kurs in der Energiekrise scharf kritisiert hatte, hielt der Bundeskanzler eine für seine Verhältnisse lebhafte Verteidigungsrede, in der er vor allem mit einem abrechnete: der Partei von CDU-Chef Merz.
Anlass des Schlagabtauschs war die Generaldebatte im Bundestag zum Haushaltsentwurf 2023. Dabei geht es traditionell selten um den Etat selbst, sondern einen Schlagabtausch zu den aktuellen Problemen. In diesem Fall: die steigenden Energiepreise. Scholz und Merz warfen sich gegenseitig vor, für die Energiekrise verantwortlich zu sein.
Als Oppositionsführer durfte Merz als Erster reden. Nachdem er zunächst staatsmännisch auftritt, schaltet der CDU-Chef nach acht Minuten in den Angriffsmodus. „Ihnen fehlt in der Wirtschaftspolitik die Fähigkeit zum politisch-strategischen Denken“, sagte Merz zu Scholz.
Der Unionsfraktionschef hält der Regierung vor, auf die Energiekrise nicht die richtige Antwort zu finden. Vor allem aber die Entscheidung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), mitten in der historischen Energiekrise drei Atomkraftwerke abzuschalten, bietet Angriffsfläche für Merz. „Stoppen Sie diesen Irrsinn“, rief Merz in Richtung Scholz. Mit der Entscheidung werde der Wirtschaftsstandort Deutschland möglicherweise unwiderruflich geschädigt, warnte er.
Habeck sprach am Vorabend im Fernsehen über kleine Betriebe wie Bäcker, die möglicherweise das Geschäft einstellen, aber nicht zwingend Insolvenz anmelden mussten. Der Auftritt sorgte für Irritationen – und war für Merz eine weitere Vorlage.
Man könne ja für die mittelständischen Unternehmen nur hoffen, dass sie schon im Bett gelegen hätten und nicht mit ansehen mussten, was der Wirtschaftsminister da von sich gegeben habe, sagte Merz.
Robert Habeck
Merz kritisierte den Wirtschaftsminister für seinen AKW-Vorschlag.
Bild: Getty Images
Herr Habeck könne zwar „gefällig formulieren, auch dürfe man ihm beim Denken zuschauen“, so Merz. Aber Habeck sei „umgeben von einer Gruppe von Lobbyisten von Umweltgruppen, die alles zur Strecke bringen, was auch nur einigermaßen Aussicht auf Erfolg hat, diese Krise zu bewältigen“.
Habeck verfolgte die Angriffe regungslos. Als er kurz aufsteht, schießt Merz noch einmal gegen den Wirtschaftsminister. Habeck habe offensichtlich das Parlament schon verlassen. „Wahrscheinlich guckt er sich gerade mal die Filme von gestern Abend an.“
Auch Scholz zeigte zunächst wenig Reaktionen, bis er ans Rednerpult trat. Der Kanzler, der für eher einschläfernde Auftritte bekannt ist, verteidigte den Kurs seiner Regierung in einer engagierten Rede.
Scholz warf Merz unverantwortliches Handeln vor. „Wer Spaltung herbeiredet, der gefährdet den Zusammenhalt in diesem Land. Und das ist jetzt das Falsche“, sagte der Kanzler in Richtung des Unionsfraktionschefs. Scholz hielt der Union schwere Versäumnisse in der Regierungszeit von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor. „Das ist unverantwortliche CDU-Politik“, sagte er.
Scholz setzt auf den Gemeinsinn, „You’ll never walk alone“ hat er zum Leitmotiv seiner Politik in der Krise gemacht. „In schweren Zeiten wächst unser Land über sich selbst hinaus. Wir haben eine gute Tradition, uns unterzuhaken, wenn es schwierig wird.“
Die andere Verteidigungslinie lautet: Die Bundesregierung habe das Land in den vergangenen Monaten so gut es geht auf einen schweren Winter vorbereitet. Der Kanzler verweist dabei auf die mittlerweile gut gefüllten Gasspeicher.
>> Lesen Sie hier: 1600 Euro für Familien und bis zu 870 Euro für Singles – Wer profitiert von den neuen Entlastungen?
Die Ampelkoalition habe das Problem frühzeitig angegangen. „Wir haben es schon gelöst, bevor Sie mitbekommen haben, dass da überhaupt eins war“, sagte Scholz. „In einem Tempo, zu dem keine CDU-geführte Regierung in diesem Land je fähig gewesen ist.“
Der Kanzler wirft der früheren Regierung unter Merkel und damit der Union Versäumnisse vor. Der Union hielt Scholz vor, „die komplette Verantwortung“ dafür zu tragen, „dass Deutschland Entscheidungen zum Ausstieg aus der Kohle und aus der Atomenergie getroffen hat“, aber niemals die Kraft gehabt zu haben, „in irgendetwas einzusteigen“. „Sie waren unfähig, den Ausbau der erneuerbaren Energien herbeizuführen“, rief der Kanzler.
Die Union quittierte das mit dem Hinweis, dass die SPD in zwölf der vergangenen 16 Jahre unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Regierung beteiligt war, zuletzt mit Scholz als Vizekanzler.
>> Lesen Sie hier: Alle aktuellen Entwicklungen in der Energiekrise im Newsblog
Zwischen all den gegenseitigen Vorhaltungen zwischen Ampel und Union gab es nur einen kurzen Moment der Einigkeit, als Merz die schimpfende AfD-Chefin Alice Weidel zurechtwies. „Jetzt regen Sie sich nicht auf, die Parlamentsärztin ist ja da“, rief Merz. Man werde nicht zulassen, dass die AfD das Land aufhetze. Da werde man mit allen Fraktionen gemeinsam dagegenhalten, so Merz. Dafür gab es dann auch von den Ampelabgeordneten Applaus.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (19)
Account gelöscht!
07.09.2022, 11:18 Uhr
Es ist schon Satire, wenn Herr Merz eine Abwrackprämie für Haushaltsgeräte in Zeiten von Inflation, Energieknappheit und Halbleitermangel fordert. Wo hat der Mann seinen ökonomischen Sachverstand gelassen? Inflationsbekämpfung geht einher mit Angebotspolitik, aber nicht durch Erhöhung der Nachfrage. Einfach unfassbar, aber das zeigt unsere politische Realität.