Die Bundesregierung will Verbraucher früher von den hohen Energiepreisen entlasten. Unternehmen müssen als Gegenleistung für die Hilfen ein Versprechen abgeben.
Gasherd mit Flamme
Die Bundesregierung reagiert mit den milliardenschweren Energiepreisbremen auf stark gestiegene Energiepreise.
Bild: dpa
Berlin Die Strom- und Gaspreisbremse soll rückwirkend ab Januar gelten. Das hat die Bundesregierung am Dienstag entschieden. Damit sind letzte Streitfragen rund um die geplanten Entlastungen bei den Energiepreisen für Wirtschaft und Verbraucher ausgeräumt.
Mit der Gaspreisbremse werden die Gaskosten für private Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen mit einem jährlichen Gasverbrauch unter 1,5 Millionen Kilowattstunden von März 2023 bis April 2024 auf zwölf Cent pro Kilowattstunde begrenzt.
Diese Begrenzung gilt für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Dafür sollen die monatlichen Abschläge entsprechend sinken. Im März werden rückwirkend auch die Entlastungsbeträge für Januar und Februar 2023 angerechnet, wie aus dem entsprechenden Gesetzentwurf hervorgeht, der dem Handelsblatt vorliegt. Auch Fernwärmekunden profitieren.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission hatte vorschlagen, Entlastungen der Preisbremse erst ab März zu zahlen. Dass die Regierung nun auch Januar und Februar mit einbeziehen wolle, bedeute eine „sehr starke Entlastung“, sagte die Kommissionsvorsitzende Veronika Grimm dem Handelsblatt. Die Wirtschaftsweise warnt: „Das kann leicht die nächste Gerechtigkeitsdebatte anstoßen, wenn nun Gaskunden besser dastehen als die, die mit anderen Energieträgern heizen.“
Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, forderte, Missbrauch zu vermeiden. Es müsse etwa verhindert werden, dass Anbieter ihre Preise „präventiv auf den Preis des Deckels hochziehen“. Der Gesetzentwurf zur Gaspreisbremse trägt diesen Überlegungen in Paragraf 28 Rechnung. Dort heißt es, Gaslieferanten sei es verboten, Preise in einem Umfang zu erhöhen, der sich nicht aus dem Marktgeschehen oder einem Anstieg der Beschaffungskosten ergebe.
Für die Industrie gilt die Gaspreisbremse bereits ab Januar 2023. Der Preis für die Kilowattstunde wird für Industriekunden auf sieben Cent netto reduziert. Bundesweit greift die industrielle Gaspreisbremse für etwa 25.000 Unternehmen. Zusätzlich sollen 1900 Krankenhäuser von der Regelung profitieren.
Die Strompreisbremse soll ebenfalls vom 1. März 2023 bis 30. April 2024 gelten. Im März werden auch hier rückwirkend die Entlastungsbeträge für Januar und Februar 2023 angerechnet. „Die Entscheidung der Bundesregierung gibt Industrieunternehmen die dringend nötige Planungssicherheit und eine verlässliche Orientierung“, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).
Der Strompreis für private Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen mit einem Stromverbrauch von bis zu 30.000 Kilowattstunden wird bei 40 Cent inklusive aller Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte begrenzt. Dies gilt für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Für Industriekunden liegt die Grenze bei 13 Cent zuzüglich Steuern, Abgaben und Umlagen für 70 Prozent des bisherigen Verbrauchs.
Die Ausgaben für die Strompreisbremse sollen zum Teil durch die Abschöpfung von sogenannten Zufallsgewinnen bei bestimmten Stromerzeugern wieder hereingeholt werden. Dabei gehe es um „Gewinne in einer Höhe, mit der niemand gerechnet hat“, hieß es in Regierungskreisen.
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Über die Regelung war lange gestritten worden. Vertreter der Energiebranche hatten insbesondere kritisiert, dass Zufallsgewinne auch rückwirkend abgeschöpft werden sollten. Allerdings kommt die Koalition der Branche entgegen: Die Rückwirkung soll erst ab dem 1. September 2022 gelten. In früheren Entwürfen war noch von einer Rückwirkung ab März 2022 die Rede. Die Regelung soll bis „mindestens zum 30. Juni 2023“ gelten.
Mit der Einigung von Dienstag wurde bei der Gaspreisbremse auch ein größerer Streitpunkt ausgeräumt. Unklar war bis zuletzt, ob industrielle Verbraucher das subventionierte Gas weiterverkaufen dürfen.
An dieser Stelle hatte es einen offenen Dissens zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seinem Vize Robert Habeck (Grüne) gegeben. Scholz argumentierte, die Unternehmen sollten nicht mit Steuergeldern Gewinne machen, was bei einem Weiterverkauf des staatlich verbilligten Gases passieren würde.
Habeck hielt dagegen, dass ein Weiterverkauf dringend notwendig sei, damit die Industrie weiter Möglichkeiten zum Gassparen habe. Das Verbot eines Weiterverkaufs würde die Unternehmen ansonsten zum Verbrauch zwingen und könnte im schlimmsten Fall einen Gasmangel auslösen. Die Lösung geht nun deutlich in Richtung Habeck.
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Grundsätzlich gilt: Den Unternehmen bleibt der Weiterverkauf möglich, egal ob sie die Gaspreisbremse in Anspruch nehmen oder nicht. „Dies stärkt den Anreiz, Erdgas einzusparen, und trägt zur Sicherung der Gasversorgung und zur Stabilisierung der Gasmärkte bei“, heißt es im Gesetzentwurf. Es werden nur kleinere Einschränkungen gemacht.
Die Bundesregierung will sich mit ihrem Plan den lautstarken Aufforderungen von Gewerkschaftsvertretern widersetzen. Diese befürchten, dass ein Weiterverkauf zu Produktionsstopps im großen Stil und in der Folge einen Zusammenbruch der Industriebranchen bedeuten könnte.
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Die Bundesregierung will dem mit einer Standortgarantie anstatt mit einem Verbot des Weiterverkaufs begegnen. Unternehmen, die mehr als zwei Millionen Euro an Hilfen bekommen, müssen 90 Prozent der Arbeitsplätze bis zum 30. April 2025 erhalten oder entsprechende Vereinbarungen mit den Tarifparteien treffen.
Weitere Ausschlusskriterien für die Industrie sind nicht vorgesehen. Die Bundesregierung will kein allgemeines Verbot für Boni und Dividenden verhängen. Lediglich für Unternehmen, die Eigenkapitalhilfen erhalten, soll das gelten. Das träfe etwa den verstaatlichten Importeur Uniper, aber keines der vielen Tausend Unternehmen, die die Gas- und Strompreisbremse in Anspruch nehmen werden.
BASF-Werk in Ludwigshafen
Großverbraucher können eingespartes Gas an die Versorger zurückgeben.
Bild: AP
Dieser Plan dürfte intern aber für Ärger sorgen. Die Ampelvertreter im mächtigen Haushaltsausschuss des Bundestags hatten kürzlich einen Beschluss gefasst, wonach sie die Preisbremsen allgemein an ein Boni- und Dividendenverbot koppeln wollen.
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Aus Fraktionskreisen hieß es daher gleich am Dienstag, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung so nicht bleiben könne.
Erstpublikation: 22.11.22, 10:05 Uhr (aktualisiert am 22.11.22, 17:47 Uhr).
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