Deutsche Unternehmen verzeichnen beim Aufbruch in die klimaneutrale Wasserstoff-Welt erste Erfolge. Die Vereinigten Arabischen Emirate erweisen sich dabei als wichtiger Partner.
Bundeswirtschaftsminister Habeck und Klimaschutzministerin Mariam al-Muhairi
Die sonnenreiche Halbinsel hat großes Potenzial, mit Hilfe von Solar-Anlagen Wasserstoff zu erzeugen, ohne dass Treibhausgase entstehen.
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Abu Dhabi Die Umstellung auf wasserstoffbasierte Produktionsverfahren nimmt für Deutschland konkrete Formen an. Als Wasserstofflieferanten übernehmen dabei die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) eine Pionierrolle. Mehrere deutsche Unternehmen starten in den Emiraten Testläufe für die Produktion und den Transport von Wasserstoff. Anlässlich des Besuchs von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in den Emiraten wurden am Montag mehrere Kooperationsvereinbarungen unterzeichnet.
Mit dabei sind Unternehmen wie RWE, Steag, Uniper, Siemens Energy, Lufthansa und Hydrogenious. Die Vereinbarungen betreffen die gesamte Wasserstoff-Wertschöpfungskette – von der Herstellung über den Transport bis zur Anwendung.
So vereinbarten Uniper und Hydrogenious gemeinsam mit der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) ein Projekt für den Aufbau einer Lieferkette von grünem Wasserstoff von Abu Dhabi bis nach Wilhelmshaven. Es kommt die LOHC-Technologie zum Einsatz, die Hydrogenious vorantreibt. Dabei wird Wasserstoff, der in Reinform schwer zu transportieren ist, in einer ölartigen organischen Substanz gebunden und in Tankern nach Deutschland transportiert. Zunächst wird blauer Wasserstoff verwendet, später soll grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen.
Blauer Wasserstoff wird auf konventionellem Wege auf Erdgasbasis hergestellt. Dabei wird Kohlendioxid frei. Das klimaschädliche Gas wird abgetrennt und unterirdisch gespeichert. Grüner Wasserstoff dagegen wird mittels Elektrolyse mit Strom aus erneuerbaren Quellen hergestellt. Grüner Wasserstoff ist von vornherein klimaneutral.
Für künftige Lieferungen von Wasserstoff und seinen Ableitungen, etwa Ammoniak, hat ADNOC außerdem Abnahmeverträge über erste Testlieferungen von blauem Ammoniak, hergestellt auf Basis von blauem Wasserstoff, nach Deutschland vereinbart.
Abnehmer sind der Kupferhersteller Aurubis sowie die Energieunternehmen RWE, Steag und Getec. Auch die Hamburger Hafen & Logistik AG (HHLA) ist bei dem Projekt mit von der Partie.
Zu den Projekten, die nun in den Vereinigten Arabischen Emiraten konkret werden, gehört auch ein Vorhaben von Siemens Energy und Lufthansa, die gemeinsam mit Partnern aus den VAE synthetisches Kerosin auf der Basis von Wasserstoff herstellen wollen. Das Projekt mit dem Namen „Green Falcon“ startet mit einer Pilotanlage, die eine Elektrolyseleistung von 20 Megawatt (MW) umfassen wird und später vergrößert werden kann. Deutschland und die VAE haben dem Projekt ihre gemeinsame Unterstützung zugesagt.
Noch geht es um relativ kleine Mengen Wasserstoff, die nur einen ersten Schritt auf dem Weg zur Dekarbonisierung industrieller Prozesse darstellen. Für die Unternehmen ist das somit eine Art Praxistest. „Wir müssen den gesamten Prozess erproben und Erfahrungen sammeln, ehe wir Wasserstoff in großem Stil einsetzen können“, sagt ein Beteiligter.
Wasserstoff ist für viele Industriebranchen ein unerlässlicher Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Er kann Erdgas, Koks oder Öl ersetzen. Damit ermöglicht er der Stahl-, Chemie- oder Zementbranche klimaneutrales Produzieren. Zugleich reduziert er die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern.
Diesen Aspekt betonte Minister Habeck bei seinem Besuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten: „Je schneller wir mit dem Wasserstoff sind, umso weniger brauchen wir dann auch noch Gas“, sagte der Grünen-Politiker. „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, ergänzte er. Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft könne unter dem Druck der aktuellen Versorgungskrise sehr viel schneller passieren, als es bisher geplant sei, sagte er mit Blick auf die Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine. Er könne die Geschwindigkeit nicht vorhersagen, sagte Habeck. „Aber dass die alten Pläne nicht ausreichend sind, das sieht jetzt jeder.“
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Auch in der neuen Wasserstoffwelt wird Deutschland auf Importe angewiesen sein. Zwar gibt es einzelne Prognosen, denen zufolge Deutschland seinen künftigen Bedarf an grünem Wasserstoff aus eigener Produktion decken könnte; viele Fachleute gehen aber davon aus, dass Deutschland lediglich einen Anteil von 30 Prozent selbst herstellen kann. Grund ist der Mangel an Flächen für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. Grüner Strom ist der wichtigste Produktionsfaktor für grünen Wasserstoff.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in den Emiraten
Schwierige Mission: der Wirtschaftsminister sucht Ersatzlieferanten für Öl und Gas.
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Sonnen- und windreiche Weltregionen kommen als künftige Lieferanten von grünem Wasserstoff in Betracht. Auch die Golf-Region dürfte dabei eine wichtige Rolle spielen. Nicht nur die Vereinigten Arabischen Emirate verfolgen ehrgeizige Ziele zum Aufbau einer Wasserstoffproduktion. Auch Saudi-Arabien plant massive Investitionen. Länder wie Australien oder Chile verfügen ebenfalls über erhebliche Potenziale. Aber auch europäische Staaten, etwa Spanien, wollen in die Wasserstoffproduktion einsteigen und eine Exportinfrastruktur aufbauen.
Deutschland versucht, mit einigen Ländern Wasserstoffpartnerschaften zu schließen. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung das Projekt „H2 Global“ aufgesetzt und mit 900 Millionen Euro ausgestattet. H2 Global bringt Hersteller von grünem Wasserstoff mit Abnehmern aus Deutschland zusammen. Der günstigste Anbieter von Wasserstoff und der zahlungswilligste Abnehmer werden in einem Auktionsverfahren zusammengebracht. Die Ampelkoalition will H2 Global weiter ausbauen.
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