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24.08.2022

08:10

Energieversorgung

Scholz und Trudeau unterzeichnen Abkommen: Ab 2025 soll Wasserstoff aus Kanada kommen

Von: Julian Olk, Claudia Scholz

Deutschland und Kanada wollen die Wasserstoffproduktion und die Ausfuhr nach Europa deutlich ausbauen. Die Ziele dürften jedoch schwer zu erreichen sein.

Kanada und Deutschland wollen in Sachen Energie enger zusammenarbeiten. IMAGO/ZUMA Press

Justin Trudeau und Olaf Scholz

Kanada und Deutschland wollen in Sachen Energie enger zusammenarbeiten.

Stephenville, Toronto Deutschland und Kanada sind offiziell Wasserstoffpartner. Die Regierungen der beiden Staaten haben am Dienstag eine Erklärung zur Gründung einer deutsch-kanadischen Wasserstoffallianz unterzeichnet. Erste Lieferungen sind demnach ab 2025 geplant.

Das Abkommen wurde in Anwesenheit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Premierminister Justin Trudeau im kanadischen Stephenville unterzeichnet. Der Ort in Neufundland liegt in nächster Nähe zu einem Windparkprojekt. Die dort gewonnene Energie soll zur Herstellung von Wasserstoff genutzt werden.

Scholz sprach bei der Unterzeichnung von „großen Möglichkeiten für uns, aber auch für Kanada“ durch das Abkommen. Trudeau erklärte: „Wir können der vertrauensvolle Lieferant von sauberer Energie werden, die eine Welt ohne Emissionen braucht.“

Deutschland setzt große Hoffnungen in grünen, also klimaneutralen Wasserstoff. Der Energieträger ist entscheidend, um die Industrie klimaneutral zu machen. Kanada wiederum gilt dahin gehend als Hoffnungsträger. Zur Herstellung von Wasserstoff braucht es große Mengen Strom aus erneuerbaren Energien, für die das nordamerikanische Land weite Flächen bietet.

Die energetische Abkopplung von Russland hat die Suche nach Wasserstoff nun noch dringlicher gemacht. Bis 2024 will Deutschland die russischen Gasimporte auf zehn Prozent reduzieren. Der Plan, Erdgas als Brückentechnologie zu nutzen, fällt nahezu aus. Stattdessen muss jetzt schon der Schritt zum Wasserstoff gegangen werden. Mit Marktreife hatten Experten bislang noch eher Anfang der 2030er-Jahre gerechnet.

Vor 2030 soll nun eine „transatlantische Versorgungskette für Wasserstoff“ geschaffen werden. Dies ist in der Absichtserklärung vereinbart. Die Länder wollen Standards und Vorschriften zum Aufbau der Wasserstoffwirtschaft erarbeiten. Dabei ist etwa zu klären, wie viel CO2 bei der Herstellung ausgestoßen werden darf, damit noch von sauberem Wasserstoff gesprochen werden darf.

Große Wasserstoffpotenziale in Kanada

Auch beim Transport wollen die Länder zusammenarbeiten. Der kanadische Wasserstoff soll per Schiff nach Deutschland gebracht werden. Deshalb sollen die Häfen der beiden Nationen enger zusammenarbeiten. Die Absichtserklärung gilt für fünf Jahre, ist rechtlich aber nicht bindend.

Laut der Wasserstoffstrategie 2020 der kanadischen Regierung produziert Kanada derzeit etwa drei Millionen Tonnen Wasserstoff aus Erdgas und gehört damit zu den zehn größten Produzenten dieses Kraftstoffs weltweit. Die Deutschen wollen jedoch, dass Wasserstoff aus erneuerbarer Energie hergestellt wird, und in Kanada läuft eine Reihe von Projekten, um diese Nachfrage zu bedienen.

Kanada ist mit 381 Terawattstunden pro Jahr der drittgrößte Wasserkrafterzeuger weltweit hinter China und Brasilien. Volker Treier, Außenhandelschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), sagte: „In dem Land gibt es großes Potenzial für die Herstellung von grünem Wasserstoff, der allein durch erneuerbare Energien erzeugt wird.“

Zum Vergleich: Deutschlands jährlicher Energieverbrauch liegt bei etwa 2600 Terawattstunden. Inhaltlich verantwortlich für das Abkommen sind Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Umweltminister Jonathan Wilkinson auf kanadischer Seite. Die beiden unterschrieben das Abkommen in Stephenville zuerst. „Wir müssen Klimaschutz entschlossen vorantreiben, um Wohlstand und Freiheit zu sichern“, sagte Habeck. Das Wasserstoffabkommen zwischen Kanada und Deutschland sei dafür ein wichtiger Meilenstein.

„Bis 2025 ist noch viel Arbeit“

Wilkinson wiederum räumte ein, dass das angestrebte Datum für den Beginn der Exporte „sehr ehrgeizig“ sei. Er erwarte, dass die Exportmengen im Jahr 2025 „wahrscheinlich bescheiden sein werden“.

Der Umweltminister erklärte, er kenne etwa 15 Wasserstoffproduktionsprojekte in verschiedenen Entwicklungsstadien, die mit erneuerbaren Energien wie Wind oder Wasser betrieben würden. „Unsere Hoffnung ist, dass zumindest ein oder zwei davon bis 2025 produzieren werden.“

Selbst das ist nach Aussagen von Wirtschaftsvertretern aber noch schwierig: „Bis zum Jahr 2025 ist noch viel Arbeit zu leisten, zum Beispiel die Erteilung von Genehmigungen und der Aufbau der Infrastruktur, bevor die ersten Lieferungen erfolgen können“, sagte Mark Agnew von der kanadischen Handelskammer.

Der grüne Wasserstoff soll in den kanadischen Atlantikprovinzen Neufundland und Labrador, Nova Scotia und New Brunswick hauptsächlich mittels Windkraft erzeugt werden und anschließend als Ammoniak (eine gasförmige Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff) über den Atlantik nach Deutschland verschifft werden. Nach der Überquerung würde er wieder in Wasserstoff umgewandelt werden.

Innenpolitische Hürden in Kanada

So plant die kanadische Entwicklungsgesellschaft Everwind Fuels eine Anlage in Nova Scotia zur Produktion und zum Export von grünem Wasserstoff und Ammoniak, die Anfang 2025 den Betrieb aufnehmen könnte. Es wäre das erste Ammoniak-Terminal an der Ostküste Kanadas, das für den Export nach Deutschland geeignet wäre. Uniper und Eon wollen jeweils 500.000 Tonnen Ammoniak pro Jahr von dort importieren.

Neben den technischen Herausforderungen muss Kanada allerdings innenpolitische Hürden überwinden. Scholz und Trudeau waren bei ihrem Besuch in Stephenville auch von einigen Demonstranten empfangen worden. Diese wollen eine großflächige Wasserstoffproduktion in ihrer Provinz verhindern, weil sie Umweltschäden fürchten.

Ihr Einfluss gerade auf die in Kanada mächtigen Provinzregierungen ist groß. Das wird auch beim Thema Wasserstoff so bleiben. In der deutsch-kanadischen Absichtserklärung ist festgehalten: „Die Zuständigkeit für Energiefragen und Wasserstoffentwicklung [liegt] in Kanada weitgehend bei den Provinzen und Territorien.“

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