PremiumDas Energie-Entlastungspaket steht. Es hat einen Umfang von über 65 Milliarden Euro. Vor allem untere Einkommen und Rentner bekommen mehr Unterstützung.
Kanzler Olaf Scholz mit den Parteichefs
Die Ampelverhandlungen über das dritte Entlastungspaket begannen gegen zwölf Uhr – und dauerten bis sechs Uhr am Sonntagmorgen an.
Bild: dpa
Berlin Direktzahlungen für Rentner und Studierende, eine Strompreisbremse, Hilfen für Unternehmen sowie ein Abschöpfen von Zufallsgewinnen: Die Bundesregierung hat sich am Sonntagmorgen nach 22 Stunden Verhandlungen auf ein umfangreiches Energieentlastungspaket verständigt.
Insgesamt sieht die Ampel zur Abfederung der stark steigenden Energiepreise Hilfen für Bürger und Unternehmen im Umfang von über 65 Milliarden Euro vor. Damit sei das Paket doppelt so groß wie die ersten beiden zusammen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). „Das dritte Entlastungspaket hat eine große Dimension. Es ist sehr viel, was wir bewegen, und es ist notwendig“, so Scholz.
Daneben umfasst das Programm eine Reihe von Maßnahmen, die schon länger geplant waren, etwa die Einführung eines „Bürgergelds“, das an die Stelle von „Hartz IV“ treten soll, oder den Abbau schleichender Steuererhöhungen.
Der Abbau der heimlichen Steuererhöhungen war koalitionsintern umstritten. Nun bleibt es wie von Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgeschlagen dabei, dass die Steuersätze Ende des Jahres an die Inflation angepasst werden. Dadurch greifen bestimmte Steuersätze erst ab höheren Einkommen, wodurch alle Steuerzahler entlastet werden. Ausnahme: Für diejenigen, die über 277.000 Euro verdienen und somit den „Reichensteuersatz“ von 45 Prozent zahlen, wird es keine Verschiebung geben.
>> Lesen Sie hier: „Deutschland steht zusammen“ – Das Maßnahmenpaket des Bundes im Wortlaut
Allerdings konnte Lindner durchsetzen, dass die Steuersätze Ende des Jahres an die dann tatsächliche Inflation angepasst werden, und nicht an die derzeitige. Das dürfte die Steuerzahler aufgrund der hohen Preissteigerungen noch einmal zusätzlich um einige Milliarden Euro entlasten. Bisher hatte Lindner die Entlastung auf zwölf Milliarden Euro taxiert.
Das Entlastungspaket belaste den Bundeshaushalt in diesem und nächsten Jahr um zusammen 32 Milliarden Euro. Dennoch sei kein Nachtragshaushalt für 2022 nötig, auch werde der Bund wie geplant ab 2023 wieder ohne die Nutzung der Ausnahmeregelung der Schuldenbremse auskommen, da es im Haushalt noch Spielräume gebe. Seit Ausbruch der Coronapandemie hatte die Bundesregierung die Schuldenbremse de facto ausgesetzt.
Dass nur die Hälfte des gesamten Entlastungspaket von 65 Milliarden Euro haushaltswirksam wird, hat zwei Gründe: Erstens beteiligen sich auch Länder und Kommunen an den Kosten des Pakets. Des Weiteren wird die Strompreisbremse über das Abschöpfen der Zusatzgewinne außerhalb des Haushalts finanziert. Dies allein macht rund zwölf Milliarden Euro aus.
Keine Entscheidung traf die Bundesregierung in der Frage, ob die Laufzeit der drei Atomkraftwerke verlängert wird, die eigentlich Ende des Jahres vom Netz gehen sollen. Hier wird aber mit einer Entscheidung in den nächsten Tagen gerechnet.
Die Bundesregierung war zuletzt unter Druck geraten, auf die immer weiter steigenden Preise zu reagieren und für weitere Entlastungen zu sorgen. Sie hatte zwar in diesem Jahr zuvor bereits zwei Entlastungspakete von insgesamt 30 Milliarden Euro geschnürt. Allerdings gingen bei der im zweiten Entlastungspaket verabschiedeten Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro Rentner und Studierende leer aus, während Gutverdiener die Pauschale erhielten, was zu erheblicher Kritik führte.
Ifo-Chef Clemens Fuest
„Positiv am Entlastungspaket ist das erkennbare Bemühen, Preissignale wirken zu lassen, auch wenn das beim Gas nicht durchgehalten wurde.“
Bild: dpa
Auch liefen Entlastungen aus dem zweiten Paket wie der sogenannte Tankrabatt oder das Neun-Euro-Ticket zum 1. September bereits wieder aus, ohne dass es Nachfolgeregelungen gab. Tanken sowie der öffentliche Nahverkehr sind damit seit Montagsbeginn wieder deutlich teurer. Zusätzlich hat sich die wirtschaftliche Lage weiter verschärft. Im August kletterte die Inflationsrate in Deutschland auf 7,9 Prozent. Die Bundesbank rechnet im Jahresverlauf sogar mit zweistelligen Inflationsraten.
Neben Lebensmitteln wird vor allem Energie immer teurer. Weil Russland die Gasimporte nach Deutschland drosselt und zwischenzeitlich sogar ganz eingestellt hat, steigen die Gas- und Strompreise in nie gekanntem Ausmaß.
Viele Bürger müssen plötzlich teils das Dreifache für Strom und Gas zahlen. Insbesondere untere Einkommen können die Mehrbelastungen kaum schultern. Weitere Unterstützung sei deshalb auch eine Frage des sozialen Zusammenhalts, betonte Kanzler Scholz.
Die Verhandlungen der Koalitionsspitzen über das dritte Entlastungspaket hatten am Samstag verspätet begonnen und waren im Laufe des Nachmittags und Abends als „sehr intensiv“ und „schwierig“ beschrieben worden. Die Koalitionsspitzen waren am Samstag bereits um neun Uhr ins Kanzleramt gekommen. Zunächst berieten Kanzler Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in kleiner Runde miteinander.
Anschließend berieten die Parteien drei Stunden lang zunächst getrennt voneinander. Auch, um überhaupt erst die Tischvorlage in Ruhe durchzulesen, die Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) nach Telefonaten mit den drei Regierungsfraktionen für den Koalitionsausschuss angefertigt hatten. Die eigentlichen Ampelverhandlungen begannen gegen zwölf Uhr – und dauerten bis sechs Uhr am Sonntagmorgen an. Ein Versprechen konnte die Ampel somit nicht einlösen: Dass unter ihr die Zeit der langen Nachtsitzungen vorbei ist.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (6)