Die CDU muss eine Niederlage im Saarland verdauen. Parteichef Merz will sich künftig mehr Zeit nehmen, um klare Positionen der Union zu entwickeln. Steht aber auch unter Druck.
Friedrich Merz (r.), Tobias Hans (l.)
Kein guter Tag
Bild: IMAGO/Future Image
Berlin Es hätte eine knappe Niederlage im Saarland werden dürfen, womöglich auch eine etwas deutlichere. Der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz wäre am Montag vor die Presse getreten und hätte auf die landespolitischen Besonderheiten hingewiesen, die dazu geführt hätten, dass Ministerpräsident Tobias Hans von der CDU nun die Macht an die Herausforderin Anke Rehlinger von der SPD abgeben muss. Aber ein Ergebnis so schlecht wie seit 1955 nicht mehr und eine absolute Mehrheit der SPD?
„Kein guter Tag“ sei die Wahl gewesen, räumte Merz am Montag in Berlin ein. „Wir gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen“, stellte er klar und relativierte doch, dass es eine Landtagswahl gewesen sei.
Vor allem aber sei das Ergebnis „kein Präjudiz für die Wahlen, die in diesem Jahr noch stattfinden. Wir sind enttäuscht, gehen aber nicht depressiv in das restliche Jahr 2022. Wir gehen zuversichtlich in diese Wahlen.“
Der 66-Jährige verwies darauf, dass CDU und CSU in den Umfragen im Bund vor der SPD liegen. „Wir haben den Turnaround hinbekommen“, wertete er die Lage auf Bundesebene.
Weil es um viel geht in diesem Jahr, richten sie in der CDU den Blick lieber schnell nach vorn. Im Mai wählen die Bürger in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen neue Landtage.
Präsidiumsmitglied Daniel Caspary zeigte sich zuversichtlich: „Wir haben auch nach der Wahl gestern große Chancen, die Landtagswahlen in den beiden anderen Bundesländern zu gewinnen. Da gelten ganz andere Themen und andere Regeln.“ Parteichef Merz war bereits in Kiel und Düsseldorf zum Wahlkampfauftakt, um die CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther und Hendrik Wüst zu unterstützen.
Beide sind wie der Saarländer Hans noch keine 50 Jahre alt und gelten auch deshalb als Nachwuchs für höhere Ämter. In Kiel zeigte sich Merz zuversichtlich, „dass Schleswig-Holstein für uns ein richtig gutes Ergebnis wird“. Das Ergebnis dort wird in der Bundeszentrale derzeit wie das an der Saar als regional vermerkt.
Entscheidend werde die Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland, in NRW, sein, heißt es in Berlin. Es ist die Heimat von Friedrich Merz. Das Votum dort gilt als „kleine Bundestagswahl“ und entscheidet mit, wie die Chancen der CDU unter Merz künftig sein werden.
Der Parteichef reagierte am Montag auch schnell auf erste Kritik an ihm. So hieß es kürzlich, er ändere seine Meinungen zu schnell – ein Problem eines Vorsitzenden, dessen Partei noch kein Programm hat, sondern erst im Frühjahr 2024 eines vorlegen will.
Merz kündigte nun an, die Union werde etwa in der Energiepolitik „nicht schnell eine Antwort“ geben. Vielmehr würden CDU und CSU Anfang Mai gemeinsam etwas beschließen. „Wir nehmen uns die Zeit.“ Es gehe seit der Bundestagswahl um die „Aufarbeitung einer schweren Niederlage“ – und das in einer Zeit, in der sich alles ändere. „Darauf muss die Union insgesamt ausgerichtet werden. Wir haben noch einen langen Weg vor uns.“
Präsidium und Bundesvorstand tagten am Montag in Präsenz und virtuell, der Wahlverlierer Hans war gar nicht erst angereist, sondern ließ sich zuschalten. „Merz wollte schnell einen Haken an die Wahl machen“, berichteten Teilnehmer im Anschluss. Nachdem selbst Hans eingeräumt habe, dass es eine Regionalwahl gewesen sei, hätten die Vorstände schnell über den Ukrainekrieg beraten.
Dabei ging es um das Dilemma, auf der einen Seite Putins Aggression nicht unterstützen zu wollen, auf der anderen Seite aber auch nicht so einfach ein Öl- oder Gasembargo fordern zu können. Zu sehr würde es die heimische Wirtschaft treffen, Jobs kosten und damit zu sozialen Verwerfungen im Land führen. Daher solle niemand einen solchen Importstopp verlangen, lautete die Losung. Es gehe um einen „gestuften Importverzicht“.
Doch fern der Parteigremien wurde am Montag nicht so schnell mit der Wahl abgeschlossen. So sagte der frisch gewählte rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Christian Baldauf dem Handelsblatt: „Die Wahl im Saarland zeigt, dass die Union das Tal noch nicht durchschritten hat.“
„Wir müssen weiter an uns arbeiten, um verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen“, forderte Baldauf. Es müsse genau analysiert werden, „woran es gelegen hat“.
Andere sprachen gar davon, es gebe „Wut, dass alles auf Hans abgewälzt wird“. Zwar habe die Saar-CDU Fehler gemacht: So habe es Hans nicht geschafft, sich als vertrauensvoller Landesvater in Zeiten einer existenziellen Transformation der Stahl- und der Automobilindustrie zu präsentieren. Im Saarland stehen mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe auf dem Spiel.
Dennoch habe auch der neue Bundesvorsitzende seinen Anteil an der Niederlage, wenn auch indirekt: Das Saarland ist wie andere Regionen traditionell christlich-sozial geprägt, sodass ein Wirtschaftsliberaler wie Friedrich Merz angesichts dieser politischen Grundvorstellungen staatlich flankierter Wirtschaftspolitik eben nicht jenes erhoffte Zugpferd aus Berlin sein konnte.
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