Die EU will raus aus russischem Öl. Doch was wird aus der Raffinerie in Schwedt, wo nur Öl aus Russland ankommt? Politiker fordern Maßnahmen zur Standortsicherung.
Raffinerie in Schwedt
Rund 1200 Menschen arbeiten bei PCK, dem „Petrochemischen Kombinat“. Dazu kommen Hunderte Beschäftigte bei Zulieferunternehmen.
Bild: dpa
Berlin Angesichts des geplanten Ölembargos gegen Russland ist eine Debatte über den Erhalt der Arbeitsplätze in der PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt entbrannt. „Als Landesregierung ist uns der Erhalt der Arbeitsplätze natürlich ein ganz besonderes Anliegen“, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) dem Handelsblatt. „Eine Arbeitsplatzgarantie dürfte realistischerweise nicht umzusetzen sein, aber selbstverständlich setzen wir uns für bestmögliche Sicherheit für die Beschäftigten ein.“
Der FDP-Wirtschaftspolitiker Reinhard Houben gab zu bedenken, solange die Raffinerie auf russisches Öl angewiesen sei, hänge ihr Betrieb an der Willkür des Kremls. „Eine Garantie für die Arbeitsplätze kann unter diesen Vorzeichen nicht ausgesprochen werden“, sagte er dem Handelsblatt.
Der Bundesvize der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, dringt hingegen auf eine staatliche Jobgarantie. „Die Arbeitsplätze in der Raffinerie und bei den Zulieferern müssen politisch garantiert werden“, sagte Bäumler. „Dies kann bedeuten, dass die Raffinerie ganz oder teilweise vom Bund übernommen wird.“
Auch die SPD-Linke sieht Handlungsbedarf. „Ein Ölembargo muss zwingend mit einer umfassenden Strategie zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Transformation des Standorts hin zu nachhaltigen Energieträgern verbunden sein“, so die Chefin des SPD-Arbeitnehmerflügels, Cansel Kiziltepe. „Dabei ist es unsere Aufgabe in der Politik, die Härten dieses Wandels abzufedern und den Menschen vor Ort eine nachhaltige Zukunftsperspektive zu bieten“, fügte die Bundestagsabgeordnete hinzu.
Die EU-Kommission plant, wegen des Ukrainekriegs den Import von russischem Rohöl in sechs Monaten zu beenden. In Schwedt endet die Pipeline „Druschba“ (Freundschaft) aus Russland, deren Öl bei PCK verarbeitet wird. Die Raffinerie PCK gehört mehrheitlich dem russischen Staatskonzern Rosneft. Sie versorgt Berlin und Brandenburg zum Großteil mit Treibstoff. Rund 1200 Menschen arbeiten bei PCK, dem „Petrochemischen Kombinat“.
Dazu kommen Hunderte Beschäftigte bei Zulieferunternehmen. „PCK ist die DNA von Schwedt“, heißt es im Ort. Fast jeder hat im Werk angestellte Verwandte, hat einmal selbst dort gearbeitet oder dort gelernt. Viele Bürger fürchten nun, dass der geplante Importstopp zu einer Kündigungswelle führen könnte.
Eine Patentlösung hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck noch nicht. Gleichwohl machte der Grünen-Politiker Mitarbeitern der Raffinerie Mut. Bei einem Besuch in der Raffinerie vor wenigen Tagen sagte Habeck vor Hunderten Beschäftigten: „Ich will Sie nicht verkackeiern und Ihnen auch nicht irgendwie den Himmel rosarot malen. Es kann sein, dass es an irgendeiner Stelle hakt, es kann sein, dass irgendwas nicht funktioniert.“ Aber wenn sein Plan aufgehe, dann habe das Werk Zukunft und Perspektive.
>> Lesen Sie auch: Kein Öl mehr aus Russland: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Die Vorbereitungen für neue Ölquellen über Schiffe via Rostock, für die Finanzierung von Verlusten durch die Bundesregierung und für eine mögliche Enteignung oder eine Treuhandlösung für PCK liefen bereits. „Wenn alles drei klappt, dann haben Sie eine Jobsicherheit für die nächste Zeit. (...) Wir brauchen Schwedt.“
Robert Habeck besucht Raffinerie in Schwedt
Der Wirtschaftsminister spricht mit der Belegschaft der PCK-Raffinerie vor dem Hintergrund des geplanten Ölembargos der EU gegen Russland.
Bild: dpa
Die Gewerkschaft IG BCE macht Druck, dass das auch gelingt. „Wir fordern eine Standortgarantie für Schwedt und langfristige Beschäftigungsperspektiven für die Menschen“, sagte Gewerkschaftschef Michael Vassiliadis. „PCK braucht nicht nur einen Plan für die Abkehr von russischem Öl, sondern auch für den Einstieg in die klimagerechte Transformation.“ Die Politik sei daher in der Pflicht, „belastbare Alternativen für die Raffinerie zu finden – sowohl mit Blick auf die Lieferkette als auch mit Blick auf die Eigentumsverhältnisse“.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Steinbach betonte, die Raffinerie brauche Finanzhilfen des Bundes, um unter veränderten Rahmenbedingungen weiterhin arbeiten zu können. „Allein könnte das Land Brandenburg das nicht leisten“, sagte der SPD-Politiker. „Die Unterstützung durch den Bund ist essenziell.“
Der Co-Vorsitzende des Forums Demokratische Linke in der SPD (DL21), Sebastian Roloff, setzt auch auf die Hilfe der Bundesregierung. „Die SPD steht hier voll an der Seite der Beschäftigten in dieser kritischen Infrastruktur“, sagte Roloff dem Handelsblatt. „Der Bund sollte hier, wo möglich, bei den nötigen Transformations- und Umbaumaßnahmen unterstützen.“
Der FDP-Politiker Houben sagte, es sei entscheidend, dass die PCK-Raffinerie über Rohöl zur Verarbeitung verfügt, das nicht aus Russland kommt. „Aufgabe der Bundesregierung ist es deswegen, möglichst schnell alternative Lieferquellen für Schwedt beispielsweise mit unseren polnischen Partnern über Danzig zu erschließen.“
>> Lesen sie auch: Entwarnung für Ferienflieger: Berliner Flughafen erwartet keine Probleme bei Ölembargo
Steinbach unterstrich die große Bedeutung der Raffinerie. „Die PCK-Raffinerie spielt für die Arbeitsplätze in der Region, für ihre Wirtschaftskraft sowie die Versorgung mit Treibstoffen von Brandenburg und Berlin eine sehr große Rolle“, sagte der Minister. Unbestritten bringe ein Ölembargo oder ein Lieferstopp für alle Beteiligten daher „sehr große Herausforderungen“ mit sich. Umso wichtig sei es, diese so gut, wie es geht, abzufedern.
Habeck wies zugleich auf Risiken wie mögliche Versorgungsengpässe hin. „Das kann also auch schiefgehen an verschiedenen Stellen“, sagte er bei seinem Besuch in Schwedt. Dass aber das ganze Konstrukt scheitere, das werde nicht passieren. PCK-Chef Ralf Schairer ergänzte: „Wir tun alles, um unseren Weiterbestand zu sichern.“
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×