Die Bundesregierung reibt sich an der Frage, ob in der Europäischen Union nach 2035 noch Verbrennungsmotoren zugelassen werden dürfen. Am Ende steht ein Formelkompromiss.
Verbrenner-Auspuff
Beim möglichen Aus des Verbrennermotors hat sich die Ampel doch noch geeinigt.
Bild: dpa
Berlin, Luxemburg Vom G7-Gipfel in Elmau aus musste sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einen Streit einschalten, für den seine Minister auch nach Monaten keine Lösung gefunden hatten. Während in Luxemburg Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) mit ihren Kollegen aus den anderen EU-Staaten über das Ende des Verbrennungsmotors verhandelte, forderte Finanzminister Christian Lindner (FDP) von Berlin aus Änderungen an der deutschen Position.
Scholz antwortete in Elmau auf die entsprechende Frage eines Journalisten, dass auch nach 2035 Pkw „mit CO2-neutralen Technologien, mit E-Fuels“ zugelassen werden dürfen – ohne aber in die Details zu gehen, um die sich der Streit dreht. E-Fuels sind mit Strom hergestellte synthetische Kraftstoffe.
Am frühen Abend verkündete ein Regierungssprecher dann die Einigung: Nach 2035 sollen weiterhin Verbrennungsmotoren zugelassen werden können, die dann exklusiv mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden. Und dann folgt der für die Fachdiskussion entscheidende Satz: „Das bezieht sich nach dem gemeinsamen Verständnis der Bundesregierung auch auf Pkw und leichte Nutzfahrzeuge.“
Es soll also noch lange die klassischen Verbrennungsmotoren geben, auch wenn noch zu klären ist, wie das gesetzlich geregelt wird. Die EU-Kommission habe der Bundesregierung zugesagt, einen entsprechenden Vorschlag zu machen, sagte der Sprecher weiter.
Damit wird ein Streit befriedet, der zu einem ernsthaften Koalitionskrach hätte werden können. Lemke hatte beim Ministertreffen die Haltung vertreten, dass ab 2035 in der EU nur noch Elektroautos verkauft werden. So hatte es die EU-Kommission vorgeschlagen, so verlangt es auch das Europaparlament, und so steht es in der Weisung, die die deutsche Bundesregierung im Mai an ihre Unterhändler in Brüssel schickte. Von E-Fuels war darin nicht die Rede.
Der FDP hatte das nicht gereicht. Lindner machte weiter Druck und erklärte: „Die heutigen Äußerungen der Umweltministerin sind überraschend, denn sie entsprechen nicht den aktuellen Verabredungen. Verbrennungsmotoren mit CO2-freien Kraftstoffen sollen als Technologie auch nach 2035 in allen Fahrzeugen möglich sein.“
Die Frage der E-Fuels ist insbesondere für die Automobilzulieferer wichtig. Wenn nur noch Elektroautos neu zugelassen werden dürfen, bricht vielen Zulieferern das Geschäft weg. Hunderttausende Arbeitsplätze stehen europaweit auf dem Spiel, schätzt die Branche.
Außerdem sind viele Autofahrer von der elektrischen Zukunft nicht überzeugt. Elektroautos haben bisher geringere Reichweiten als Verbrenner, sie sind bisher deutlich teurer, und ihre Batterien enthalten die knappen Rohstoffe Lithium und Kobalt. Laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) steht nicht genug Lithium zur Verfügung, um bis 2030 rund 15 Millionen Elektroautos auf die deutschen Straßen zu bringen, wie es das Ziel der Bundesregierung ist.
E-Fuels könnten theoretisch eine Lösung für diese Probleme sein: Wenn sie mit Ökostrom hergestellt werden, sind sie klimaneutral. Und sie können herkömmliche Diesel- und Benzinautos antreiben.
Ökologisch sind die Elektroautos aber überlegen. Sie verbrauchen beim Fahren weniger Strom als die Herstellung einer entsprechenden Menge E-Fuel. Obwohl auch die Herstellung einer Batterie viel Strom kostet, ist die Bilanz über die durchschnittliche Nutzungsdauer von Elektroautos besser. Je schneller die Verbrenner von Europas Straßen verschwinden, desto einfacher sind die Klimaziele also zu erreichen. Nach dem Plan der EU-Kommission sollen E-Fuels darum nur dort eingesetzt werden, wo Batterien keine Alternativen sind, etwa in Flugzeugen und Schiffen.
>> Lesen Sie hier: Sind E-Fuels eine saubere Alternative für Autos? Nein, sagt die Wissenschaft
Wie sich die Bundesregierung zu den Vorschlägen der Kommission verhalten sollte, war schon während der Koalitionsverhandlungen Ende 2021 umstritten. Im Koalitionsvertrag fand sich dann eine unklare Kompromissformulierung, die FDP und Grüne seitdem unterschiedlich auslegen. „Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können“, steht dort.
Nach Deutung der Grünen sollten Verbrennungsmotoren allenfalls noch in Sonderfahrzeuge wie etwa Feuerwehrfahrzeuge oder Bagger eingebaut werden dürfen. Denn Koalitionsvertrag steht auch: „Schritt für Schritt beenden wir das fossile Zeitalter, auch, indem wir ... die Technologie des Verbrennungsmotors hinter uns lassen.“
Die FDP las die Passage trotzdem anders. Nun findet sich eine ähnliche Formulierung bald womöglich auch im EU-Gesetz – nur eben mit der Klarstellung, dass Pkw explizit mitgemeint sind, und nicht nur Feuerwehrfahrzeuge und Bagger.
Andere Staaten hatten sich längst positioniert. Eine Fünfergruppe rund um Italien forderte Ausnahmen für E-Fuels schon im aktuell diskutierten Gesetzestext. Zusammen mit Deutschland hätten sie ausreichend Stimmen gehabt, um das Verbrenner-Aus zu blockieren. Ohne Deutschland waren die Mehrheitsverhältnisse unklar. Andere Länder forderten hingegen, das Verbrennerverbot vorzuziehen.
Ein EU-Diplomat hatte vor dem Treffen gesagt, man sei an einem breiten Kompromiss interessiert.
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