Es ist die erste konkrete Schadensersatzforderung einer Maut-Betreiberfirma gegen den Bund: Eventim und Kapsch beziffern ihre Ansprüche auf mehr als eine halbe Milliarde Euro.
Düsseldorf Nach dem Aus für die Pkw-Maut haben die Betreiberfirmen jetzt den aus ihrer Sicht fälligen Schadensersatz beziffert. Der österreichische Mautkontrolleur Kapsch und der Ticketvermarkter CTS Eventim fordern 560 Millionen Euro, wie sie am Donnerstag in einer Pflichtmitteilung für die Börsen bekanntgaben. Die Ansprüche sollten in mehreren Schritten geltend gemacht werden.
Die Firmen seien überzeugt, dass ihre für die Maut gegründete Gemeinschaftsfirma Autoticket wegen Vertragsbeendigung durch den Bund Anspruch auf den entgangenen Gewinn über die Vertragslaufzeit von zwölf Jahren habe. Weiterhin sehe der Betreibervertrag einen Ausgleich von „Beendigungskosten“ vor, zu denen auch Schadensersatzansprüche von Unterauftragnehmern gehörten.
„Zunächst wird ein unabhängiger Stichtagsprüfer die Ermittlung des entgangenen Gewinns überprüfen. Schließlich entscheidet ein Schiedsgericht über die Rechtmäßigkeit aller Ansprüche“, heißt es in der Mitteilung. Das Verfahren kann durchaus drei bis fünf Jahre dauern.
In einem auf Twitter verbreiteten Videostatement wies Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Forderungen der Betreiber „mit aller Entschiedenheit“ zurück: „Die Zahlen sind falsch und entbehren jeder Grundlage.“ Die Betreiber hätten keinen Anspruch auf Entschädigung.
Sie hätten ihre vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt, „Meilensteine“ gerissen und nach der Kündigung die Verträge vorsätzlich verletzt. Er habe bereits den Prozess für ein Maut-Schiedsverfahren gestartet und die Betreiber für Mitte Januar zu Gesprächen aufgefordert, sagte Scheuer. Dabei werde es auch darum gehen, dass aus Sicht des Bundes das von den Betreibern gewählte Verfahren zur Bestimmung des Unternehmenswerts „unzulässig“ sei.
Der Minister steht in der Kritik, weil er Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut mit den Betreibern Kapsch und CTS Eventim Ende 2018 geschlossen hatte – bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. Dann aber erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Maut Mitte Juni für rechtswidrig. Scheuers Ministerium kündigte umgehend die Verträge. Daraus resultieren nun die Forderungen der Firmen – sie könnten letztlich zulasten der Steuerzahler gehen.
Für die Opposition, auf deren Antrag hin die Mautaffäre in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet wird, ist nun endgültig das Maß voll: „560 Millionen Euro Schadensersatz, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch fällig werden, sind ein guter Grund für den Verkehrsminister, um endlich zurückzutreten“, sagte Grünen-Vizefraktionschef Oliver Krischer.
„Bei jedem Unternehmen wäre bei solchen Problemen und Klagen der Chef spätestens heute abberufen worden“, betonte der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Christian Jung. Dagegen warnte der Obmann der Unionsfraktion im Untersuchungsausschuss, Ulrich Lange (CSU), vor einer „Vorverurteilung“. Das Ministerium habe die Ansprüche zurückgewiesen, und die Klärung der von der Gegenseite vorgetragenen Ansprüche bleibe dem Schiedsverfahren vorbehalten.
Mehr: Beamte des Verkehrsministeriums sollen Maut-Akten aus dem Bundestag transportiert und als vertrauliche Verschlusssache eingestuft haben.
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