Die GroKo will die Unternehmen verpflichten, Daten zu Forschungszwecken herauszugeben. So lasse sich klären, wie viel Schaden Fake News und Hetze verursachen.
Desinformation und Manipulation zu erforschen stelle ein „wichtiges öffentliches Interesse“ dar, so Datenschützer Johannes Caspar.
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Berlin In der heißen Phase des US-Wahlkampfes machen Facebook, Twitter und Youtube doch noch Ernst: Die Unternehmen löschen nun die Posts und Videos der Verschwörungstheoretiker von QAnon in ihren sozialen Netzwerken. Facebook untersagte gleichzeitig Aufrufe wie jene von Präsident Donald Trump, die Stimmabgabe in den Wahlbüros zu kontrollieren, wegen „militaristischer Sprache“.
Besonders Facebook-Chef Mark Zuckerberg hatte zuvor viel Kritik auf sich gezogen wegen des laxen Umgangs mit Desinformationen und Verschwörungstheorien. Wie viele absichtlich irreführende und bisweilen sogar gesundheitsgefährdende Posts durch die Netzwerke wabern, weiß niemand so genau, jedenfalls außerhalb der Unternehmen. Klar ist nur: Es sind viele.
Die Große Koalition will die großen Plattformen nun zu mehr Transparenz zwingen. „Die Netzwerke sollen ihre Daten Wissenschaftlern zugänglich machen“, sagte der Vizevorsitzende des Digitalausschusses, Hansjörg Durz, dem Handelsblatt.
Desinformation und Manipulationen im Netz seien eine Gefahr für Demokratie und öffentliche Sicherheit, warnt der CSU-Politiker. „Um sie zu bekämpfen, müssen wir die Meinungsbildung im Netz verstehen.“ Der Forschung fehlten jedoch hierfür die nötigen Daten der sozialen Netzwerke. „Das müssen wir ändern“, sagte Durz.
Der CSU-Politiker möchte eine entsprechende Verpflichtung für die Unternehmen ins Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) aufnehmen. Das Gesetz zur Bekämpfung von strafbaren Beleidigungen und Volksverhetzung wird derzeit überarbeitet. Ein daran angelehnter Gesetzentwurf, der die Plattformen dazu verpflichtet hätte, sensible Daten von Verdächtigen an Sicherheitsbehörden herauszugeben, wurde aber kürzlich von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gestoppt.
Das 2017 verabschiedete NetzDG verpflichtet die Unternehmen, eindeutig strafbare Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen. Auf Nutzerbeschwerden müssen sie nach spätestens 48 Stunden reagieren. Zudem müssen die Unternehmen alle sechs Monate einen Bericht über ihren Umgang mit Beschwerden veröffentlichen.
Den Koalitionsfraktionen reicht das an Transparenz aber nicht aus. Auch der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, spricht sich für eine Forschungsklausel aus: „Wir wollen Forschern Zugang zu Informationen ermöglichen.“ CDU-Digitalpolitiker Tankred Schipanski betont: „In der parlamentarischen Anhörung ist sehr deutlich geworden, dass eine Forschungsklausel ein sehr kluges Instrument wäre.“ Das Anliegen wolle man nun zügig umsetzen.
Allerdings fürchtet Fechner, dass die Aufnahme einer solchen Klausel in das NetzDG eine Notifizierung auf EU-Ebene auslösen und die gesamte Reform damit um mindestens ein halbes Jahr verzögern könnte. „Deshalb beraten wir darüber, in einem getrennten Gesetzgebungsverfahren die Forschungsklausel ins NetzDG einzufügen“, sagt er.
Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte in der Debatte über das Gesetz argumentiert, dass eine Forschungsklausel am besten auf europäischer Ebene verankert werden könne. Tatsächlich wird die EU-Kommission in Kürze Regulierungsvorschläge vorlegen, die die großen Plattformen zu mehr Transparenz und zur Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern verpflichten. Hier gebe es großen Nachholbedarf, sagte die zuständige Vizepräsidentin Vera Jourová.
Durz aber will nicht auf Brüssel warten. Bis zur Verabschiedung und Umsetzung des „Digital Service Act“ würden noch Jahre vergehen, „diese Verzögerung können sich Wissenschaft und Gesellschaft nicht leisten“, sagt der CSU-Politiker.
Es brauche wissenschaftlich fundierte Antworten darauf, welche Effekte Filterblasen im Netz hätten, welche Wirkung Desinformationskampagnen entfalteten und wie starke politische Werbung Wahlen beeinflusse. Die Herausgabe der Informationen lasse sich so organisieren, dass Datenschutz und Geschäftsgeheimnisse nicht infrage gestellt würden, so Durz.
Auch der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar hält einen Zugriff auf Daten sozialer Netzwerke zu Forschungszwecken für legitim. Desinformation und Manipulation zu erforschen stelle ein „wichtiges öffentliches Interesse“ dar. „Insoweit kann es nach Beachtung hoher Schutzstandards etwa auf pseudonymisierter Datenbasis zulässig sein, entsprechende Forschungsvorhaben durchzuführen“, sagte Caspar dem Handelsblatt.
Der Gesetzgeber müsste dabei aber klären, auf welche Daten der Nutzer zugegriffen werden dürfe und technisch-organisatorische Maßnahmen zum Schutz Betroffener definieren. Mögliche Einschränkungen von deren Rechten müssten verhältnismäßig sein.
Der Zugang zu den Daten von sozialen Netzwerken auch zu Forschungszwecken sei zwar „höchst brisant“, so der Datenschützer. Gleichwohl müsse konzediert werden, dass die Nutzer ihre privaten Informationen den Unternehmen „vielfach auch mit weit weniger Schutzgarantien“ zur Verfügung stellten.
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