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01.11.2018

13:04

Fernstraßenverwaltung

Bund erhält vollen Zugriff auf Autobahnen – Gewerkschaften und Arbeitgeber haben sich geeinigt

Von: Daniel Delhaes, Frank Specht

Landesbedienstete werden zur neuen Autobahngesellschaft des Bundes wechseln können. 15.000 Mitarbeiter sind davon betroffen.

Die Straßenbaubediensteten der Länder sollen in die neue Bundesautobahngesellschaft wechseln. dpa

Straßenwärter

Die Straßenbaubediensteten der Länder sollen in die neue Bundesautobahngesellschaft wechseln.

Berlin Auf dem Weg zur geplanten Bundesautobahngesellschaft ist eine weitere Hürde genommen. Der Bund und die Gewerkschaften Verdi und Beamtenbund haben sich auf eine Eckpunktevereinbarung geeinigt, wie der Übergang von 15.000 Straßenbaubediensteten der Länder auf die neue Infrastrukturgesellschaft des Bundes für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen (IGA) vollzogen werden soll.

Laut dem Papier, das dem Handelsblatt vorliegt, soll es für die IGA einen eigenen Tarifvertrag geben, der sich eng an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst des Bundes (TVöD) anlehnt.

In einem Einführungs- und Überleitungstarifvertrag wird zudem der Besitzstand für die bisherigen Landesbediensteten gesichert, die beim Übertritt in die neue Gesellschaft nicht schlechter gestellt werden sollen. Darüber hinaus haben Arbeitgeber und Gewerkschaften vereinbart, einen Tarifvertrag über die Betriebsstrukturen zu schließen, die zentral für die Mitbestimmung sind.

Mit der Autobahngesellschaft, die spätestens 2021 an den Start gehen soll, endet die föderale Tradition, dass die Länder im Auftrag des Bundes Autobahnen bauen und verwalten. Im September war bereits der Gesellschaftervertrag unter Dach und Fach gebracht worden.

Mit den jetzt vereinbarten Eckpunkten ist nun auch der Weg frei für Tarifverhandlungen zwischen der Autobahngesellschaft und den Gewerkschaften. Klar ist bereits, dass für die Beschäftigten einheitlich in ganz Deutschland die 39-Stunden-Woche gelten soll. Für Schichtarbeiter sowie die Mitarbeiter in Autobahnmeistereien und Kfz-Werkstätten sind es 38,5 Stunden. Für einige Landesbeschäftigte, die bei der IGA länger arbeiten müssten als bei ihrem bisherigen Arbeitgeber, soll im Überleitungstarifvertrag ein Ausgleich festgezurrt werden.

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Die Gewerkschaften haben zudem auf 23 Seiten schon Vorschläge für eine Entgeltordnung und die künftige Eingruppierung der Beschäftigten vorgelegt. Die Arbeitgeberseite hat sich verpflichtet, hier bis zum 26. November eine Rückmeldung zu geben. Zudem sollen die zersplitterten Zulagen- und Zuschlagsregelungen des Bundes für die IGA durch ein neu geordnetes und vereinfachtes System ersetzt werden.

Volker Geyer, Vizevorsitzender und Tarifexperte des Beamtenbunds, begrüßte die Vereinbarung: „Wir haben mit den Eckpunkten eine gute Grundlage für die anstehenden Tarifverhandlungen geschaffen“, sagte er. In vier Arbeitsgruppen sollen jetzt Detailregelungen zu den Themen Manteltarif, Tariftabelle, Eingruppierung und Überleitung vereinbart werden. Das in den Eckpunkten vorgesehene Ziel, die Verhandlungen bis Ende Januar nächsten Jahres abzuschließen, hält Geyer allerdings für „ehrgeizig“.

„Die IGA muss im Wettbewerb um die Fachkräfte attraktive Arbeitsbedingungen bieten, damit die Überführung der Bundesautobahnen aus der Verwaltung der Länder funktionieren kann“, sagte das für den öffentlichen Dienst zuständige Verdi-Vorstandsmitglied Wolfgang Pieper. Dafür sei jetzt ein Grundstein gelegt. Allerdings müssen die Tarifkommissionen der Gewerkschaften der Eckpunktevereinbarung noch zustimmen.

Im Verkehrsministerium spricht man zufrieden von einem „kleinen Schritt in Richtung Tarifvertrag“. Noch im Sommer schien es so, als würde keine Einigung bis zum Jahresende gelingen. Bis dahin aber müssen sich alle Landesbediensteten entscheiden, ob sie zum Bund wechseln. Bei den Beschäftigten gebe es weiter große Verunsicherung, heißt es von Gewerkschaftsseite.

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Ohne den Wechsel der Landesbediensteten könnte die IGA aber nicht wie geplant 2021 ihre Arbeit aufnehmen. Daher hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) frühzeitig erklärt, einen eigenen Tarifvertrag außerhalb der Regelungen des öffentlichen Dienstes vorzulegen.

Dabei legte er sich mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) an, der eigentlich zuständig für Tarifverhandlungen des Bundes ist. Um aber angesichts des Fachkräftemangels auch Planer und Ingenieure anwerben zu können, seien bessere Tarifbedingungen als im öffentlichen Dienst nötig, hatte Scheuer argumentiert.

„Die IGA kann nur mit der Unterstützung der Länder und den Beschäftigten ein Erfolg werden“, sagt etwa auch Verkehrsstaatssekretär Gerhard Schulz. Daher würden die Eckpunkte „so gut sein, dass die Gewerkschaften den Beschäftigten den Übergang in die IGA empfehlen werden“.

In den vergangenen Wochen waren Scheuers Beamte durchs Land gereist, um bei den Landesbediensteten für den Wechsel zur neuen Bundesgesellschaft zu werben. Dabei wurde bereits in Aussicht gestellt, dass der Tarifvertrag deutlich besser sein werde als die bisherigen Konditionen auf Landesebene.

Als regelrechte „Rattenfänger“ seien die Vertreter des Bundes bezeichnet worden. Ob allerdings ausreichend Mitarbeiter wechseln werden, ist offen. So haben erst kürzlich Vertreter der Autobahndirektionen in Hessen und Bayern erklärt, dass jeweils nur ein Drittel der Mitarbeiter dazu bereit sei.

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Doch die IGA bekommt noch ein ganz anderes Problem: Sie wird keine Einheit haben, die auch eigenständig plant und baut. Große Verkehrsprojekte wickelt derzeit die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) ab, an der der Bund sowie etliche Bundesländer beteiligt sind. Dort sind inzwischen alle Kompetenzen zur Abwicklung von Großprojekten gebündelt.

In der letzten Aufsichtsratssitzung sollten die Länder sich eigentlich breit erklären, ihre Anteile an den Bund zu übertragen, damit die Deges als wesentliche Einheit in der IGA aufgeht. Doch vor allem die ostdeutschen Bundesländer sowie Hessen und Nordrhein-Westfalen lehnten ab, wie das Handelsblatt erfuhr.

Der Grund: Sie hätten dann keine oder keine ausreichende eigene Verwaltung mehr, um etwa Landesstraßen und andere Projekte zu planen und zu bauen. Sie müssten also Personal und Verwaltung aufbauen. Daher halten sie an der Deges fest.

Zudem lehnen die Verkehrsminister der Länder die IGA ohnehin ab. Sie hätten die Auftragsverwaltung bei den Bundesfernstraßen gerne behalten, mussten sich 2017 aber dem Votum der Ministerpräsidenten beugen, die im Gegenzug bei der Bund-Länder-Finanzreform mehr Geld erhielten.

Wie es heißt, könnte die IGA unter Umständen die Anteile des Bundes an der Deges (29 Prozent) übernehmen und die Gesellschaft künftig weiter beauftragen. Dafür wirbt Staatssekretär Schulz für eine Übergangszeit.

Doch dagegen gibt es Widerstand, sollte doch mit der Gründung der IGA die Mischverwaltung zwischen Bund und Ländern enden. Dies wäre mit der Bund-Länder-Gesellschaft Deges nicht der Fall.

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