Behörden und Hygiene-Experten haben noch nicht entschieden, wann der wegen Corona geschlossene Schlachthof im Kreis Gütersloh den Betrieb wieder aufnehmen kann.
Absperrgitter stehen vor dem Betriebsgelände der Firma Tönnies
Wann das Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh den Betrieb wieder aufnehmen kann, bleibt weiter offen.
Bild: dpa
Berlin, Düsseldorf Als die entscheidende Sitzung noch lief, sandte Freddy Adjan noch einmal einen dringenden Appell aus: „Der Tönnies-Schlachthof darf erst wieder hochgefahren werden, wenn das Hygienekonzept – von Abstandsregeln bis Lüftung – so sicher ist und umgesetzt werden kann, dass keine Gefahr für die Gesundheit der Beschäftigten und der Bevölkerung besteht“, sagte der Vizevorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) dem Handelsblatt.
Dass diese Sicherheit besteht – daran gibt es ganz offensichtlich noch Zweifel. Denn wann das Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh den Betrieb wieder aufnehmen kann, ist weiter offen. Es wurde am 17. Juni zunächst für einen Monat geschlossen, nachdem sich 1400 Beschäftigte mit dem Coronavirus infiziert hatten.
„Wir haben alle ein großes gemeinsames Ziel: Sicherheit vor Schnelligkeit“, sagte die Detmolder Regierungspräsidentin Judith Pirscher (FDP) am Donnerstag nach der nicht öffentlichen Sitzung mit Vertretern von Behörden und Unternehmen sowie Hygiene-Experten.
In dem rund vierstündigen Arbeitstreffen sei vereinbart worden, Techniker auf das Betriebsgelände zu schicken. Sie sollten „verschiedene Maßnahmen zum vorbereitenden Infektionsschutz montieren“.
Vor der Schließung des Werks waren täglich etwa 20.000 bis 25.000 Schweine dort geschlachtet worden. Am Mittwochabend verfügte der Bürgermeister von Rheda-Wiedenbrück, Theo Mettenborg (CDU), dass zumindest erste Verwaltungsmitarbeiter das Tönnies-Stammwerk wieder betreten dürfen.
„Mit Blick auf das relativ geringe Infektionsrisiko wird die Wiederaufnahme der Betriebsverwaltung nicht unverhältnismäßig hinausgezögert“, erklärte die Stadtverwaltung. Durch geeignete Maßnahmen sei sicherzustellen, dass eine räumliche Trennung zu anderen Arbeitsbereichen jederzeit eingehalten werden könne.
Zudem seien ohnehin viele Verwaltungsmitarbeiter noch in Quarantäne oder im Homeoffice, teilte das Unternehmen mit.
Nach dem Corona-Ausbruch bei Tönnies hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) einen Lockdown im gesamten Kreis Gütersloh verhängt. Diese Maßnahme war aber am Montag vom nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht als „nicht mehr verhältnismäßig“ gekippt worden. Während im Kreis also das Alltagsleben weitergehen kann, drängen Landwirte auch auf eine baldige Rückkehr zur Normalität bei Tönnies.
Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) hatte am Mittwoch den andauernden Stillstand im Werk kritisiert. „Es wird Zeit, dass der Schlachtbetrieb in Rheda bei Einhaltung des Mitarbeiterschutzes endlich wieder in Gang kommt.“
Die Erzeuger müssten das entstandene Vakuum seit nunmehr drei Wochen auffangen. Mit jedem Tag werde der Druck größer, die Preise für Schlachtschweine befänden sich inzwischen im freien Fall. Der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer (CDU), der die Werksschließung verfügt hatte, vermittle den „Eindruck, das Unternehmen am langen Arm zappeln lassen zu wollen“, wird ISN-Geschäftsführer Torsten Staack zitiert.
Ein Tönnies-Sprecher sagte nach der Sitzung am Donnerstag, Behörden und Unternehmen hätten beide festgehalten, alles zu tun, um den Betrieb stufenweise wieder ans Laufen zu bekommen.
Geduld ist auch bei der stärkeren Regulierung der Fleischindustrie gefragt, die Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nach einer Häufung von Coronafällen auch bei anderen Unternehmen angekündigt hatte.
Ein Gesetzentwurf werde „im Juli“ kommen, bekräftigte das Ministerium auf Anfrage. Kernpunkt der von Heil bereits im Mai vorgelegten Eckpunkte ist, dass das Schlachten und Verarbeiten von Fleisch nur noch beim jeweiligen Betrieb angestellten Mitarbeitern erlaubt sein soll.
Der gängigen Praxis, diese Arbeit über sogenannte Werkverträge an Subunternehmer auszulagern, will das Arbeitsministerium damit einen Riegel vorschieben.
Die Subunternehmer beschäftigten oft Arbeitskräfte aus Ost- und Südosteuropa, die gemeinsam in Wohnungen oder Sammelunterkünften untergebracht sind.
Dies gilt, neben der räumlichen Nähe im Betrieb, als zusätzlicher Infektionsherd. Überprüfungen hatten teils katastrophale hygienische Zustände ans Licht gebracht. NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat betont, dass es erst durch das Infektionsschutzgesetz die Möglichkeit gebe, diese Wohnungen zu kontrollieren. Vorher seien den Behörden die Hände gebunden gewesen, wenn die Unterkünfte privat angemietet worden seien.
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