Nach der Flutkatastrophe haben Mitglieder der nordrhein-westfälischen Landesregierung auf Mallorca gefeiert. Dass nur eine Ministerin Konsequenzen zog, sorgt für Unmut.
Hendrik Wüst
„Alle Beteiligten haben sich für ihr Fehlverhalten entschuldigt und die Entschuldigungen waren glaubwürdig.“
Bild: dpa
Berlin Die SPD hat dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) mangelnde Glaubwürdigkeit in der sogenannten „Mallorca-Affäre“ vorgeworfen. Wüst habe trotz der Verfehlungen in den eigenen Reihen im Streit über den Urlaub von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) von einem Glaubwürdigkeitstest für SPD und Grüne gesprochen, sagte SPD-Bundesvize Thomas Kutschaty dem Handelsblatt.
Spiegel ist am Montag zurückgetreten. Die NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach sei aber noch im Amt, obwohl es täglich neue Erkenntnisse über ihre Reise nach Mallorca zu einer privaten Feier mit Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (beide CDU) gebe. „Damit besteht die CDU genau den Glaubwürdigkeitstest nicht, von dem sie selbst gesprochen hat“, so Kutschaty, der als SPD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 15. Mai antritt.
Neben der inzwischen zurückgetretenen Heinen-Esser hätten Scharrenbach und der ebenfalls von der „Mallorca-Affäre“ betroffene NRW-Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) offenbar „dem Ministerpräsidenten wochenlang nicht die Wahrheit über ihre Partyreise gesagt“, sagte Kutschaty weiter. Oder es habe Wüst nicht interessiert. „Beide Varianten sprechen dafür, dass bei der CDU in dieser Landesregierung einiges im Argen ist.“
Heinen-Esser hatte ihr Amt niedergelegt, nachdem bekannt geworden war, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit weiteren Regierungsmitgliedern auf Mallorca den Geburtstag ihres Ehemannes gefeiert hatte.
Spiegel stand unter Druck, weil sie ebenfalls kurz nach dem Jahrhunderthochwasser vier Wochen Familienurlaub gemacht hatte. Damals war sie Umweltministerin in Rheinland-Pfalz.
Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 waren in Rheinland-Pfalz und NRW mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, davon 134 im Ahrtal. Hunderte weitere wurden verletzt, Tausende Häuser und erhebliche Teile der Infrastruktur zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren.
Wüst hatte Konsequenzen für weitere Kabinettsmitglieder, die an der Geburtstagsparty auf Mallorca teilgenommen hatten, ausgeschlossen. „Alle Beteiligten haben sich für ihr Fehlverhalten entschuldigt, und die Entschuldigungen waren glaubwürdig“, sagte der CDU-Politiker.
Der Landesvorsitzende der NRW-Grünen, Felix Banaszak, sieht indes weiteren Aufklärungsbedarf. „Alle, die aktuell politische Verantwortung tragen, sollten diese auch angemessen ausfüllen“, sagte der Bundestagsabgeordnete. „In dieser Hinsicht müssen sich auch Frau Scharrenbach und Herr Holthoff-Pförtner Fragen zu ihrem Amtsverständnis stellen“, betonte der Grünen-Politiker und fügte hinzu: „Maximale Transparenz darüber, wer wann wo war und wer wann darüber informiert war, ist ein Gebot des Respekts vor den Betroffenen der Flutkatastrophe.“
Derweil zieht die „Mallorca-Affäre“ weitere Kreise. Wie die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (WAZ) berichtet, soll Scharrenbachs Staatssekretär, Jan Heinisch (CDU), die Hochwasserkatastrophe im vergangenen Juli aus einem dreiwöchigen Frankreichurlaub kommentiert haben.
Das Kommunalministerium hatte der „WAZ“ bestätigt, dass Heinisch vom 3. bis 25. Juli in Frankreich im Urlaub gewesen sei. Auch der Feuerwehrverband, dessen Landesvorsitzender Heinisch ist, war nach eigenen Angaben über die Abwesenheit informiert.
Als Verbandschef hatte sich Heinisch nach Beginn der Katastrophe Mitte Juli öffentlich über den Einsatz seiner Kollegen geäußert („Wir werden auch in den nächsten Tagen noch gebraucht werden“). Zudem hatte er den Familien der getöteten Feuerwehrleute kondoliert. Wie durch die „WAZ“-Recherchen herauskam, geschah beides aus dem Frankreichurlaub.
Die SPD will Heinisch nun sowohl wegen seiner Rolle als Staatssekretär als auch wegen seiner Funktion als Verbandschef vor den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe zitieren.
Der SPD-Obmann im U-Ausschuss, Stefan Kämmerling, sagte, sollten die Medienberichte über Heinisch zutreffen, sei er ein „wichtiger Zeuge“ und könne dazu beitragen, dass Vertretungsregeln und Zuständigkeiten „lückenlos“ aufgeklärt und daraus auch Vorschläge für die Zukunft erarbeitet werden.
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