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25.08.2021

14:50

Gamescom

Justizministerium sagt Bedrohungen auf Spiele-Plattformen den Kampf an

Von: Dietmar Neuerer

Durch Corona hat der Onlinespiele-Markt einen kräftigen Schub bekommen. Gaming-Plattformen können jedoch auch ein Einfallstor für Straftaten sein. Das ruft das Justizministerium auf den Plan.

Gamesbot, das Maskottchen der Gamescom: Onlinespiele bergen auch Risiken für die Nutzerinnen und Nutzer. dpa

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Gamesbot, das Maskottchen der Gamescom: Onlinespiele bergen auch Risiken für die Nutzerinnen und Nutzer.

Berlin Das Bundesjustizministerium fordert eine umfassende Regulierung von Spieleplattformen auf europäischer Ebene. „Wo sich Millionen vor allem junge Menschen jeden Tag bewegen und miteinander kommunizieren, darf es keine blinden Flecken beim Schutz vor Straftaten geben“, sagte Justizstaatssekretär Christian Kastrop dem Handelsblatt. Auch für Spieleplattformen seien „verpflichtende Regeln und starke Verbraucherrechte“ notwendig.

Das Justizministerium will sich in den Verhandlungen zum „Digital Services Act“ (DSA), mit dem die EU die Geschäftspraktiken von Onlineplattformen regulieren will, für strengere Vorgaben starkmachen. „Spieleplattformen müssen von den künftigen europäischen Regeln erfasst sein, damit strafbare und jugendgefährdende Inhalte sehr schnell gelöscht werden“, sagte Kastrop.

In der Digitalwirtschaft wird der Vorstoß unterschiedlich bewertet. Es sei wichtig, dass Spiele-Plattformen „ihrer Verantwortung gerecht werden und man dort klare gesetzliche Vorgaben macht, wo die Plattformen ihrer Verantwortung nicht gerecht werden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des IT-Verbands Bitkom, Bernhard Rohleder, dem Handelsblatt. Nationale Alleingänge sollte man dabei aber vermeiden. „Die Bundesregierung sollte sich mit Nachdruck für eine baldige europäische Lösung einsetzen und den Rechtsrahmen EU-weit harmonisieren.“

Kritik kam vom Vorstandschef des Verbands der Internetwirtschaft (eco), Oliver Süme. „Statt immer neuer Regularien muss die Bundesregierung jetzt ihre ureigenen Hausaufgaben machen und Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzen, auch im Internet aktiv das geltende Recht durchzusetzen“, sagte Süme dem Handelsblatt. „Es gibt im Internet keine rechtsfreien Räume, aber sehr wohl mangelnde Präsenz und Aktivität der Strafverfolgungsbehörden.“

Süme betonte zudem, der DSA sollte „ein allgemeiner, horizontaler Rahmen bleiben und weder ein Jugend- noch ein Verbraucherschutzgesetz werden“. Auch nationale Alleingänge „schwächen letztlich Anbieter in Deutschland und fördern auch nicht das angestrebte Ziel einer schnellen und effektiven Strafverfolgung im Netz“.

Ministerium sieht Online-Spiele als „attraktives Geschäftsmodell“

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) lehnt zusätzliche Regeln ebenfalls ab, die über die EU-Pläne hinausgehen. „Der DSA sollte, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, nur den Umgang mit tatsächlich illegalen, strafbaren Inhalten im Netz regeln und ein Melde- und Abhilfeverfahren einführen, das die schnelle Löschung und Sperrung solcher Inhalte ermöglicht und Unternehmen gleichzeitig Rechtssicherheit in ihrem Handeln bietet“, sagte BVDW-Geschäftsführer Marco Junk dem Handelsblatt.

Das Ministerium begründet den Handlungsbedarf auch damit, dass Online-Spielewelten durch die Corona-Zeit noch einmal stärker als zuvor ein „attraktives Geschäftsmodell“ geworden seien, wie Kastrop sagte.

Tatsächlich hat die Pandemie der Spielebranche einen deutlichen Umsatzschub beschert. Das zeigen Zahlen, die der Branchenverband Game anlässlich der am Mittwoch gestarteten weltweit größten Spielemesse Gamescom veröffentlicht hat.

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Im ersten Halbjahr 2021 wuchs der Games-Markt allein in Deutschland um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum - von knapp 3,8 auf gut 4,6 Milliarden Euro Gesamtumsatz. „Es gab selten so einen starken Anstieg neuer Spieler wie 2020“, sagte Game-Geschäftsführer Felix Falk.

Games-Branche: Unternehmen gehen „freiwillig“ gegen Beleidigungen vor

Zugleich betonte Falk mit Blick auf die Regulierungsüberlegungen, dass strafbewehrte Inhalte wie Hate Speech bei Games glücklicherweise sehr selten seien. Diese fänden sich eher in sozialen Medien „und für solche Fälle greifen richtigerweise bereits verpflichtende Regeln sowie starke und gerade nochmals erweiterte Verbraucherrechte.“ Überdies gingen Games-Unternehmen „freiwillig dagegen vor, wenn es in einzelnen Spielen zu beleidigender oder diskriminierender Kommunikation kommt“.

Doch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Branche geraten auch die Gefahren der Online-Spielewelten stärker in den Fokus. Kastrop nannte als Beispiele Cybergrooming und Cybermobbing. Beim Cybergrooming geht es um ein gezieltes Ansprechen von Kindern im Netz mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte. Unter Cybermobbing versteht man das Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen und Belästigen anderer über das Internet.

Virtuelle Spielewelten dürften keine rechtsfreien Räume sein, betonte der Staatssekretär. „Sexuelle Belästigung oder Bedrohungen müssen auch bei Onlinespielen wie in sozialen Medien und auf der Straße durch den Rechtsstaat konsequent verfolgt werden.“

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Die Risiken des Online-Gaming thematisiert auch eine aktuelle Studie im Auftrag des Justizministeriums, die dem Handelsblatt vorliegt. Die Autoren der Untersuchung weisen darauf hin, dass es nicht mehr die „klassischen“ Spielerinnen und Spieler gebe.

Das zeigt auch eine aktuelle Umfrage des IT-Verbands Bitkom: Inzwischen spielen 50 Prozent der Menschen in Deutschland wenigstens ab und zu Computerspiele, über alle Geschlechter und Altersgruppen hinweg. Außerdem sind die Spieleangebote vielfältiger geworden, und es stehen unterschiedliche Endgeräte und Zugriffsmodelle zur Verfügung.

Gespielt wird vor allem auf dem Smartphone

So wird vor allem auf dem Smartphone gespielt, oder auch auf dem Laptop oder dem Tablet. Sogenannte Casual Games bleiben beliebtestes Game-Genre. Darunter fallen die einfachen Gelegenheitsspiele wie Candy Crush, Quizduell und Co., gefolgt von Strategie-, Management- und Aufbauspielen.

Der Corona-Einfluss macht sich auch in der Spieldauer bemerkbar. Sie hat sich während der Pandemie verdoppelt, wie die Bitkom-Untersuchung zeigt. Online gespielt werden kann auf unterschiedlichen digitalen Plattformen, die neben dem Zugriff auf Spiele auch die Kommunikation zwischen Spielerinnen und Spielern ermöglichen. Diese Form des digitalen Austauschs birgt allerdings Risiken.

Die Kontaktanbahnung mit Kindern (Cybergrooming) findet laut der Ministeriumsstudie insbesondere auf Online-Gaming-Plattformen oder in zugehörigen Chats statt und richten sich an minderjährige Spielerinnen und Spieler. Laut einer Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA) sind die Fallzahlen des „strafbaren Einwirkens auf Kinder mit technologischen Mitteln“, wozu auch Cybergrooming gehört, von 2018 auf 2019 um rund 30 Prozent auf mehr als 3000 Fälle angestiegen. Die Dunkelziffer, vermuten Experten, ist deutlich höher.

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Für das Cybermobbing liegen für Deutschland keine spezifischen Daten vor. Die Autoren der Studie gehen indes davon aus, dass der Anteil der Betroffenen hoch ist. Als Beleg führen die Experten eine Befragung von Kindern und Jugendlichen in einer Onlinespiele-Community an, die international tätig ist. Demnach hätten 57 Prozent der Befragten angegeben, dass sie bereits in Onlinespielen schikaniert worden seien, 47 hätten Drohungen erhalten.

Staatssekretär Kastrop sieht für eine Regulierung das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und das jüngst beschlossene Gesetzespaket gegen Hass und Hetze im Netz als „inhaltliches Vorbild“, um das Gaming wirklich sicher zu machen. Das Ziel sei, Kinder und Jugendliche bestmöglich zu schützen. „Alle müssen sich gegen Drohungen, Diffamierungen oder kriminelle Abzocke wehren können“, sagte er.

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