PremiumFinanzminister Lindner verteidigt Bedenken seiner FDP zum Heizungsgesetz. Von Wirtschaftsminister Habeck kommt nun aber ein Kompromisssignal an die Liberalen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP, links) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
Die beiden Minister haben weiterhin Differenzen, wenn es um das Heizungsgesetz geht.
Bild: IMAGO/Emmanuele Contini
Berlin In der Auseinandersetzung um das sogenannte Heizungsgesetz innerhalb der Regierungskoalition zeigt sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu Änderungen bereit. Damit reagiert der Minister vor allem auf die Vorbehalte der Liberalen, die Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zuvor noch einmal bekräftigt hatte.
Habeck schlug im Gespräch mit der Funke Mediengruppe konkrete Nachbesserungen vor. „Wir könnten ab dem 1. Januar 2024 mit dem Umstieg für Neubauten anfangen. Das betrifft dann die Neubauten, die ab Januar genehmigt werden. Bei den Bestandsgebäuden würde ich gern den Wunsch nach mehr Zeit aufnehmen.“ Hier seien die Herausforderungen größer. „Ich will das Gesetz besser machen“, sagte der Wirtschaftsminister.
Habeck betonte, angesichts der Sorgen wegen Handwerkermangels und Lieferengpässen sei etwas mehr Zeit auch eine Hilfe. Der Minister unterstrich zudem, der Gesetzentwurf sei zwar schon jetzt technologieoffen. Allerdings sehe er auch hier mit Blick auf die Debatte um Holzpellets weitere Spielräume. Zuletzt war noch unklar, welche Regeln es künftig für das Heizen mit Holz geben soll.
Lindner trat der Behauptung entgegen, seine Partei schade im Streit um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Koalition und dem Land. „Wenn die FDP linke Politik und wirtschaftlich unvernünftige Lösungen verhindert, dann stärkt das unser Land“, sagte Lindner dem Medienhaus „Table.Media“.
Das Heizungsgesetz der Regierung hatte zuletzt schon für erhebliche Konflikte zwischen den Regierungsparteien gesorgt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte dazu dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Ich verhehle nicht, dass diese Diskussionen für meinen Geschmack durchaus auch leise im Ton geführt werden könnten.“
Die FDP sperrt sich seit Wochen gegen das Vorhaben. Dabei hatten die Ampelparteien im Koalitionsausschuss Ende März vereinbart, das Gesetz noch vor der am 7. Juli beginnenden Sommerpause im Bundestag zu verabschieden. Die FDP hatte den Termin infrage gestellt und dringt auf eine komplette Überarbeitung. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte den Liberalen daraufhin „Wortbruch“ vorgeworfen.
Habeck will nun Vertreter der drei Ampelfraktionen am Dienstag zum Austausch über das Gesetz treffen. Es gehe darum, dort Wege zu finden, das Gesetz im parlamentarischen Verfahren voranzubringen, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums am Freitag in Berlin.
Nach den Plänen der Bundesregierung soll ab 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das würde in der Praxis über kurz oder lang auf einen Austausch von Öl- und Gasheizungen hinauslaufen. Vorgesehen sind allerdings zahlreiche Ausnahmeregelungen.
Die Verschärfung der Debatte führt der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg auch auf das Agieren des Wirtschaftsministers zurück. „Habeck hat die Diskussion um dieses Gesetz fahrlässig zum Symbol eines falschen grünen Rigorismus in der Ampel werden lassen“, sagte Kronenberg dem Handelsblatt. „Dass die FDP und auch in Teilen die SPD in der jetzigen Form dagegen ist, kann angesichts des allgemeinen gesellschaftlichen Kopfschüttelns über dieses Projekt nicht verwundern.“
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)
Lindner trat der Behauptung entgegen, seine Partei schade im Streit um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Koalition und dem Land.
Bild: IMAGO/Political-Moments
Könnte der Zwist womöglich der Anfang vom Ende der Ampelkoalition sein? FDP-Chef Lindner sieht das Regierungsbündnis wegen des Konflikts nicht in Gefahr. „Das ist eine unrealistische Überdramatisierung“, sagte er.
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Auch der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter glaubt nicht, dass jetzt der Fortbestand der Koalition gefährdet sei. „Denn es drängt sich keine Alternative zur Ampel auf“, erklärte er. Außer einer neuen Großen Koalition sei nichts Funktionsfähiges in Sicht. „Und diese Vorstellung erscheint absurd und nur als eine Art Notstandskonstellation denkbar, wenn gar nichts mehr geht.“
Der Streit trifft die Ampelparteien zu einem schwierigen Zeitpunkt, in dem sie in Umfragen längst keine Mehrheit mehr haben. Die FDP hatte sich zwar in der Bremen-Wahl gerade noch über die Fünfprozenthürde gerettet. Doch wird längst überlegt, wie man an Stärke und Profil gewinnen kann. Eine Strategie könnte sein, sich als Korrektiv in einer eigentlich ungeliebten Koalition zu positionieren und dabei gleichzeitig die eigenen Erfolge herauszustellen.
Die Grünen wiederum plagen mäßige Wahlergebnisse in Berlin und Bremen, der Vorwurf der Vetternwirtschaft im Wirtschaftsministerium und nun auch noch offene Kritik vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) an den Heizungsplänen im Bund. Und die SPD kann sich als Kanzlerpartei in Umfragen nicht absetzen, auch weil Kanzler Scholz öffentlich als überwiegend entscheidungsschwach eingestuft wird.
Ebenso in der Heizungsdebatte ist Scholz kaum wahrnehmbar. Und wenn, dann referiert er allenfalls das, was bereits andere geäußert haben – zum Beispiel, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden solle. „Alle Beteiligten haben diesen Ehrgeiz. Und haben versichert, die offenen Fragen sehr zügig miteinander zu besprechen“, sagte Scholz dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der Gesetzentwurf werde nun im Parlament diskutiert und verbessert. Daran arbeiteten alle drei Fraktionen der Koalition.
Habeck betonte, es sei wichtig, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause durch den Bundestag gehe. „Es braucht jetzt Kompromissbereitschaft auf allen Seiten, um die Gesellschaft bei dieser riesigen Aufgabe nicht weiter auseinanderzutreiben, sondern sie hinter bezahlbarem, pragmatischem und der Drastik der Klimakrise angemessenem Klimaschutz zu versammeln.“
Der FDP-Wirtschaftspolitiker Reinhard Houben lobte bereits die Veränderungsbereitschaft Habecks. „Eine Unterscheidung zwischen Bestandsgebäuden und Neubauten ist sehr sinnvoll“, schrieb Houben auf Twitter. „Das stimmt mich optimistisch, dass wir am Ende ein gutes Gesetz beschließen werden.“
Der Politikprofessor Oberreuter mahnte ein stärkeres Engagement von Scholz bei dem Thema an. „Der Kanzler muss vermitteln und Brücken bauen“, sagte er. „Gesichtswahrend könnte im Wesentlichen eine Lösung mit leicht schonenderen Fristen, deutlicherer Nachvollziehbarkeit, klarerer und realistischerer sozialer Entlastung und größerer Technologieoffenheit sein“, erklärte der Experte.
Auch der Politikwissenschaftler Kronenberg hält eine Verständigung für möglich. „Ein Kompromiss in der Sache kann und wird – klassisch bewährt im parlamentarischen Fingerhakeln der Fraktionen – in veränderten Übergangsfristen liegen“, sagte er. „Der Kern des Gesetzes bleibt, Habeck setzt sich damit durch, die Fristen werden modifiziert – und die Liberalen haben für die Wählerschaft erkennbar die Rolle des bürgerlichen Korrektivs übernommen.“
Diese Kompromissvariante könnte jedoch das weitere gemeinsame Regieren nicht unbedingt einfacher machen, wie Kronenberg erläutert. „Wie aus dieser „Arbeitsteilung“ noch ein gemeinsames Ganzes, ein überzeugendes Narrativ des Aufbruchs jenseits des Krisenmanagements der Zeitenwende werden soll, steht dahin.“
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