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23.11.2022

12:24

Gesetzespläne

Innenministerin Faeser will Schutzvorschriften für kritische Infrastruktur verschärfen

Von: Dietmar Neuerer

Sabotageakte an Ölpipelines und bei der Bahn haben die Angreifbarkeit von Netzen der Infrastruktur offengelegt. Nun legt die Innenministerin Eckpunkte für einen besseren Schutz vor.

Die Innenministerin verschärft die Vorgaben für kritische Bereiche wie Energie, Verkehr und Bankwesen. dpa

Nancy Faeser

Die Innenministerin verschärft die Vorgaben für kritische Bereiche wie Energie, Verkehr und Bankwesen.

Berlin Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will die für kritische Infrastrukturen (KRITIS) relevanten Unternehmen in Deutschland zu einheitlichen Schutzstandards zwingen. Das geht aus dem Entwurf der Eckpunkte für ein entsprechendes Gesetz hervor, der dem Handelsblatt vorliegt.

„Den Betreibern der kritischen Infrastrukturen in allen Sektoren werden die gleichen Mindestvorgaben im Bereich der physischen Sicherheit auferlegt, um sich umfassend gegenüber Gefahren zu schützen und als Teil des Gesamtsystems resilienter zu werden“, heißt es in dem Papier, das seit Montag die regierungsinterne Ressortabstimmung durchläuft. Die Grünen begrüßten die Eckpunkte, halten zugleich aber staatliche Hilfen für die Betreiber für notwendig.

Die jetzt vorliegenden Eckpunkte sind der erste Schritt hin zu einem im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP vereinbarten „KRITIS-Dachgesetz“, in dem Vorschriften zum Schutz der kritischen Infrastruktur gebündelt werden sollen. Das Thema hat wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine deutlich an Bedeutung gewonnen.

Die Auswirkungen des Kriegs und Sabotageakte wie jüngst bei der Deutschen Bahn und den Gaspipelines Nord Stream hätten „die Verwundbarkeit der kritischen Infrastrukturen verdeutlicht“, heißt es in dem Eckpunktepapier.

Als Konsequenz soll nun in dem neuen Gesetz festgeschrieben werden, wie sich KRITIS-Betreiber besser schützen müssen. Nach der Vorstellung Faesers sollen sie dazu verpflichtet werden, ein „betriebliches Risiko- und Krisenmanagement“ einzurichten, Risikoanalysen und -bewertungen durchzuführen und Resilienzpläne zu erstellen.

Insgesamt elf Sektoren als kritische Infrastruktur eingestuft

Vorgeschrieben werden soll laut den Eckpunkten zudem die Umsetzung „geeigneter und verhältnismäßiger technischer und organisatorischer Maßnahmen sowie von Sicherheitsmaßnahmen für die jeweilige Einrichtung“. Das können beispielsweise die Errichtung von Zäunen und Sperren, Zugangskontrollen, Sicherheitsüberprüfungen, aber auch die Diversifizierung von Lieferketten und das Vorhalten von Redundanzen sein. Also so etwas wie doppelte Böden, damit Sabotageakte nicht gleich komplette Systeme lahmlegen.

Im Fall des Sabotageakts gegen die Bahn wurde die Schieneninfrastruktur empfindlich getroffen, nachdem an zwei Standorten Kabel durchtrennt worden waren. Wegen der Schäden musste der Zugverkehr im Norden Deutschlands mehrere Stunden eingestellt werden.

Die Grünen stellten den Betreibern kritischer Infrastrukturen staatliche Hilfe in Aussicht, um die verschärften Schutzvorschriften erfüllen zu können. Der Schutz kritischer Infrastrukturen liege in der gemeinsamen Verantwortung des Bundes, der Länder und der KRITIS-Betreiber, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, dem Handelsblatt.

Bei der Umsetzung der notwendigen Maßnahmen dürften daher die Betreiber nicht allein gelassen werden. In das angestrebte „KRITIS-Dachgesetz“ müssten auch „kluge Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten aufgenommen werden, um die betroffenen Unternehmer und Betreiber zu unterstützen“.

Mihalic sieht in den vorgelegten Eckpunkten für ein „lange überfälliges KRITIS-Dachgesetz“ eine „sehr gute Grundlage“ für die weitere Arbeit. „Wir dürfen den Schutz kritischer Infrastrukturen nicht länger vernachlässigen und müssen ihn gerade angesichts des verbrecherischen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine in der aktuellen sicherheitspolitischen Agenda mit höchster Priorität auf die Tagesordnung setzen“, sagte sie.

In dem sechsseitigen Eckpunkte-Entwurf werden insgesamt elf Sektoren als kritische Infrastruktur eingestuft: Energie, Verkehr, Bankwesen, Finanzmarktinfrastrukturen, Gesundheit, Trinkwasser, Abwasser, digitale Infrastruktur, öffentliche Verwaltung, Weltraum sowie Produktion, Verarbeitung und Vertrieb von Lebensmitteln.

Umspannwerk bei Salzgitter (Niedersachsen): Die Sabotage der Stromversorgung in Deutschland ist ein mögliches Szenario für den Krisenfall. dpa

Stromversorgung

Umspannwerk bei Salzgitter (Niedersachsen): Die Sabotage der Stromversorgung in Deutschland ist ein mögliches Szenario für den Krisenfall.

„Die Resilienz des Gesamtsystems der kritischen Infrastrukturen wird durch einheitliche Mindestvorgaben für Resilienzmaßnahmen in allen Sektoren gestärkt“, heißt es in den Eckpunkten. In erster Linie müssten die Betreiber der kritischen Infrastrukturen – ob private Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen – für ihre Funktionsfähigkeit sorgen.

Regierungspläne sollen eng in den europäischen Rahmen eingebettet werden

Auf staatlicher Seite soll das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zur „übergreifenden zuständigen Behörde“ für den physischen Schutz kritischer Infrastrukturen ausgebaut werden. Dem BBK sollen auch die Sicherheitsvorfälle gemeldet werden.

Angestrebt wird die Einführung eines „zentralen Störungsmonitorings“. Dieses soll das bestehende Meldewesen im Bereich der Cybersicherheit ergänzen, um einen Gesamtüberblick über Schwachstellen beim physischen Schutz kritischer Infrastrukturen zu ermöglichen. Durch die Meldung von Sicherheitsvorfällen könnten andere von dem Sicherheitsvorfall betroffene kritische Infrastrukturen, auch in anderen EU-Mitgliedstaaten, gewarnt werden, heißt es in dem Papier.

Die Regierungspläne für den Schutz kritischer Infrastrukturen sollen auch eng in den europäischen Rahmen einbettet werden. Gemeint ist die EU-Richtlinie über die Resilienz kritischer Einrichtungen (Critical Entities Resilience / CER-Richtlinie), die voraussichtlich Ende 2022 verabschiedet wird.

„Durch europaweit einheitliche Mindestvorgaben und verstärkte grenzüberschreitende Kooperation wird die Versorgungssicherheit in Deutschland und in Europa gestärkt“, betont das Eckpunktepapier der Innenministerin.

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