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18.11.2021

17:27

Gesundheitsminister in der Krise

Zu egoistisch, zu erfolglos, zu wenig loyal – Der Abstieg des Jens Spahn in der CDU

Von: Daniel Delhaes, Jan Hildebrand

Vor einem Jahr galt der Gesundheitsminister noch als potenzieller Kanzlerkandidat, nun muss er sich mit einem Vizeposten in der Unionsfraktion begnügen.

Von vergangenen Jubelstürmen ist heute nicht mehr viel übrig. imago images/Susanne Hübner

Jens Spahn

Von vergangenen Jubelstürmen ist heute nicht mehr viel übrig.

Berlin Am Freitagmorgen wird Jens Spahn (CDU) zusammen mit dem Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, wieder die Einschätzungen zur aktuellen Coronalage verkünden. Um die Bekämpfung der Pandemie muss sich aber längst die sich formierende Ampelkoalition kümmern. Schon bei der Bundestagsdebatte am Donnerstag spielte der geschäftsführende Gesundheitsminister nur noch eine Nebenrolle. Mehr als eine Kurzintervention, um sich gegen Kritik zu verteidigen, blieb ihm nicht.

Spahn verliert nicht nur im Amt des Gesundheitsministers an Bedeutung. Auch in seiner eigenen Partei erleidet der 41-Jährige dieser Tage einen schmerzlichen Machtverlust. Bis vor wenigen Wochen galt er noch als potenzieller Nachfolger des scheidenden CDU-Chefs Armin Laschet. Und es ist kein Jahr her, dass Spahn seine Chancen für eine Kanzlerkandidatur sondierte.

All diese Ambitionen wirken wie aus einer anderen Zeit. Vor gut einer Woche erklärte Spahn, dass er nicht für den Parteivorsitz kandidieren werde. Zu aussichtslos sind seine Chancen bei der geplanten Mitgliederbefragung. Und mittlerweile ist auch klar, dass in keinem der Teams der drei Bewerber – Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Helge Braun – ein herausgehobener Platz für ihn vorgesehen ist.

Als Merz am Dienstag skizzierte, wie er als möglicher CDU-Chef die Parteispitze aufstellen will, handelte er die Personalie Spahn in wenigen Sekunden ab. Er danke Spahn, dass er nicht für den Vorsitz kandidiere, sagte Merz und fügte hinzu: Stattdessen könne er ja künftig in der Unionsfraktion zusätzliche Aufgaben übernehmen, „etwa in der Funktion eines stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden“.

Wechsel aus der ersten Reihe in die dritte

In der CDU muss Spahn aus der ersten Reihe in die dritte wechseln. Bisher war er einer von fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden. Doch zumindest unter Merz ist dort für den Gesundheitsminister kein Platz mehr. Der frühere Unionsfraktionschef unterstützt die Bewerbungen von Silvia Breher und Karin Prien. Zudem will er mit Michael Kretschmer einen ostdeutschen Ministerpräsidenten in das oberste Führungsgremium holen.

Eine besondere Rolle sieht Merz auch für Carsten Linnemann vor. Der bisherige Chef des CDU-Wirtschaftsflügels hatte selbst mit dem Gedanken gespielt zu kandidieren. Darauf verzichtet er nun, um unter Merz Parteivize zu werden und die Arbeit am Grundsatzprogramm zu steuern. Die Besetzung des fünften Vizepostens ist offen und entscheidet sich im Landesverband Baden-Württemberg, es könnte auf Steffen Bilger hinauslaufen.

Spahn ist raus, weil Merz sich für Linnemann entschieden hat. Dieser kommt wie Spahn und Merz aus Nordrhein-Westfalen. Da die Führungsposten nach Länderproporz vergeben werden, muss Spahn zurückstecken. Er könne allenfalls Beisitzer im Präsidium werden, heißt es in der CDU. Auch in den Überlegungen Röttgens spielt Spahn keine herausgehobene Rolle, wie es aus dem Team des Außenpolitikers heißt.

Ob es bei Kanzleramtschef Helge Braun, dem dritten Kandidaten für den Vorsitz, für Spahn besser aussieht, ist fraglich. Als Gesundheitsminister hatte Spahn in diesem Jahr mit schwindenden Beliebtheitswerten zu kämpfen. Die Fehler im Pandemie-Management, fragwürdige Spendendinner – all das hat zum Abstieg des einstigen CDU-Superstars beigetragen.

Aber es ist noch mehr. Spahn habe sich immer wieder illoyal verhalten, betonen viele in der Partei. Und das sei ein Hauptgrund, warum die drei Bewerber um den Parteivorsitz wenig Lust hätten, ihn in ihrem Team zu haben.

Spahn gilt nach wie vor als Politiker mit großem Potenzial

So wird darauf verwiesen, dass Spahn im vergangenen Jahr auch an der Seite von Armin Laschet stand und dessen Kandidatur um den CDU-Chefposten unterstützte. Trotzdem gab es im Winter Gerüchte, Spahn sondiere in der Partei seine Chancen für eine Kanzlerkandidatur – hinter Laschets Rücken. Dieser sagte damals in einem Interview über Spahn den doppeldeutigen Satz: „Ich traue ihm vieles zu.“

„Ich traue ihm vieles zu.” AFP/Getty Images

Armin Laschet, Jens Spahn

„Ich traue ihm vieles zu.”

So geht es nicht nur Laschet. Spahn gilt nach wie vor als Politiker mit großem Potenzial. Wolfgang Schäuble hat ihn als eines der größten Talente der CDU bezeichnet, als Bundesfinanzminister zu seinem parlamentarischen Staatssekretär gemacht und ihn bei der Bewerbung für einen Posten im Parteipräsidium unterstützt.

Doch mit der Zeit kamen einigen Förderern und Verbündeten Zweifel, Spahn wirkte zu egozentrisch auf sie. Lange waren die Junge Union (JU) und die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) ein verlässliches Unterstützerlager. Aber auch das hat sich geändert.

JU-Chef Tilman Kuban hilft nun Merz. Der Wirtschaftsflügel hält zum bisherigen Vorsitzenden Linnemann, der jetzt im Team Merz spielt. Beim vergangenen Deutschlandtag der JU bekam Spahn trotz einer kämpferischen Rede nur freundlichen Applaus. Von vergangenen Jubelstürmen war nichts mehr übrig, einige Delegierte übten offene Kritik an seinem Corona-Management.

Wenn Spahn demnächst mit dem Abschied aus dem Gesundheitsministerium aus dem Rampenlicht tritt, dann halten das einige in der Partei für eine Chance. Er solle sich eine Zeit zurücknehmen, bis die Fehler vergessen und Wunden verheilt sind. Es ist das, was Spahn schon lange zu hören bekommt: Er sei noch jung genug, könne warten. Wenn auch der nächste CDU-Chef scheitere, dann werde für ihn eine neue Chance komme. Die Möglichkeit zum Wiederaufstieg.

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