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23.09.2020

14:41

Glasfaserausbau

Scheuer will Breitbandausbau mit neuem Förderprogramm beschleunigen

Von: Daniel Delhaes

Der Bundesverkehrsminister will, dass ab 2023 auch Gebiete mit einem Netz von mehr als 30 Mbit/s subventioniert werden. Verbände befürchten indes den Stillstand.

Netzausbau: Verkehrsminister fordert neues Förderprogramm dpa

Breitband-Internetausbau im ländlichen Raum

Seit eineinhalb Jahren diskutiert das Bundesverkehrsministerium mit der EU-Kommission darüber, ob der Staat auch den Ausbau von Netzen mit Datengeschwindigkeiten von deutlich mehr als 30 Mbit/s subventionieren darf.

Berlin Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer lässt keinen Zweifel: „Digitale Infrastruktur ist ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit einer Kommune“, wie er in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten von Union und SPD geschrieben hat, der dem Handelsblatt vorliegt.

Daher, so schreibt der CSU-Politiker, habe er sich mit der EU-Kommission verständigt, wie künftig der Staat nicht nur in Gebieten mit weißen Flecken, also mit Internetgeschwindigkeiten von weniger als 30 Megabit in der Sekunde (Mbit/s), mit Fördergeld beim Netzausbau hilft.

Seit eineinhalb Jahren diskutiert das Bundesverkehrsministerium mit der EU-Kommission darüber, ob der Staat auch den Ausbau von Netzen mit Datengeschwindigkeiten von deutlich mehr als 30 Mbit/s subventionieren darf. Vorausgesetzt, dass es in dem Gebiet nur einen Anbieter gibt und kein weiterer Ausbau geplant ist – sogenannte graue Flecken.

Bisher hat dies die Kommission abgelehnt und auf die Grundversorgung verwiesen. Alles, was oberhalb der Aufgreifschwelle stattfinde, sei Sache des Markts. Schnellere Netze müssten im Wettbewerb aufgebaut werden.
Doch so lange will die Koalition nicht warten. Sie hat sich das Ziel gesetzt, „den flächendeckenden Ausbau mit Gigabit-Netzen bis 2025“ zu erreichen. Dazu zählt die Regierung allerdings nicht nur reine Glasfasernetze, die konstant ein Gigabit und mehr an Datengeschwindigkeit liefern.

Netzausbau: Ab 2023 darf der Staat mehr subventionieren

Sie rechnet auch die Koaxialkabel der Kabelnetzbetreiber dazu, die allerdings geteilte Medien sind. Hier sinkt die Datengeschwindigkeit, je mehr Menschen das Netz nutzen.

Doch die EU-Kommission bleibt hart. Scheuer selbst schreibt von „hartnäckigen Verhandlungen auf höchster Ebene“.

So gilt auch in Zukunft eine Aufgreifschwelle. Soll heißen: In Gebieten, in denen die Menschen in der Lage sind, Datennetze mit Geschwindigkeiten von künftig 100 Mbit/s oder mehr zu nutzen, darf der Staat kein Steuergeld für den Ausbau nutzen.

Doch die Schwelle soll 2023 fallen. Von da an darf auch der Ausbau von Glasfasernetzen staatlich subventioniert werden.

Vorher dürfen allein sogenannte „sozioökonomischen Treiber“ ohne Schwellenwerte ans Netz angeschlossen werden, also Schulen, öffentliche Gebäude, Krankenhäuser, aber auch Unternehmen.

Die offizielle Zustimmung aus Brüssel aber steht noch aus, bisher gab es nur Zustimmung auf Arbeitsebene. Indes freut sich der Minister: „Die Europäische Kommission gesteht damit Deutschland als erstem Land in der EU die Möglichkeit zu, schon ab 2023 überall zu fördern, wo noch keine Gigabitversorgung besteht.“

Kritiker sprechen von einem Förderchaos beim Breitbandausbau

Doch damit fangen die Probleme erst an. Bis 2023 werden die Kommunen nur in wenigen Gebieten noch den geförderten Ausbau voranbringen können, heißt es in der Branche. So hat die Telekom mit der bisherigen Förderung bundesweit ihr Vectoring ausgebaut, über das die Kupferkabel am grauen Kasten an der Straße bis zu 250 Megabit in der Sekunde liefert, dann aber schnell an Leistung verlieren.

„Die Kommunen müssten Teile von Straßen ausschreiben oder einzelne Gebäude wie Schulen anschließen, so kalkuliert aber kein Netzbetreiber“, kritisiert Jürgen Grützner, Geschäftsführer beim Branchenverband VATM. Grützner spricht von einem drohenden „Förderchaos“.

Auch beim Landkreistag heißt es, es werde „schwierig, sinnvolle Fördergebiete zuzuschneiden“. Von „mehr oder minder zwei Jahren Stillstand“, ist bereits die Rede, wenn die Kommunen und Kreise abwarten, bis sie 2023 großflächig den Ausbau fördern dürfen.

Regelung könnte zu zwei Jahren Stillstand beim Netzausbau führen

Ebenso herrscht in den Bundesländern große Skepsis, weil all jene, die zügig etwa den Netzausbau über die Technik des Vectorings gefördert haben, nun warten müssen, bis die Schwelle von 100 Mbit/s fällt.

Bereits im Mai hatten die Digitalminister der Länder die EU-Kommission gebeten, auf die sogenannte Aufgreifschwelle von 100 Mbit/s zu verzichten. „So wie die Förderung des Breitbandausbaus derzeit ausgestaltet ist, wird in den nächsten zwei Jahren nur der Ausbau vergleichsweise langsamer Netze gefördert“, sagte die Europaministerin des Landes Hessen, Lucia Puttrich. „Im Ergebnis setzt man nicht nur technisch die falschen Anreize, sondern bremst Länder aus, die schon wesentlich weiter im Ausbau sind.“

Entsprechend gehe „der Kompromiss des Bundes mit der EU-Kommission zulasten der Ambitionierten“.

Während die Länder und Kommunen über Förderprogramme diskutieren, mahnen die Unternehmen andere Punkte an. „Um den Glasfaserausbau in Deutschland weiter voranzubringen, müssen in erster Linie die Rahmenbedingungen für den eigenwirtschaftlichen Ausbau weiter verbessert, Genehmigungsverfahren beschleunigt und Bürokratie abgebaut werden“, forderte Sven Knapp vom Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko). „Das Motto muss lauten: weniger Bürokratie, mehr Glasfaser.“

Zwar sei eine staatliche Förderung in unwirtschaftlichen Regionen „als Ergänzung“ wichtig. Doch gelte auch: „Geld baut keine Glasfasernetze, da die Baukapazitäten begrenzt sind.“

Die Förderung sollte daher auch in Zukunft dort ansetzen, wo die Versorgung noch „besonders schlecht“ ist. Knapp warnt vor dem Gießkannenprinzip ab 2023.

Wolfgang Heer, Geschäftsführer beim Glasfaserverband Buglas, sagte: „Die bloße Anpassung des Bandbreitenziels auf 100 Mbit/s, verbessert die Versorgung mit ultraschnellen Internet nicht, sondern ist am Ende nur eine lebensverlängernde Maßnahme für alte Kupferinfrastrukturen. Nachhaltig ist nur ein Förderziel, das statt auf Bandbreite auf die bestmögliche Infrastruktur abstellt“. sagte er.

Unternehmen setzen auf eigene Investitionen beim schnellen Internet

Auch warnen die Unternehmen, etwa die Wettbewerber der Telekom, dass private Investitionen ins Glasfasernetz verdrängt werden oder gar bereits gebaute Netze künftig „überbaut“ werden. „Jeder Bürgermeister, in dessen Ort es Vectoring gibt, wird die Förderung wollen“, mahnt VATM-Geschäftsführer Grützner. Schließlich sinke die Datengeschwindigkeit spätestens 250 Meter entfernt vom grauen Kasten auf unter 100 Mbit/s.

Zumindest Bürokratie versucht das Verkehrsministerium abzubauen, etwa über einen Mustervertrag für Fördergebiete, der von allen Seiten begrüßt wird. Das Problem der Aufgreifschwelle hingegen versucht es mit einem Trick zu umschiffen.

Bund und Länder arbeiten bereits an einer Förderrichtlinie. Demnach sind „nur zuverlässig zur Verfügung stehende Bandbreiten“ geeignet, die Aufgreifschwelle auszulösen. Im Klartext: Die Fördergebiete könnten etwas größer werden. Allerdings müsste dann im Zweifel an jedem Haus gemessen werden, wie viel Mbit dort ankommen, wie Kritiker sagen.

Mit der Richtlinie soll „die Förderung voraussichtlich zum Jahresende starten können“, wie sich Minister Scheuer zuversichtlich zeigt. Allerdings dürfen die Kommunen erst 2022 mit der Netzplanung beginnen und Fördergebiete ernennen.

Erst im November 2022 dürfen sie Netzbetreiber abfragen, ob sie in den kommenden drei Jahren gedenken, in einem bestimmten Gebiet Gigabit-Netze auszubauen. Diese sollen eine verbindliche Erklärung abgeben und notfalls sogar Schadensersatz zahlen, wenn sie sich nicht an ihre Ausbauzusage halten. Dafür will sich Scheuer bei der Novelle des Telekommunikationsgesetzes einsetzen. Findet sich kein Unternehmen, dann kann die Kommune eine Förderung ausschreiben.

All das aber braucht noch Zeit. Auch muss das Bundesministerium einen Projektträger finden, der die Fördermilliarden abwickelt. Beim ersten Förderprogramm hat es lange Zeit gedauert, bis die ersten Kabel verlegt und Bauprojekte abgeschlossen wurden. Von den 6,5 Milliarden Euro sind bislang nur wenige Rechnungen beglichen worden. Allein in diesem Jahr sah der Haushalt 900 Millionen Euro vor, von denen laut Planung 646 Millionen übrig bleiben werden.

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