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08.06.2021

15:02

Google, Facebook, Microsoft

„Gift für Innovation und Wettbewerb“: Union warnt vor Standardsetzung durch Digitalkonzerne

Von: Dietmar Neuerer

Google setzt mit seiner Suchmaschine einen Standard, der die Monopolstellung des Konzerns stärkt. CDU und CSU warnen vor den Folgen und rufen die EU zum Handeln auf.

WhatsApp und der Facebook-Messenger haben mit ihren Diensten einen Standard gesetzt. AFP

Digitalkonzerne

WhatsApp und der Facebook-Messenger haben mit ihren Diensten einen Standard gesetzt.

Berlin Die Union fordert Maßnahmen gegen die Dominanz großer Digitalkonzerne bei der Setzung von Standards. „Während Standardisierung durch die etablierten Normungsorganisationen im analogen Bereich dem Gemeinwohl in Deutschland und Europa bereits sehr wirksam dient, müssen und wollen wir in der digitalen Welt viel mehr tun. Hier setzen momentan noch die privaten Firmen die Standards“, heißt es in einem Positionspapier der Unions-Bundestagsfraktion, das dem Handelsblatt vorliegt.

Die Digitalpolitiker von CDU und CSU halten es für problematisch, dass es durch die Monopolisierungstendenzen der Plattformökonomie de facto einen Suchstandard (Google), einen Nachrichtenstandard (WhatsApp und Facebook Messenger) und einen Standard für Bürosoftware (Microsoft Office) gebe. Dem müsse Europa eine „Offensive für mehr frei verfügbare Standards“ entgegenstellen.

In ihrem Positionspapier skizzieren die Abgeordneten Maßnahmen, wie der Staat in Europa die Standardisierung neuer Technologien selbst in die Hand nehmen und damit öffentliche Interessen vor denen einzelner Großkonzerne wahren kann.

Den Handlungsbedarf begründen die Politiker damit, dass die jetzigen Systeme internationaler Normung zu wenig verhinderten, dass einzelne Großunternehmen die Spielregeln bestimmen. Das könne schnell zu einer „Schein-Interoperabilität“ führen, heißt es in dem 21 Seiten starken Papier.

Das heißt: Die Anwendungen seien zwar kompatibel, jedoch nur im plattformspezifischen Ökosystem, nach den Spielregeln und Interessen der jeweiligen Plattformkonzerne. „Für Cybersicherheit, Volkswirtschaft und Datensouveränität in Europa stellen solche Privatstandards ein ernsthaftes Risiko dar“, warnen die Unions-Politiker. Außerdem seien solche Datenmonopole „Gift für Innovation und Wettbewerb“.

„Wir müssen raus aus den Lock-in-Effekten großer Tech-Unternehmen“

Schon 2016 hatte das Bundeskartellamt angeregt, dass „marktbeherrschende Unternehmen kartellrechtlich zu Interoperabilität verpflichtet werden sollten“. Geschehen ist bisher aber nichts. Dabei käme die Interoperabilität vielen Nutzern zugute.

Darunter versteht man, dass sich Messengerdienste wie der von Facebook übernommene Dienst WhatsApp für andere vergleichbare Angebote öffnen. WhatsApp-Nutzer könnten dann auch mit den Nutzern anderer Anbieter kommunizieren. Voraussetzung ist, dass der Dienst dafür seine Schnittstellen öffnet.

„Wir müssen raus aus den Lock-in-Effekten und Datenmonopolen großer Tech-Unternehmen“, sagte der CDU-Digitalpolitiker Tankred Schipanski dem Handelsblatt. „So machen wir digitale Kommunikation sicherer und nutzerfreundlicher.“

In ihrem Papier plädiert die Union für „Datenportabilität mit Konnektivitätszwang“. „So wie ein Telekomprovider die Anrufe und Nachrichten seiner Kunden auch an die Kunden anderer Provider vermitteln muss (Konnektivitätsverpflichtung), so sollten auch die Anbieter von Social Media und Messengerdiensten verpflichtet werden, auf Wunsch ihrer Kunden deren Posts auch an Kunden konkurrierender Anbieter zuzustellen.“

Besonders wichtig sei, dass ein Nutzer in Gruppenchats Teilnehmer verschiedener Anbieter zusammenfassen könne. „Der Grund, sich widerwillig für den meistgenutzten Messenger zu entscheiden, weil dort die eigene Peergruppe erwartet wird, entfällt und damit auch die Grundlage für Monopolisierung.“ Lock-in-Effekte könnten so vermieden und Wettbewerb bei Messengern gefördert werden, sagte Schipanski.

EU will gegen marktmächtige Konzerne vorgehen

Fehlende Interoperabilität von Produkten kann zu Netzwerk- beziehungsweise Lock-in-Effekten führen – zulasten von Wettbewerbern. Der Netzwerkeffekt bedeutet, dass neue Nutzer dorthin gehen, wo bereits die meisten Mitglieder sind.

Denn die Nutzung von populären Chatdiensten wie WhatsApp, aber auch Signal, Instagram, Threema oder Telegram setzt voraus, dass jeder Teilnehmer auch im gleichen Dienst angemeldet ist. Das wiederum begünstigt einen „Lock-in-Effekt“, bei dem es schwer wird, einen Dienst zu verlassen, weil es keine Alternativen gibt.

Genau deshalb sieht die Union Handlungsbedarf. „Im Rahmen des Digital Markets Act (DMA) der EU wollen wir darüber hinaus die Gelegenheit beim Schopfe packen und die Rechtsfolgen für Marktbeherrschung durch Datenansammlung verschärfen“, sagte Schipanski. „Wir schlagen vor, dass die von den Verbrauchern erlangten Daten dann auch anderen Marktteilnehmern zur Verfügung stehen.“ Das gleiche die den Wettbewerb verhindernde Marktbeherrschung wieder aus.

Der DMA ist Teil eines umfassenden Gesetzespakets, mit dem die EU-Kommission die Marktmacht großer Internetkonzerne begrenzen will. Das Gesetz für digitale Märkte (Digital Markets Act) befasst sich mit den wettbewerbsrechtlichen Aspekten.

Das Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act) geht gesellschaftliche Fragen an. Bevor die Vorschläge der EU-Kommission umgesetzt werden, müssen EU-Staaten und Europaparlament sich noch auf eine Linie verständigen.

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