PremiumDie damalige Landesumweltministerin von Rheinland-Pfalz startete nach der Ahr-Flut in einen längeren Urlaub. Nun entschuldigt sich Spiegel – mit einem bemerkenswerten Auftritt.
Bundesfamilienministerin Anne Spiegel
Weil sie zehn Tage nach der Flutkatastrophe in den Urlaub gefahren ist, fordert die Opposition jetzt den Rücktritt.
Bild: dpa
Berlin/Mainz Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) hat sich am Sonntagabend in einem Statement an die Presse für ihren Urlaub kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal entschuldigt. Als Grund für die Urlaubsentscheidung gab Spiegel persönliche Gründe an: So habe ihr Mann einen Schlaganfall erlitten und die Pandemie ihre Familie mit vier Kindern stark belastet.
„Das war ein Fehler, dass wir auch so lange in Urlaub gefahren und dass wir in Urlaub gefahren sind. Ich bitte für diesen Fehler um Entschuldigung“, sagte Spiegel. Die Ministerin wirkt während ihres Statement sichtlich emotional und scheint immer wieder nach Worten zu ringen.
Sie sei aber auch im Urlaub in Kontakt mit ihrem Ministerium gewesen. Spiegel war in ihrem früheren Amt auch für Katastrophenwarnungen zuständig gewesen. Sie hatte sich vor einem Untersuchungsausschuss im rheinland-pfälzischen Landtag verantworten müssen. Die Grünen-Politikerin ist im Sommer 2021 als rheinland-pfälzische Umweltministerin rund zehn Tage nach der Flutkatastrophe an der Ahr zu einem vierwöchigen Familienurlaub nach Frankreich aufgebrochen. Einen entsprechenden Bericht der „Bild am Sonntag“ bestätigte der stellvertretende Regierungssprecher, Sebastian Kusche, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Mainz.
NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) hatte ihr Amt am Donnerstag niedergelegt, nachdem bekanntgeworden war, dass sie wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit weiteren Regierungsmitgliedern auf Mallorca einen Geburtstag gefeiert hatte.
Die Union hatte die Abberufung von Spiegel als Ministerin gefordert. „Es beweist sich erneut: Für Frau Spiegel waren Urlaub und das eigene Image wichtiger als das Schicksal der Menschen an der Ahr. Der Bundeskanzler muss sie entlassen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz der „Bild-Zeitung“.
Auch CSU-Generalsekretär Stephan Mayer hatte auf Konsequenzen gedrängt. Der „Bild am Sonntag“ sagte er: „Spiegel sollte sich ein Beispiel an Heinen-Esser nehmen und ihr Amt zur Verfügung stellen.“ Die rheinland-pfälzische Opposition, CDU, Freie Wähler und AfD, hatten ebenfalls erneut den Rücktritt Spiegels gefordert.
Bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 sind in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben gekommen, darunter 134 im Ahrtal. Rund 750 Menschen wurden verletzt, und große Teile der Infrastruktur sowie Tausende Häuser zerstört. Viele Menschen leben noch immer in Not- oder Ausweichquartieren.
Spiegel habe ihren Urlaub ein Mal unterbrochen, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen, berichtete der stellvertretende Regierungssprecher Kusche. Sie sei zudem ständig erreichbar und per Video bei den Kabinettssitzungen dabei gewesen. Die 41-Jährige, die wegen ihrer vier Kinder auf die Sommerferien angewiesen sei, sei erst gefahren, nachdem ein Krisenstab im Ministerium für die Trinkwasser- und Abwasserversorgung sowie die Müllentsorgung eingerichtet worden sei.
Spiegel war bereits in die Kritik geraten, weil sie sich in einem Kurznachrichten-Wechsel mit ihren Mitarbeitern direkt nach der Hochwassernacht um ihr politisches Image gesorgt hatte. Dazu hatte die Grünen-Politikerin im Untersuchungsausschuss des Landtags in Mainz gesagt, die Hilfe für die Betroffenen im Ahrtal sei für sie von höchster Bedeutung gewesen.
„Es ist absolut falsch, und ich weise entschieden zurück, dass ich irgendwann eine andere Priorität hatte.“ Spiegel habe in der mehrstündigen Vernehmung am 11. März auch anders als Heinen-Esser in dem Gremium in NRW „jede Frage vollständig beantwortet“, sagte Kusche.
Der rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Christian Baldauf sagte bereits am Donnerstag dem Handelsblatt: „Der Rücktritt von Frau Heinen-Esser muss ein Vorbild für Anne Spiegel sein. Ihr Rücktritt ist längst überfällig.“
Der parlamentarische Geschäftsführer und Obmann der Freien Wähler im Landtags-Untersuchungsausschuss Flutkatastrophe, Stephan Wefelscheid, hielt Spiegel vor, „vor der Verantwortung geflüchtet“ zu sein. „Wann zeigt sie endlich Charakterstärke, zieht die Konsequenzen und tritt zurück?“
Spiegel hatte die Leitung des Umweltministeriums in Rheinland-Pfalz im Januar 2021 nach dem Rücktritt ihrer Parteifreundin Ulrike Höfken zusätzlich zum Familien-, Integrations- und Verbraucherschutzministerium übernommen. Nach der gewonnenen Landtagswahl im März übernahm die Spitzenkandidatin der Grünen das neu zugeschnittene Klimaschutzministerium in Mainz – rund zwei Monate vor der Flutkatastrophe.
Bis zu ihrem Wechsel nach Berlin war die 41-Jährige auch stellvertretende Ministerpräsidentin in der zweiten Ampelregierung von Malu Dreyer (SPD).
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