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14.01.2020

00:02

Hasskriminalität

Kommunen unterstützen Schäuble-Vorstoß für Klarnamenpflicht im Netz

Von: Dietmar Neuerer

Bundestagspräsident Schäuble würde gerne die Pflicht einführen, den Klarnamen im Internet zu nennen. Für den Vorstoß bekommt er nicht nur Gegenwind.

Der Präsident des Deutschen Bundestages macht sich für eine Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken stark. dpa

Wolfgang Schäuble

Der Präsident des Deutschen Bundestages macht sich für eine Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken stark.

Berlin Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, hat sich offen für eine Pflicht zur Nennung des vollen Namens in sozialen Netzwerken gezeigt. Sein Verband „unterstützt alle geeigneten Maßnahmen, um ausufernde Bedrohungen und Hasskriminalität im Netz zu bekämpfen“, sagte Landsberg dem Handelsblatt. Dazu könne auch der Vorschlag des Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble gehören, eine Klarnamenpflicht in den sozialen Netzwerken einzuführen.

Der CDU-Politiker hatte sich in einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ für eine solche Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken stark gemacht. Ihm gefalle nicht, was dort passiere. „Die Regeln und Werte, die in der analogen Welt gelten, müssen auch in der digitalen Welt gelten. Dazu passt Anonymität nicht“, sagte Schäuble.

„In ihrem Schutz machen Menschen Dinge, die sie nicht machen würden, wenn sie wüssten, dass sie jemand dabei sieht. Dann würden sie sich nämlich schämen. Anonymität ist immer die Versuchung zur Hemmungslosigkeit“, erklärte Schäuble. „Wir brauchen ein europäisches Modell, das zwischen der grenzenlosen Freiheit des Silicon Valley und der Totalüberwachung Chinas liegt.“

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) reagierte zurückhaltend auf den Vorschlag Schäubles. „Häufig gibt es gute Gründe, warum jemand anonym bleiben möchte, zum Beispiel um sich vor Diskriminierung oder Angriffen zu schützen. Dies gilt für Leserbriefe in Zeitungen genauso, wie für Posts im Internet“, sagte die SPD-Politikerin der Nachrichtenagentur dpa. „Um Hass und Hetze im Internet zu bekämpfen, gibt es andere Wege als eine Klarnamenpflicht, die alle User treffen würde.“

Bei CDU, Grünen und FDP stieß Schäubles Forderung auf Ablehnung. Zwar werde Anonymität im Netz häufig missbraucht, sagte der digitalpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tankred Schipanski (CDU), dem Handelsblatt. Sie stelle in vielen Fällen aber auch einen wichtigen Schutz dar. „Deshalb sollten User weiterhin unter Pseudonym im Netz kommunizieren können.“

„NetzDG in Teilbereichen ein stumpfes Schwert“

Landsberg begründete seine Sympathie für den Schäuble-Vorstoß mit unzureichenden gesetzlichen Maßnahmen. Das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zur Bekämpfung strafbarer Inhalte im Internet sei „in Teilbereichen ein stumpfes Schwert“, sagte der Städtebund-Chef. „Zwar sind die Plattformbetreiber verpflichtet, Hassmails zu löschen, aber sie sind eben nicht gehalten, die Informationen einschließlich Klarnamen und IP-Adresse den Ermittlungsbehörden zu melden.“

Daher sei hier eine Gesetzesänderung notwendig. Lambrecht plant hierzu bereits eine Änderung des NetzDG. Die Meinungsfreiheit ende dort, wo das Strafrecht greife, sagte die Ministerin. Dann könnten Ermittler über die IP-Adresse den Verfasser eines strafbaren Posts ermitteln. „Wir sorgen dafür, dass die Strafverfolgung hier künftig viel konsequenter stattfindet. Die Plattformen müssen in Zukunft ihnen bekannt gewordene strafbare Posts an das BKA melden.“

Landsberg gab zu bedenken: „Natürlich schließt das nicht aus, dass diese Personen ihre wahre Identität verschleiern.“ Gleichwohl erhöhe es den Ermittlungsdruck, zumal der Städte- und Gemeindebund aus eigener Erfahrung wisse, dass Hass-Postings häufig unter Klarnamen ins Netz gesetzt werden. „Es sind vielfach Menschen, die nach dem Motto handeln 'Das wird man doch mal sagen dürfen' und der Echo-Raum Internet garantiert eine weite Verbreitung, mit dem Gefühl, dass sei schon in Ordnung.“

Die Zustimmung und die „Likes“ für solche Postings ließen meist nicht lange auf sich warten. Ein schärferes Vorgehen gegen die Urheber von Hasskommentaren sei aber nur ein Baustein, dem weitere folgen müssten, betonte Landsberg. Als Beispiel nannte er eine konsequente Verfolgung und Verurteilung der Täter.

„Über diese Verurteilungen – die es natürlich gibt – sollten die Medien viel offensiver berichten“, fügte der Städtebund-Chef hinzu. „Nur so kann es gelingen, die ausufernde Hasskriminalität zu bekämpfen und die ganz große Mehrheit, die diese Ansichten nicht teilt, hinter uns zu bringen und ihre Ablehnung zu organisieren.“

Mehr: Die Wirksamkeit des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes wird oft bezweifelt. Jetzt zeigt sich: Die zuständige Behörde hat bisher mehr Bußgeldverfahren eingeleitet als erwartet.

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