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27.12.2019

13:31

Hasskriminalität

SPD-Vorsitzende Esken verurteilt Morddrohungen gegen Justizministerin Lambrecht

Von: Dietmar Neuerer

Bundesjustizministerin Lambrecht hat Morddrohungen wegen eines Gesetzentwurfs erhalten. SPD-Chefin Esken reagierte empört. Auch CDU und FDP äußerten Kritik.

Im Internet massiv bedroht: Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). dpa

Christine Lambrecht

Im Internet massiv bedroht: Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD).

Berlin Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hat die Morddrohungen gegen Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) scharf verurteilt. „Es ist einfach inakzeptabel und wir werden es nicht hinnehmen, wie unsere Justizministerin Christine Lambrecht und viele andere Politiker und Politikerinnen aller Ebenen, von der Bürgermeisterin bis zur Kanzlerin, regelmäßig wegen konkreter politischer Vorhaben oder einfach wegen ihrer aufrechten Haltung gegen Rechtspopulisten und Rechtsextreme in unserer Gesellschaft angefeindet, grob beleidigt und sogar bedroht werden“, sagte Esken dem Handelsblatt. Polizisten, Verwaltungsbeamte oder Jugendhausmitarbeiter seien regelmäßig davon betroffen.

Der CDU-Sicherheitspolitiker Patrick Sensburg rief zur Solidarität mit Lambrecht auf. „Jeder, der den Rechtsstaat achtet, steht hier hinter der Ministerin“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Handelsblatt. Lambrecht gehe zurecht entschlossen gegen Hass und Hetze im Internet vor. „Dass sie jetzt selbst Morddrohungen ausgesetzt ist zeigt, wie entschlossen wir gegen Täter im Netz vorgehen müssen“, so Sensburg. „Drohungen, Beleidigungen und Aufrufe zu Straftaten fallen nicht unter die Meinungsfreiheit“, fügte der CDU-Politiker hinzu. „Es waren zu allen Zeiten Straftaten, die auch im Netz hart bestraft werden müssen.“

Auch die FDP reagierte empört auf die massiven Anfeindungen gegen Lambrecht reagiert. „Wer unter dem Deckmantel der Anonymität im Internet Morddrohungen gegen Personen ausspricht, die sich für das Gemeinwesen engagieren, sollte sich schämen“, sagte der innenpolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag, Konstantin Kuhle, dem Handelsblatt. „Mit diesen geht die Diskussionskultur in der Demokratie völlig verloren.“

Lambrecht hatte zuvor im Interview mit dem Handelsblatt von Morddrohungen gesprochen, die sie im Zuge der Debatte um einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Hasskriminalität erhalten hat. Der Entwurf aus ihrem Ressort enthält Regelungen, wonach Online-Dienste zur Herausgabe von Passwörtern an Behörden verpflichtet werden sollen.

Die Passwörter-Diskussion habe dazu geführt, dass sie massiv bedroht werde, das Leben und die körperliche Unversehrtheit betreffend, sagte Lambrecht. Damit könne man sie aber nicht einschüchtern. Es erreiche genau das Gegenteil. Sie gebe alle Drohungen, die sie für strafwürdig halte, an die Ermittlungsbehörden weiter.

Auch SPD-Chefin Esken Ziel von Morddrohungen

„Auch ich habe ähnliche Drohungen schon erhalten, und das nicht mal anonym“, sagte SPD-Chefin Esken. „Da heißt es dann „Hast Du Deine Herzmedikamente schon genommen? Nimm heute eine doppelte Dosis, wir kommen später mal vorbei“ oder auch „Ihr gehört alle am nächsten Baum aufgeknüpft, und Du zuerst“.“ Esken betonte vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit Hass und Hetze gegen alles Fremde, gegen Minderheiten und gegen Andersdenkende im Netz und anderswo „mit allen Mitteln“ zu bekämpfen. „Denn sie sind Gift für unsere Gesellschaft.“ Das Maßnahmenpaket gegen rechte Hetze, das die Justizministerin auf den Weg gebracht habe, sei deshalb dringend notwendig.

Kuhle hält es für richtig, dass die Justizministerin diese Fälle zur Anzeige bringt. „Im Kampf gegen Hasskriminalität im Internet muss die Justiz aber auch personell besser ausgestattet und in ihrer digitalen Kompetenz verstärkt werden“, fügte der FDP-Politiker hinzu. Falsch sei dagegen, den „ausgetretenen Pfad“ des sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) weiter zu beschreiten. „Auch die geplante Passwort-Herausgabepflicht ist rechtlich und technisch gefährliches Terrain.“

Esken versicherte, dass „Kritik in der Sache, die in Bezug auf die Bürgerrechte geäußert wird“, sehr ernst genommen werde. „Zudem müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um Demokratie und Rechtsstaat nicht nur mit Gesetzen und Verordnungen, sondern vor allem mit dem notwendigen Personal und Ausstattung handlungsfähig gegen alle Bedrohungen und Anfeindungen zu machen“, betonte die SPD-Chefin.

Der Mitte Dezember bekannt gewordene Gesetzentwurf, der die Passwort-Thematik beinhaltet, dient dem Kampf gegen Hasskriminalität im Internet. Er verpflichtet soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter unter anderem dazu, Hetze und Drohungen den Behörden zu melden. Um die Täter bei Bedarf zu identifizieren, sollen die Ermittler auch die Herausgabe der verschlüsselt gespeicherten Passwörter verlangen können.

NetzDG wird verschärft

Oppositionspolitiker und Verbände hatten die Pläne als unverhältnismäßige Eingriffe in die Privatsphäre kritisiert. Das Ministerium argumentiert hingegen, es gehe nicht um eine Erweiterung von Befugnissen, sondern nur um eine Präzisierung – zumal künftig ein Richter die Herausgabe anordnen müsse.

Geplant ist überdies, dass NetzDG zu verschärfen. Nach den Plänen des Justizministeriums sollen soziale Netzwerke bestimmte Posts künftig sofort dem Bundeskriminalamt (BKA) melden müssen. Das umfasst etwa Neonazi-Propaganda, die Vorbereitung einer Terrortat, die Bildung und Unterstützung krimineller Vereinigungen, Volksverhetzung, Gewaltdarstellungen, aber auch die Billigung von Straftaten, Morddrohungen und die Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen.

Derzeit müssen die Anbieter solche Inhalte nur löschen. Eine neue Stelle beim BKA soll die Inhalte und die IP-Adressen künftig sammeln. Plattformen, die ihren Pflichten nicht nachkommen, müssen mit Bußgeldern von bis zu 50 Millionen Euro rechnen.

Mehr: Lesen Sie hier die Hintergründe über die Morddrohungen gegen Justizministerin Lambrecht.

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