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10.03.2023

10:58

Immobilien

Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen sinkt auf niedrigsten Stand seit 2018

Von: Silke Kersting

Trotz Wohnungsmangel ist die Zahl der Baugenehmigungen im vergangenen Jahr eingebrochen. Besonders stark war der Rückgang bei Ein- und Zweifamilienhäusern.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) wurde im vergangenen Jahr der Bau von 354.400 Wohnungen genehmigt. dpa

Wohnungsbau

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) wurde im vergangenen Jahr der Bau von 354.400 Wohnungen genehmigt.

Berlin Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen ist in Deutschland im Jahresverlauf 2022 immer weiter zurückgegangen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) wurde im vergangenen Jahr der Bau von 354.400 Wohnungen genehmigt. Das waren 6,9 Prozent oder 26.300 Wohnungen weniger als 2021. Damals war mit 380.700 Baugenehmigungen der höchste Wert seit 1999 erreicht worden.

Niedriger als 2022 war die Zahl der Baugenehmigungen zuletzt 2018 mit 346.800 Wohnungen, teilte das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Zahlen mit.

In den Zahlen sind sowohl die Baugenehmigungen für Wohnungen in neuen Gebäuden als auch für neue Wohnungen in bestehenden Gebäuden enthalten. Besonders stark war laut den statistischen Daten der Rückgang der Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser. So genehmigten die Baubehörden 78.100 neue Einfamilienhäuser. Das sind 15.800 weniger als 2021. Die Zahl der genehmigten Neubauwohnungen in Zweifamilienhäusern ging 2022 ebenfalls überdurchschnittlich stark zurück: In Zweifamilienhäusern wurden 27.700 Wohnungen genehmigt, 4400 weniger als im Vorjahr.

Etwa 63 Prozent der Neubauwohnungen in Deutschland entstehen in Mehrfamilienhäusern. Aufgrund der noch hohen Genehmigungszahlen im ersten Halbjahr 2022 wurden in Mehrfamilienhäusern im Gesamtjahr 2022 mit 190.400 Wohnungen lediglich 1,6 Prozent oder 3100 Wohnungen weniger genehmigt als 2021. Im Jahresverlauf hat sich der Abwärtstrend allerdings beschleunigt.

Zum Rückgang der Bauvorhaben im Jahr 2022 beigetragen haben dürften vor allem Materialmangel und hohe Kosten für Baumaterialien, Fachkräftemangel am Bau und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen, heißt es bei Destatis.

Wirtschaft fordert Gegenmaßnahmen

Die Wirtschaft äußerte sich besorgt. Der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, sagte: „Die schwierige Mischung aus steigenden Zinsen, stark zulegenden Material- und Baupreisen, gestoppter Neubauförderung und sinkenden verfügbaren Einkommen hat vor allem ab der Jahresmitte 2022 den Wohnungsneubau abgewürgt. Das Erreichen des politischen Neubauziels von 400.000 Wohnungen, vor allem aber die Schaffung von ausreichend bezahlbarem Wohnraum ist so für lange Zeit nicht mehr möglich“.

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Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD), erklärte, der negative Trend bei den Baugenehmigungen werde sich 2023 fortsetzen, wenn die Ampelkoalition keine wirksamen Gegenmaßnahmen ergreife.

Schick zählt dazu erstens eine Neubauförderung in Höhe von zehn Milliarden Euro jährlich. Die von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) vorgeschlagene Förderung für den klimafreundlichen Neubau sei mit 1,1 Milliarden Euro Fördervolumen pro Jahr unzureichend und ermögliche kein wirtschaftlich vertretbares Bauen.

Zweitens forderte er eine Eigentumsförderung für die Mitte der Gesellschaft. Diese Gruppe könne sich im aktuellen Zinsumfeld, verbunden mit der allgemeinen Teuerungsrate, kein Wohneigentum mehr leisten. Das zeigten der starke Rückgang der Baugenehmigungen bei Ein- und Zweifamilienhäusern.

Als dritten Punkt erneuerte Schick die Forderung der Wirtschaft nach einer Vereinfachung und Flexibilisierung des Planungs- und Baurechts sowie schnelleren Genehmigungsverfahren. Das über die Jahre gewucherte Dickicht an Vorschriften und Normen verteuere das Bauen und bremse sowohl den Neubau als auch die Modernisierung der Immobilienbestände aus.

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Zu den Gründen für die sinkenden Genehmigungszahlen zählen die immens steigenden Baukosten. „Die hohen Finanzierungs- und Baustoffkosten bremsen die Investitionsbereitschaft weiter aus“, warnte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), schon im Februar.

Burkhard Siebert, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands Hessen-Thüringen, nennt konkrete Zahlen für sein Bundesland: „In Hessen sind im Jahr 2022 die Baukosten um 13,8 Prozent angezogen, das ist der stärkste Baupreisanstieg seit 52 Jahren. Die Politik muss endlich Planungs- und Genehmigungsprozesse digitalisieren und beschleunigen. Hausgemachte Preistreiber wie der Deponiemangel müssen behoben werden. Bauen darf sich nicht weiter verteuern.“

Gefahr für die Branche

Laut ZDB bauen die Unternehmen die Auftragsbestände ab. Sollte sich jedoch die kritische Lage im Wohnungsbau verfestigen und sollten die Aufträge weiter abstürzen, werde es nicht nur für Mieterinnen und Mieter in Großstädten immer schwieriger, so Pakleppa.

Es bestehe auch für die Branche die erhebliche Gefahr, den Beschäftigtenstand nicht halten zu können. Angesichts der immensen Bauaufgaben, gerade im preiswerten Wohnungsbau, wäre das verheerend.

Bundesbauministerin Geywitz erklärte, es gebe einen deutlichen Rückgang der Bauanträge. „Aber von einem kompletten Baustopp kann keine Rede sein.“ Es steige der Bauüberhang von genehmigten, aber nicht gebauten Wohnungen voraussichtlich weiter an. So seien 2022 mehr neue Wohnungen genehmigt worden als in 2021 fertiggestellt wurden, sagte die SPD-Politikerin.

Geywitz kündigte an, den schwierigen Rahmenbedingungen mit vereinfachten Planungs- und Genehmigungsverfahren, einer stärkeren Digitalisierung und einem Fokus hin zum seriellen und modularen Bauen begegnen zu wollen. Mit seriellem oder modularen Bauen ist Bauen mit standardisierten, industriell vorgefertigten Modulen gemeint. Damit soll Bauen schneller und kostengünstiger werden.

Grundsätzlich gilt die Zahl der Baugenehmigungen als wichtiger Frühindikator für die zukünftige Bauaktivität, da Baugenehmigungen geplante Bauvorhaben darstellen. Pakleppa erklärte jedoch, „dass erteilte Baugenehmigungen mittlerweile kaum noch zu Bauaufträgen führen. Derzeit rechnen wir für 2022 mit 280.000 fertiggestellten Wohnungen, 2023 mit 245.000 Wohnungen“.

2021 waren laut Statistischem Bundesamt 293.393 Wohnungen fertiggestellt worden. Dabei hatte sich die Bundesregierung vorgenommen, für den Bau von 400.000 neuen Wohnungen jährlich zu sorgen.

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