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07.04.2022

16:36

Industriepolitik

Habeck will die Vorherrschaft von Amazon und Microsoft in der Cloud brechen

Von: Julian Olk

Das Wirtschaftsministerium will 26 deutsche Unternehmen massiv fördern, die eine europäische Cloud-Infrastruktur aufbauen sollen. Die Wirtschaft dringt auf mehr Tempo.

Cloud obs

Riesige Datenmengen

Bei Projekten wie dem autonomen Fahren müssen in Echtzeit enorm viele Daten verarbeitet werden. Dazu braucht es eine neue Infrastruktur.

Für die digitale Zukunft ist die Cloud entscheidend, da herrscht in Wirtschaft und Politik Einigkeit. Die internetbasierte Bereitstellung von Speicherplatz, Rechenleistung und Software ist zwingende Voraussetzung für viele Zukunftstechnologien, ob autonomes Fahren, Industrie 4.0 oder eine moderne Gesundheitsversorgung.

Doch Europas technologische Zukunft liegt nicht in der eigenen Hand. Die verbreiteten Cloud-Infrastrukturen kommen von den US-Firmen Microsoft, Amazon und Google. Mit dem europäischen Ziel der technologischen Souveränität passt das nicht zusammen. Hinzu kommt: Datenverarbeitung über EU-Ländergrenzen hinweg ist ohne eine einheitliche Infrastruktur nur schwer möglich.

EU-Kommission und Bundesregierung wollen das ändern. „Unsere Wirtschaft muss selbst bestimmen können, wie sie ihre Daten speichert, nutzt und verarbeitet“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dem Handelsblatt.

Das Problem: Der Aufbau einer eigenen Cloud-Infrastruktur erfordert hohe Investitionen. Die Wirtschaft sieht sich nicht imstande, der US-Konkurrenz allein Paroli zu bieten.

Deshalb springt nun der Staat ein: Bereits Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron den Plan gehegt, ein „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) für den Cloud-Markt zu schaffen. Hieran will Habeck anknüpfen.

Wichtiger Teil der industriepolitischen Agenda Habecks

Mit einem IPCEI können EU-Kommission und Mitgliedstaaten Wirtschaftssektoren von übergeordnetem Interesse identifizieren, die besondere staatliche Unterstützung bekommen sollen. Diese industriepolitische Maßnahme ermöglicht eine deutlich stärkere finanzielle Unterstützung durch den Staat, als das gängige Recht zulassen würde.

Das Wirtschaftsministerium hat der EU-Kommission nun Projekte von 26 Unternehmen gemeldet, die der Bund mit bis zu 750 Millionen Euro fördern will, wie aus einer Mitteilung hervorgeht, die dem Handelsblatt vorliegt. Neben dem Aufbau einer über Ländergrenzen hinweg funktionierenden Infrastruktur geht es in den Projekten um einen klimaneutralen Betrieb und die Sicherheit der Cloud. „Deutsche Unternehmen werden an zentraler Stelle dazu beitragen, dass Daten sicherer und energieeffizienter verarbeitet werden und innovative Technologien und Anwendungen entstehen“, sagte Habeck. Mit der europäischen Cloud werde das „Fundament für die digitale Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit der EU“ gebaut.

Wirtschaftsminister Robert Habeck Reuters

Robert Habeck

„Deutsche Unternehmen werden an zentraler Stelle dazu beitragen, dass Daten sicherer und energieeffizienter verarbeitet werden und innovative Technologien und Anwendungen entstehen.“

Für Habeck ist der Cloud-Plan ein wichtiges Vorhaben seiner industriepolitischen Agenda, auch wenn die Vorarbeiten noch von seinem Vorgänger Peter Altmaier (CDU) stammen. Sein Ansinnen hat der grüne Vizekanzler früh deutlich gemacht: Das Zeitalter der Turbo-Globalisierung hat sich aus seiner Sicht längst überholt, zu groß sind die Abhängigkeiten vom Ausland geworden.

Souveränität und Resilienz sind die neuen Stichworte, bei Energie, in Lieferketten – und eben auch bei der Digitalisierung. Und da scheut sich Habeck auch nicht, im großen Stil mit der Staatskasse in die Wirtschaft einzugreifen.

Späterer Start als geplant

Neben Deutschland und Frankreich beteiligen sich zehn weitere EU-Staaten an der Cloud-Strategie. Die Projekte aus allen Ländern haben zusammen ein Volumen von 5,2 Milliarden Euro. Nun liegt es an Brüssel, die Freigabe für die Pläne und damit das Geld zu erteilen. Das Infrastrukturprojekt knüpft an das europäische Vorhaben Gaia-X an, das bestimmte Cloud-Anwendungen hervorbringen soll.

Nach aktuellem Stand sollen die Projekte im Herbst starten. Ursprünglich war der Sommer geplant. Der Grund für die Verzögerung laut Bundeswirtschaftsministerium: Die EU-Kommission habe neue Anforderungen gestellt, die noch hätten eingearbeitet werden müssen.

Die Wirtschaft dringt darauf, den neuen Zeitplan für die Cloud-Strategie unbedingt einzuhalten. „Der Erfolg wird vor allem von einem Faktor abhängen: Geschwindigkeit“, sagt Achim Berg, Präsident des Digitalverbands Bitkom. Es brauche einen schnellen Start und Rechtssicherheit für die Unternehmen.

Ob die industriepolitische Strategie den erhofften Effekt für den Cloud-Markt haben kann, ist fraglich. Allein Amazon, Google und Microsoft teilen sich zwei Drittel des Cloud-Markts untereinander auf. Neue Spieler, die auf den Markt drängen, kommen ausgerechnet vor allem aus China.

Laut einer Prognose der Branchenanalysten von Gartner wird der weltweite Umsatz mit Cloud-Geschäften 2022 bei rund 350 Milliarden Euro liegen. Kann ein niedriger einstelliger Milliardenbetrag da ausreichen, um Europa konkurrenzfähig zu machen?

Die Wirtschaft meldet jedenfalls gleich weiteren Bedarf an. Die erste Tranche des Staats sei hilfreich, sagt Iris Plöger, Mitglied der Geschäftsführung beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Darüber hinaus bedarf es jedoch weiter gehender Unterstützung der EU“, so Plöger. Möglich wäre das: Ein IPCEI kann aus mehreren Runden bestehen.

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