Minister Scheuer lässt seit Jahren Milliarden seines Etats liegen, ein Fünftel in 2020. Es gibt Kritik. Eine neue Unterabteilung soll Abhilfe schaffen.
Verkehrsminister Scheuer
Von der Antragsstellung beim Förderprogramm bis zur Rechnungsstellung dauere es gut drei Jahre, gesteht sein Ministerium ein.
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Berlin Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verdankt seinem Amtsvorgänger Alexander Dobrindt (CSU) viel Geld: Dieser hatte bei seinem Verkehrsetat die „Strategie des Investitionshochlaufs“ verfolgt. Dadurch durfte sich Scheuer bei seiner Amtsübernahme über den größten Investitionsetat im Bund freuen, den er als eine „gute Basis für dringend notwendige Verkehrsprojekte“ bezeichnete. Er wolle dafür sorgen, „dass es schneller zu Investitionen kommt“, so die Worte Scheuers.
Seit Amtsbeginn predigt er außerdem, dass Haushaltsmittel besser abfließen müssen. Doch passiert ist das Gegenteil. Laut Haushaltsplanung des Bundes bleiben in diesem Jahr fast 20 Prozent der Investitionsmittel ungenutzt.
Die „Ausgabereste“ belaufen sich damit auf ein Rekordniveau von 4,6 Milliarden Euro. In der laufenden Legislaturperiode sind es 12,4 Milliarden Euro, in den vergangenen fünf Jahren sogar 18,1 Milliarden – und das, obwohl die Baupreise seit 2018 um zwölf Prozent gestiegen sind und damit die Rechnungen für laufende Projekte entsprechend höher ausfallen.
Nicht viel besser sieht es bei den Verpflichtungsermächtigungen aus, mit denen im Etat erwartete Ausgaben für Großprojekte über mehrere Jahre festgelegt werden. Sie beliefen sich 2019 auf 30,5 Milliarden Euro, eingegangen wurden lediglich ein Drittel. 2018 waren es wenigstens noch 48 Prozent, 2017 sogar 53 Prozent.
Für die Opposition ist das ein Unding. „Es ist die zentrale Aufgabe zu Beginn der Legislaturperiode gewesen, dass die Haushaltsmittel und Ausgabenreste abfließen“, sagte der Haushaltspolitiker der Liberalen, Christoph Meyer. „Das Versagen zieht sich nun schon seit Jahren hin und zeigt einmal mehr, dass Minister Scheuer für diese Position nicht geeignet ist.“
Auch der Bundesrechnungshof übt scharfe Kritik am Haushaltsentwurf für 2021, der derzeit im Bundestag beraten wird. Die Prüfer sehen „angesichts des ungebrochenen Wachstums der Ausgabenreste weiterhin dringenden Handlungsbedarf“.
Gründe dafür gibt es aus Sicht des Ministeriums viele: lange Planungsverfahren oder Rechtsstreitigkeiten, fehlende baureife Projekte wie auch Ingenieurs- und Baukapazitäten. Seit Jahren beteuert das Ministerium, „vorhandene Reste schnellstmöglich abbauen“ und frühzeitig prüfen zu wollen, ob Anträge für Projekte auch realistisch sind. Doch bleibt immer mehr Geld liegen.
Beim Breitbandausbau etwa sind es rund 900 Millionen im laufenden Jahr. Zu Beginn 2015 waren die Regeln kompliziert und wurden inzwischen mehrfach angepasst und sollen bald auch wieder geändert werden.
Von der Antragsstellung beim Förderprogramm bis zur Rechnungsstellung dauere es gut drei Jahre, gesteht das Ministerium ein. Die Verpflichtungen belaufen sich inzwischen auf 4,3 Milliarden Euro. Der Rechnungshof befürchtet, dass es „erneut zu hohen Ausgaberesten“ kommen wird, wenn das Ministerium künftig auch den Mobilfunkausbau fördern wird. Fünf Milliarden soll es dafür geben.
Auch die Bahn ist nur schwer in der Lage, ihr Geld zu verbauen. Allein 2020 bleiben mehr als eine Milliarde Euro liegen. Für Scheuer ist das ein Problem: Sein Haus versucht gerade, mit dem Konzept des Deutschlandtaktes etliche Milliarden für die Bahn zu sichern. So soll das Schienennetz bis 2030 ausgebessert, verstärkt und mit Hochgeschwindigkeitsstrecken versehen werden, damit die Fernverkehrszüge regelmäßig und im Halbstundentakt verkehren und so das Bahnfahren attraktiver machen.
2021 wird es indes zunächst nur elf Millionen Euro für kleinere Maßnahmen geben, um Engpässe zu beseitigen. Für den Neu- und Ausbau sieht der Etatentwurf 1,6 Milliarden Euro vor, die 2022 auf 1,9 und in den Folgejahren auf zwei Milliarden Euro steigen sollen. Für Ausbesserungen sind jährlich 5,1 Milliarden vorgesehen sowie weitere Milliarden für die Digitalisierung.
Bei Förderprogrammen wie dem Sofortprogramm Saubere Luft für Kommunen oder Mitteln für den Radverkehr bleiben auch Hunderte Millionen liegen. Hinzu kommt noch eine halbe Milliarde Euro für kommunale Großprojekte, deren Bau nicht wie geplant in diesem Jahr starten konnte, wie der Nahverkehr rund um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21, die zweite S-Bahn-Stammstrecke in München oder die Innenstadterschließung in Karlsruhe. Allein aus dem Jahr 2019 liegen noch weitere gut 300 Millionen für derartige Projekte im Etat.
Bei den Wasserstraßen sieht die Lage nicht anders aus. Gut 600 Millionen bleiben in diesem Jahr liegen, auch wenn Minister Scheuer vor einer Woche medienwirksam den Nord-Ostsee-Kanal besuchte und die Jahre zuvor verschleppte Sanierung nun mit Geld unterstützt hat. „Es ist eine gute Zeit, die anbricht und wir sehen, dass der Bund erhebliche Gelder zur Verfügung stellt“, lobte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) bei dem Pressetermin. „Jetzt hoffen wir, dass es so schnell geht wie geplant.“
Scheuer mit Justizministerin Lambrecht beim Spatenstich für eine Umgehungstraße
„Das Geld soll ja raus, die PS sollen auf die Straße. Es soll ja etwas bewirkt werden“, sagt Scheuers Staatssekretär Werner Gatzer.
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Der Minister reagiert angesichts der Probleme – und will eine neue Unterabteilung mit sechs Referaten innerhalb der zuständigen Zentralabteilung gründen. „Strategisches Controlling, Erfolgskontrolle, Beteiligungen“ soll sie heißen und „zur verbesserten Steuerung des Mittelabflusses bei Investitionen und Programmen sowie zur Stärkung der Führung der Beteiligungsunternehmen“ beitragen.
Grund ist die seit Jahren geübte heftige Kritik der Rechnungsprüfer, die sich bei ihrer Kontrolle durchs das Ministerium immer wieder behindert sehen und Antworten entweder nicht oder nur verspätet erhalten. Leiter soll der bisher für die Reform der Autobahnverwaltung zuständige Stabstellenleiter werden. Die Mittel für neue Besoldungsstellen müssen die Haushälter freigeben.
Das Finanzministerium gibt sich damit nicht zufrieden. Es hat mit dem Haushaltsentwurf entschieden, die Investitionslinie des Verkehrsministers zu kürzen: von 24,6 auf 21,3 Milliarden Euro. „Die Aussage ,Ich brauche mehr Geld‘ reicht nicht, wenn das Geld nicht abfließt“, erklärt Finanzstaatssekretär Werner Gatzer, Investitionshochlauf hin oder her. „Ich bin der Meinung: Das Geld soll ja raus, die PS sollen auf die Straße. Es soll ja etwas bewirkt werden.“
Stattdessen fließen die für Investitionen geplanten Mittel nun in die Verwaltung, in die neue Autobahn GmbH, die ab dem kommenden Jahr anstelle der Bundesländer für die Investitionen in die Autobahnen verantwortlich zeichnet. Der Etat der Gesellschaft explodiert im Vergleich zu den politischen Versprechen um gut eine Milliarde Euro auf 1,4 Milliarden, was offenkundig nicht ausreicht.
Wie es heißt, dürften weitere 200 Millionen Euro aus dem Investitionsetat in den Aufbau der Gesellschaft fließen, was auch die Rechnungsprüfer bemängeln. Außerdem beklagen sie „fehlende Transparenz“: So wiesen bisher zwölf Einzeltitel die Ausgaben für den Betrieb, den Neu-, Aus- und Umbau und die Erhaltung der Fernstraßen aus. Sie sollen in Zukunft in zwei Sammeltiteln zusammengefasst werden.
Entscheiden werden die Haushaltspolitiker des Deutschen Bundestags.
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