Innenministerin Faeser drohte dem bei Rechtsextremen beliebten Messengerdienst mit Abschaltung. Der Druck zeigt nun erste Wirkung. Google spielt dabei eine wichtige Rolle.
Berlin Im Kampf gegen Radikalisierung und Hetze auf der Online-Plattform Telegram hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Teilerfolg erzielt. Ihrem Ministerium gelang es, direkten Kontakt zu Telegram aufzubauen.
„Wir haben Kontakt zur Konzernspitze von Telegram hergestellt“, erklärte Faeser am Freitag auf Twitter. „In einem ersten konstruktiven Gespräch zur weiteren Zusammenarbeit haben wir vereinbart, den Austausch fortzusetzen und zu intensivieren.“ Dieser Schritt sei ein guter Erfolg, auf dem man aufbauen werde.
Zuvor hatte Innenstaatssekretär Markus Richter dem Handelsblatt einen entsprechenden Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) bestätigt. Demnach hat das Gespräch am Mittwoch stattgefunden. Dies sei über die durch Google vermittelte Kontakt-E-Mail-Adresse verabredet und koordiniert worden.
Das Gespräch hat laut Richter er selbst mit weiteren Vertretern des Bundesinnen- und des Bundesjustizministeriums geführt. Dabei habe die Spitze von Telegram ihre „größtmögliche Bereitschaft zur Kooperation“ mit den deutschen Behörden erklärt und für den künftigen direkten Austausch einen „hochrangigen“ Ansprechpartner benannt.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagierte vorsichtig optimistisch. „Veränderungen beginnen mit Verbindungen. Besser als nix“, schrieb GdP-Vize Jörg Radek auf Twitter.
In Deutschland steht Telegram im Fokus der Kritik, weil sich über den Kommunikationsdienst teils radikale Gegner der Corona-Politik organisieren. Die von dem Russen Pawel Durow gegründete Plattform soll ihren Sitz in Dubai haben. Es ist damit schwer, an die Verantwortlichen heranzukommen.
Ermittler berichteten im vergangenen Jahr dem „Spiegel“, es lohne sich gar nicht erst, eine Anfrage dort hinzuschicken. Wann immer sie wissen wollten, wer hinter einem Account stecke, auf dem Straftaten begangen werden, komme von Telegram schlicht keine Antwort. Auf zwei bereits im April 2021 verschickte Bußgeldwarnungen reagierte Telegram nicht.
Faeser drohte dem Chat-Dienstleister zwischenzeitlich mit der Abschaltung. Ihr Ministerium konnte dazu jedoch weder technische noch rechtliche Details nennen. Praktikabler erschien deshalb ein anderer Vorstoß der Ministerin: Apple und Google könnten die Telegram-App aus ihrem Angebot verbannen.
>>Lesen Sie hier: Der Brandbeschleuniger: Warum Telegram Corona-Extremisten anzieht
Am vergangenen Freitag berichtete Faeser schließlich bei einem Treffen der Innenminister von Bund und Ländern in Stuttgart von Fortschritten in der Sache. Bei Google und Apple sehe sie die Bereitschaft, gegen Gewaltaufrufe in Telegram-Gruppen vorzugehen. Ihr Ministerium habe festgestellt, dass insbesondere Google da „sehr kooperativ“ sei.
Die zunehmende Aggressivität im Internet ist an diesem Freitag auch Thema eines Treffens der Justizminister der EU-Staaten. Zu den informellen Beratungen im nordfranzösischen Lille werden auch Vertreter von Facebook und Google erwartet. Für die Bundesregierung soll Justizminister Marco Buschmann (FDP) teilnehmen.
Der Minister hatte sich zuletzt für ein europäisches Vorgehen gegen Telegram ausgesprochen. Mit dem EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) würden erstmals gemeinsame europäische Vorgaben für soziale Netzwerke geschaffen, um mit geeinten Kräften Hass und Hetze konsequent zurückzudrängen, sagte Buschmann dem Handelsblatt: „Von diesen Regeln wird auch Telegram erfasst sein.“
Unabhängig davon drohte Buschmann dem Messengerdienst mit Zwangsvollstreckung und strafrechtlicher Verfolgung auch außerhalb der EU. Der Hass und die Hetze auf der Plattform müssten geächtet und entfernt werden, sagte der FDP-Politiker der „Rheinischen Post“ und dem Bonner „General-Anzeiger“. „Wir werden beispielsweise prüfen, ob und wo Telegram Vermögen hat, in das wir im Falle eines rechtskräftigen Bußgeldbescheides vollstrecken können.“
Telegram sei mehr als ein Messengerdienst, betonte Buschmann. Es biete die öffentlichen Funktionen eines sozialen Netzwerks und müsse sich an das dafür gültige deutsche Recht halten. „Dazu gehört unter anderem, einen Ansprechpartner für deutsche Behörden zu benennen, wenn auf Telegram zu Straftaten aufgerufen wird, indem zum Beispiel sogenannte Feindeslisten veröffentlicht werden.“ Telegram kommt dieser Verpflichtung nicht nach.
Die mögliche Maximalforderungen in zwei laufenden Bußgeldverfahren gegen den Konzern beläuft sich nach Angaben des Bundesjustizministeriums auf bis zu 55 Millionen Euro. In einem Verfahren gehe es um den fehlenden „leicht erkennbaren und unmittelbaren Meldeweg für strafbare Inhalte“ wie Hass und Hetze in Netz, sagte eine Ministeriumssprecherin der „Süddeutschen Zeitung“.
Beim zweiten um die „Nichtbenennung eines Zustellungsbevollmächtigten für Ersuchen von deutschen Gerichten“. Beide Vorschriften stammen aus dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Beim Verstoß gegen die Meldeweg-Vorschriften könnten bis zu 50 Millionen Euro fällig werden. Wegen des fehlenden Bevollmächtigten seien es bis zu fünf Millionen Euro, sagte die Sprecherin weiter.
In Deutschland gilt Telegram als bevorzugtes Medium für die Gegner staatlicher Coronamaßnahmen. Viele dieser Aktivisten wurden auf Plattformen wie Youtube, Facebook oder Twitter gesperrt, weil sie Gewaltaufrufe, gesundheitliche Falschinformationen oder Beleidigungen verbreitet hatten. Auf Telegram können solche User ihre Inhalte frei von jeglicher Moderation oder Zensur durch den Betreiber oder den Staat verbreiten.
Auch deshalb hatte das Bundeskriminalamt (BKA) kürzlich angekündigt, Telegram stärker ins Visier zu nehmen. „Insbesondere die Coronapandemie hat dazu beigetragen, dass sich Menschen auf Telegram radikalisieren, andere bedrohen oder sogar Mordaufrufe veröffentlichen“, sagte BKA-Chef Holger Münch. Zur Aufklärung solcher Straftaten hat das BKA nun eine sogenannte Taskforce eingerichtet.
Die EU-Kommission hatte im Dezember vorgeschlagen, Hassrede und Hassverbrechen in die gemeinsame Liste der sogenannten EU-Verbrechen aufzunehmen. Dafür bräuchte es jedoch unter anderem die Zustimmung aller EU-Staaten.
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