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16.12.2019

18:00

Interview

IAB-Forscher zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz: „Die formalen Hürden sind weiter sehr hoch“

Von: Frank Specht

Die EU-Migration wird stark sinken, warnt der IAB-Forscher Herbert Brücker. Er fordert daher Nachbesserungen am Fachkräfteeinwanderungsgesetz.

Herbert Brücker ist Migrationsexperte beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). imago/IPON

Herbert Brücker

Herbert Brücker ist Migrationsexperte beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Berlin Anlässlich des Fachkräftegipfels im Kanzleramt haben Migrationsexperten die Bundesregierung aufgefordert, das ab März 2020 geltende Fachkräfteeinwanderungsgesetz nachzubessern. „Wir müssen prüfen, ob die rechtlichen Voraussetzungen nicht zu hoch sind, etwa was die Einreise zur Ausbildungsplatzsuche angeht“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Petra Bendel, dem Handelsblatt. „Da hätten wir uns mehr Mut vom Gesetzgeber gewünscht.“ So sollen nur Absolventen einer deutschen Auslandsschule oder mit Hochschulzugangsberechtigung einreisen dürfen, um sich hier einen Ausbildungsplatz zu suchen.

Auch aus Sicht von Herbert Brücker, Migrationsexperte beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), liegen die Einwanderungshürden im neuen Gesetz weiter zu hoch: „Um hier arbeiten zu dürfen, muss man seinen Berufsabschluss vor der Einreise anerkennen lassen. Das gelingt nur in etwa 4000 Fällen pro Jahr“, sagte Brücker dem Handelsblatt.

Auch wer zur Arbeitssuche einreisen wolle, müsse zuvor seine Qualifikation anerkennen lassen. Das machten heute rund 200 Menschen pro Jahr. Und nach Inkrafttreten des Gesetzes würden es wohl kaum mehr sein, erwartet Brücker. Entscheidendes Kriterium für die Einreise sollte deshalb aus Sicht des IAB-Experten ein Arbeitsvertrag für eine qualifizierte Tätigkeit sein, nicht die Anerkennung der Berufsqualifikation.

Das komplette Interview lesen Sie hier:

Was muss das Einwanderungsgesetz aus Ihrer Sicht leisten?
Die Nettoeinwanderung aus den EU-Staaten wird nach unseren Prognosen in den nächsten zwei Dekaden auf 20 bis 25 Prozent des heutigen Niveaus sinken. Das ist ein relativ düsteres Szenario. Wir brauchen also Einwanderer aus Drittstaaten. Bisher kommt von denen nur ein Zehntel aus Erwerbsgründen. In klassischen Einwanderungsländern sind es 30 bis 40 Prozent.

Kann das Gesetz das leisten?
Kaum, denn die formalen Hürden sind weiter sehr hoch. Um hier arbeiten zu dürfen, muss man seinen Berufsabschluss vor der Einreise anerkennen lassen. Das gelingt nur in etwa 4000 Fällen pro Jahr. Auch wer zur Arbeitssuche einreisen will, muss zuvor seine Qualifikation anerkennen lassen. Das machen heute rund 200 Menschen pro Jahr. Nach Inkrafttreten des Gesetzes werden es wohl kaum mehr sein.

Was wäre die Lösung?
Entscheidendes Kriterium für die Einreise sollte ein Arbeitsvertrag für eine qualifizierte Tätigkeit sein, nicht die Anerkennung der Berufsqualifikation. Und es wäre sinnvoll, die Visumvergabe für Jobsucher flexibler zu handhaben, sie etwa auch mit Visa zum Jobinterview einreisen zu lassen.

Arbeitsminister Hubertus Heil sagt, die Wirtschaft müsse erst mal eine Anwerbestrategie entwickeln, damit das Gesetz Wirkung entfalten kann.
Es gibt nicht die Wirtschaft, es gibt nur einzelne Unternehmen mit sehr unterschiedlichen Bedarfen, vor allem bei den kleineren und mittleren Unternehmen. Die sollte man nicht darauf festlegen, in welchen Ländern für welche Berufe sie ihre Fachkräfte zu rekrutieren haben. Richtig ist aber, dass viele Unternehmen bei der Suche nach Fachkräftenachwuchs noch zu selten überhaupt ins Ausland schauen. Die Personalrekrutierungsstrategien sind noch nicht sehr international ausgerichtet, hier gibt es Potenzial nach oben.

Sie halten also nichts davon, gezielt Abkommen mit Ländern wie Mexiko, Indien oder Vietnam zu schließen?
Doch, wenn man im Rahmen solcher Abkommen festlegt, dass auch Fachkräfte kommen dürfen, die nicht erst ihre formale Qualifikation anerkennen lassen müssen. Hier haben wir mit der Westbalkanregelung, die formale Zugangshürden für Bürger vom Westbalkan weitgehend abgesenkt hat, gute Erfahrungen gemacht.

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