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21.03.2023

18:56

IT-Infrastruktur

Deutsche Bahn wegen Nutzung von Huawei-Technik unter Druck

Von: Dietmar Neuerer

Die Bundesregierung will chinesische Firmen aus dem Mobilfunknetz drängen. Doch die Bahn setzt weiter auf Huawei. Das sorgt parteiübergreifend für großen Unmut.

Die USA haben Huawei bereits 2020 als Gefahr für die nationale Sicherheit eingestuft und die Beschränkungen für US-Exporte an Huawei vor einigen Wochen noch einmal verschärft. Reuters

Huawei-Logo

Die USA haben Huawei bereits 2020 als Gefahr für die nationale Sicherheit eingestuft und die Beschränkungen für US-Exporte an Huawei vor einigen Wochen noch einmal verschärft.

Berlin Dass die Deutsche Bahn (DB) ungeachtet international wachsender Bedenken wegen möglicher Spionage bei ihrer Digital-Infrastruktur auf Bauteile von Huawei setzt, stößt in der Ampelkoalition auf scharfe Kritik. Die FDP bringt nun sogar ein gesetzliches Verbot ins Spiel. „Es bedarf gesetzlicher Nachschärfungen, sodass keine chinesische Technik im IT-Netz der Deutschen Bahn mehr betrieben werden kann“, sagte der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Maximilian Funke-Kaiser, dem Handelsblatt.

Der Bahnkonzern hatte im Rahmen eines EU-weiten Ausschreibungsverfahrens im vergangenen Dezember einen Auftrag an die Telekom (Telekom Business-Solutions GmbH) zum Aufbau eines betriebsinternen IT-Netzwerks vergeben, bei dem Technologie des chinesischen Konzerns zum Einsatz kommt. Eine Bahnsprecherin sagte dazu: „Dem Lieferanten obliegt es, die technischen Komponenten entsprechend den vorgegebenen Spezifikationen festzulegen.“

Mit Blick auf die geäußerte Kritik erklärte sie, es gebe „keine Warnung“ des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zur Verwendung von Huawei-Technik. „Den Empfehlungen der Bundesbehörden folgen wir selbstverständlich.“ Der Vorgang ist auch deshalb brisant, da sich die Bahn zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes befindet.

Das zuständige Bundesverkehrsministerium stellt sich indes auf die Seite der Bahn. Für den Konzern bestehe als Betreiber von nicht-öffentlichen Betriebsfunknetzen weder eine Zertifizierungspflicht für kritische Komponenten noch eine Verpflichtung, den Einbau von kritischen Komponenten beim Bundesinnenministerium anzuzeigen, sagte ein Ministeriumssprecher dem Handelsblatt. Gleichwohl stehe die Bahn zu allen Themen der IT-Sicherheit „in engem Austausch“ mit dem Eisenbahn-Bundesamt und dem BSI.

Das Vorgehen des Staatskonzerns sorgt trotzdem parteiübergreifend für großen Unmut. Die Entscheidung für chinesische Komponenten „trifft bei mir auf kein Verständnis und sendet das falsche Signal in die heimische Wirtschaft und an unsere internationalen Partner“, sagte Funke-Kaiser.

Der SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann erhob Vorwürfe gegen den Bahnvorstand. „Bei der DB herrscht schon seit Längerem eine komplette Ignoranz dem Problem gegenüber. Man versucht aus meiner Sicht, die ganze Thematik auszusitzen“, sagte Zimmermann dem Handelsblatt. „Ich kann dem Bahnvorstand nur empfehlen, das Thema sehr, sehr ernst zu nehmen.“

Bundesregierung prüft verschärft Huawei-Bauteile für den 5G-Ausbau

Wegen ihrer Nähe zur Regierung in Peking stehen chinesische Firmen wie Huawei in zahlreichen Staaten seit Langem unter verschärfter Beobachtung. Die Sorge ist, dass China direkt oder indirekt Zugriff auf Daten der Mobilfunknutzer erhalten könnte.

Daher hatten die USA Huawei und ZTE bereits 2020 als Gefahr für die nationale Sicherheit eingestuft und die Beschränkungen für US-Exporte an Huawei vor einigen Wochen noch einmal verschärft. Öffentlich zugängliche Beweise für Spionage oder Sabotage gibt es bislang nicht. Huawei und die Regierung in Peking haben die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Dennoch prüft die Bundesregierung verschärft die Bauteile für moderne Mobilfunknetze nach dem 5G-Standard von Huawei und des ebenfalls chinesischen Mitbewerbers ZTE auf Sicherheitsrisiken. An deren Ende könnten Telekom-Anbieter gezwungen sein, bereits verbaute Komponenten zu entfernen. In einigen anderen westlichen Staaten sind diese bereits verboten.

Die anvisierten schärferen Regeln in Deutschland sollen künftig für alle kritischen Infrastrukturen gelten und damit auch für den Schienenverkehr.

Die Bahn hatte den 64 Millionen Euro schweren Auftrag für den Großteil des Netzwerks an die Telekom-Tochter Business Solutions vergeben, die Router und Verteiler von Huawei verwendet. Deren Betriebssysteme müssen regelmäßig aktualisiert werden.

Sicherheitsexperten zufolge besteht das Risiko, dass dabei Schadsoftware eingeschleust wird. „Die digitale Infrastruktur wird zu einem wichtigen Schlachtfeld im Kampf um die Vorherrschaft“, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters den Technologie-Analysten Paolo Pescartore. „Und angesichts der anhaltenden Spannungen zwischen Ost und West ist es für die DB vielleicht am sinnvollsten, sich woanders umzusehen.“

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Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz verwies auf die hohe Bedrohungslage. „Wiederholt mussten wir erleben, welche verheerenden Auswirkungen Ausfälle haben können“, sagte von Notz dem Handelsblatt.

Die Bahn war im Oktober 2022 Ziel einer Sabotage-Aktion geworden, die den Bahnverkehr in weiten Teilen Norddeutschlands lahmgelegt hatte. Da dabei Hunderte Kilometer voneinander entfernt zwei wichtige Kabel gleichzeitig durchtrennt wurden, steht der Verdacht im Raum, dass ein staatlicher Akteur dahintersteckt. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Union zu Huawei-Nutzung: „Sicherheitspolitisch völlig blauäugig“

Von Notz hält den Zuschlag der Bahn an die Telekom und damit für Huawei für schwer nachvollziehbar. Er erinnerte an „eindringliche Warnungen“ der Sicherheitsbehörden, die man „sehr ernst nehmen“ sollte. „Alle Beteiligten tragen Verantwortung – auch und gerade die Betreiber kritischer Infrastrukturen“, sagte der Grünen-Politiker, der auch Vorsitzender des Geheimdienst-Kontrollgremiums des Bundestages ist.

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Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter gestand der Bahn zwar zu, sich an politische Vorgaben und Entscheidungen zu halten. Die seien aber, wie man jetzt wisse, „sicherheitspolitisch völlig blauäugig“ gewesen und gefährdeten zudem die technologische Souveränität Europas.

Daher halte er es für „grundsätzlich strategisch und sicherheitspolitisch falsch“, bei digitaler Infrastruktur auf Huawei zu setzen, insbesondere, wenn es um kritische Infrastruktur wie das Schienennetz gehe, so Kiesewetter. Dadurch mache man sich „massiv verwundbar“.

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