Seit Jahren kommt das deutsche Bildungssystem kaum voran. Am besten läuft es noch in Sachsen und Bayern. Doch auch dort gibt es große Defizite.
Unterricht
Die Qualität der Bildung an deutschen Schulen hat auch unter Corona zu leiden.
Bild: Maximilian von Lachner/VISUM
Berlin Das deutsche Bildungssystem ist seit vielen Jahren nicht besser geworden, sondern in Teilen sogar schlechter – nun droht auch durch Corona sogar ein weiterer Rückschritt. Das ist die ernüchternde Bilanz des jüngsten Bildungsmonitors des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).
Der Bildungsmonitor vergibt seit 2004 jährlich für 13 Indikatoren von Kitaversorgung über Schulvergleichstest und MINT-Qualifikationen bis zur beruflichen Bildung und Hochschulbildung Punkte. Erstmals betrachtet er in der aktuellen Ausgabe auch den Stand der Digitalisierung.
Vor allem die Schulqualität, also der Lernerfolg der Schüler, liege „heute im Durchschnitt aller Bundesländer auf dem Niveau, das 2011 das damals schlechteste Land Bremen erreicht hat“, fasste IW-Bildungsexperte Axel Plünnecke zusammen.
„In fast der Hälfte der Bundesländer haben sich die Bildungssysteme seit 2013 unterm Strich verschlechtert“, fügte INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr hinzu. Er vermisst bei vielen Kultusministern Ehrgeiz und Entschlossenheit: „In wohlklingenden Reden wird von Chancengerechtigkeit gesprochen, bei den viel zu hohen Schulabbrecherquoten tut sich aber seit Jahren kaum etwas.“ Das treffe vor allem Kinder ausländischer Herkunft hart.
Die zuletzt gesunkenen Abbrecherquoten führten in die Irre, denn sie seien nur entstanden, „weil viele Länder in der Pandemie schlicht auf die Prüfung für den mittleren Schulabschluss verzichtet haben“. Neue Laptops oder Tablet-Computer würden „monatelang nicht ausgepackt, da sich niemand für die Installation von Programmen zuständig fühlt oder Datenschutzbedenken im Weg stehen“.
Beim aktuellen Bildungsmonitor schneiden Bayern und Sachsen am besten ab, doch auch dort zeigten sich in einzelnen Bereichen deutliche Defizite. Schlusslicht Bremen hingegen liegt etwa bei der Digitalisierung weit vorn.
Bis 2013 zeigte der Monitor fast überall deutliche Verbesserungen. Die Leistung der Schüler verbesserte sich, die Abbrecherquoten und der Anteil der Risikogruppen, also der besonders leistungsschwachen Schüler, gingen zurück. Die Zahl der für die deutsche Wirtschaft zentralen MINT-Akademikerinnen und -Akademiker nahm sogar stark zu.
Seither registrierte der Monitor bei Schulqualität und Integration allerdings große Verschlechterungen. Gestiegen seien vor allem die Ausgaben je Kind und Schüler, mit denen der Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen finanziert wurde.
Dennoch fehlten heute nach IW-Angaben 340.000 Kitaplätze für unter Dreijährige, massenhaft Ganztagsschulplätze und eine frühe Sprachförderung. Es sei ein ausgesprochen „schlechtes Signal“, wenn das Familienministerium das Programm „Sprach-Kita“ streiche, von dem jahrelang Zusatzkräfte in jeder achten Kita finanziert wurden.
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Um den Negativtrend zu stoppen, fordern die Autoren massive Aufholmaßnahmen, um Pandemie-Lücken zu füllen. Und zwar viel gezielter als bisher für die geschätzt 20 Prozent der Schüler, die diese dringend brauchen.
Das jedoch gehe nur mit „bundesweiten Vergleichsarbeiten in allen Schulen und allen Jahrgängen – damit alle von denen lernen können, die etwa trotz vieler bildungsferner Kinder gute Ergebnisse erzielen“, sagte Plünnecke. Bisher gibt es solche Tests in Klasse 3 und 8, Niedersachsen nimmt nicht daran teil.
Um die Digitalisierung der Schulen möglich zu machen, fordern die Autoren flächendeckenden Breitbandausbau und Ausstattung aller Klassen mit Hard- und Software. Lehrkräfte bräuchten Pflicht-Fortbildungen, genug Zeit, um digitale Konzepte zu entwickeln, und auch selbst digitale Arbeitsplätze. Insgesamt seien dafür auch 20.000 zusätzliche IT-Stellen an den Schulen nötig.
Für all das braucht das System „deutlich mehr Geld“, sagte Plünnecke dem Handelsblatt. Entscheidend sei, dass es in die Infrastruktur, also hochwertige Ganztagsschulen und Kitas, investiert werde und „dass eine Differenzierung zusätzlicher Mittel nach einem Sozialindex stattfindet“.
Aktuell gibt Deutschland nach dem Bildungsfinanzbericht 6,5 Prozent des BIP für Bildung aus. „Sinnvoll wäre eine Erhöhung auf 7 Prozent“, so Plünnecke. Dieses Ziel hatten Kanzlerin Merkel und die Länder schon 2008 ausgerufen.
Die Stärken und Schwächen der Bundesländer sind dem Monitor zufolge extrem unterschiedlich:
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