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28.02.2023

11:19

Kommentar

Die Wahrheit über den stockenden Autobahn-Ausbau – Ein Basar entscheidet über die Zukunft

Von: Daniel Delhaes

Warum baut der Bund die Infrastruktur nicht danach aus, was wirklich wichtig ist? Weil ein System herrscht, das selbst die Regierungsspitze zuerst an ihre Heimatprovinz denken lässt.

Eigentlich steht im Ausbaugesetz, welche Straßenbau-Projekte besonders wichtig sind. dpa

Autobahnen

Eigentlich steht im Ausbaugesetz, welche Straßenbau-Projekte besonders wichtig sind.

Der Bund baut munter Autobahnen, oft auch wahllos. Da werden Ortsumgehungen gebaut, anstatt störende Engpässe für den überregionalen Verkehrsfluss zu beseitigen. Und das, obwohl es alle 15 Jahre einen sogenannten Bundesverkehrswegeplan gibt und mit ihm Ausbaugesetze, in denen steht, welche Projekte besonders wichtig sind.

Fachleute wissen seit Jahren, was sich da abspielt: Erst melden Bürgermeister, Landräte, Landesregierungen ihre Wunschlisten beim Bund an. Dann beauftragt der Verkehrsminister für viel Geld Wissenschaftler, im Jahr 2013 waren es 30 Millionen Euro. Die Experten analysieren und sortieren Projekte nach einem undurchsichtigen System. Klar ist indes: Kleine Korrekturen bei den Annahmen sorgen schnell dafür, dass andere Projekte plötzlich wichtig sind.

Der politische Basar entscheidet über Infrastrukturprojekte

Wer glaubt, dass die nach mehreren Jahren Arbeit präsentierte Liste gewissenhaft abgearbeitet wird, der irrt: Der politische Basar beginnt, damit jeder seine Projekte im Ausbaugesetz unterbringt. Es folgt der Wettlauf um das knappe Geld und knappe Planungskapazitäten. Wer zuerst kommt, baut zuerst.

Dem Wahnsinn unterliegt jeder Abgeordnete, der sich als oberster Lobbyist seines Wahlkreises versteht: Sogar Angela Merkel ließ sich eine neue Brücke von Stralsund nach Rügen bauen, um in der Ferienzeit Staus zu verhindern. Ihr einstiger Finanzminister Wolfgang Schäuble kämpfte für einen milliardenschweren Eisenbahntunnel unter Offenburg. Und natürlich haben sich die drei vergangenen Verkehrsminister der CSU reichlich Projekte in Bayern gesichert. Mit dem Spatenstich empfiehlt sich der Abgeordnete für die nächste Wahlperiode.

Das neuerliche Eingeständnis der Bundesregierung um diese Willkür birgt politischen Sprengstoff. Schließlich hängt ein zentrales Versprechen der selbst ernannten Fortschrittskoalition an der Frage, ob sie den Bundesverkehrswegeplan stoisch weiter umsetzt oder neu denkt: Die Ampel will die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren halbieren.

Anstatt aber an den richtigen Stellschrauben zu drehen, streiten Grüne und FDP über das Für und Wider von Autobahnen. Dabei wäre es angesichts knapper Kassen und des Sanierungsstaus ein Leichtes, sich auf einige besonders wichtige Neubauprojekte zu beschränken und diese dann mutig umzusetzen.

Ungeachtet des Streits reichen die Beschleunigungspläne von Minister Wissing bei Weitem nicht aus. Er will per Gesetz hunderte Fernstraßen-, Schienen- und Wasserwegeprojekte zum überragenden öffentlichen Interesse erklären. Für ein modernes Genehmigungsrecht sorgt er damit nicht, allenfalls für reichlich Krach in der Koalition.

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