Die Coronakrise trifft den Mittelstand hart. Vielen Familienunternehmen fehlt spezifische Unterstützung – für sie gibt es keine eigenen staatlichen Hilfen.
Berlin Einige Zuhörer glaubten zunächst, sie hätten sich verhört. Denn die Zahl, die der Chef der Bundesagentur für Arbeit am Dienstag verkündete, klang gewaltig. Demnach haben im März laut Detlef Scheele bei den Arbeitsagenturen bundesweit rund 470.000 Unternehmen Anträge auf Kurzarbeit gestellt.
Eine derartige Explosion bei Anträgen auf Kurzarbeit hat es noch nie auch nur ansatzweise gegeben, auch nicht auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008. Die Bewältigung der Virusepidemie sei eine „historische Aufgabe“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Die Zahl der Anträge in der Coronakrise würde die aus der Finanzkrise „um ein Vielfaches übersteigen“.
Darauf deutet auch eine Umfrage des Verbandes „Die Familienunternehmer“ hin, die dem Handelsblatt vorliegt. 65 Prozent der befragten 1465 Betriebe gaben an, dass ihre Unternehmenstätigkeit gesunken ist – und zwar um durchschnittlich 50 Prozent. Knapp ein Drittel der Firmen (31 Prozent) hat bereits Kurzarbeitergeld beantragt, ein weiteres Drittel (33 Prozent) will dies bis Ende der nächsten Woche tun.
Schon für sich stehend sind diese Zahlen alarmierend. Doch für Verbandschef Reinhold von Eben-Worlée sind sie es noch einmal besonders, weil es ausgerechnet für viele dieser Firmen keine staatliche Unterstützung jenseits von vergünstigten Krediten gibt. „Viele Unternehmen stehen bereits mit dem Rücken zur Wand“, sagte der Verbandspräsident. Staatliche Hilfen für die Wirtschaft kämen längst nicht bei allen Unternehmen in gleichem Maße an: „Es klafft eine gewaltige Mittelstandslücke.“
Während der Bund kleine Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten mit Soforthilfen über Wasser halten will und für große Firmen einen Rettungsschirm aufgespannt hat, gibt es für viele Mittelständler nur Hilfen, wenn für sie wie in Bayern die zuständige Landesregierung ein eigenes Hilfsprogramm aufgelegt hat.
In vielen Bundesländern ist das aber nicht der Fall. „Sollte den Unternehmen das Geld ausgehen, bevor sie an die Hilfsgelder herankommen, lässt sich die wirtschaftliche Abwärtsspirale nicht mehr aufhalten“, warnt Verbandschef Eben-Worlée.
Unterstützung erhält er von Thomas Bareiß (CDU). Der Wirtschaftsstaatssekretär soll nach Informationen des Handelsblatts neuer „Mittelstandsbeauftragter“ der Bundesregierung werden, an diesem Mittwoch wird sich das Kabinett mit der Personalie beschäftigen. Es sei klar, sagt Bareiß, dass die beschlossenen Rettungsprogramme „allein nicht reichen werden“.
Sorgen bereitet Bareiß vor allem, dass aus der Liquiditätskrise vieler Betriebe eine Schuldenkrise werden könnte: „Wir müssen uns darauf vorbereiten, welche zusätzlichen Programme nötig werden könnten, um die Unternehmen zu stärken“, mahnte er. „Das könnten letzten Endes auch Direktzahlungen sein oder weitreichende Steuererleichterungen, damit Unternehmen nach der Krise wieder Kapital aufbauen können und die Chance haben, ihre Schulden abzubauen.“
Welche Finanzhilfen legen Bund und Länder auf? Wie kommen Unternehmer und Selbstständige an wie viel Geld? Hier die wichtigsten Infos.
Vorerst aber will die Bundesregierung bei den Hilfsprogrammen nicht nachlegen. Im Gespräch ist lediglich eine großzügigere Ausgestaltung der Kredithilfen über die KfW-Bank. Kredite für Firmen mit zehn bis 250 Beschäftigten könnten mit einer 100-prozentigen Staatshaftung abgesichert werden. Bislang übernimmt die staatliche Förderbank 80 bis 90 Prozent des Risikos für den Fall, dass Unternehmer das Geld nicht zurückzahlen können.
Banken fordern allerdings, die Haftung der KfW auf 100 Prozent zu erhöhen. Viele Hausbanken würden in der jetzigen Krise jedes Risiko vermeiden und daher keine Kredite mehr an Firmen vergeben, wenn das Risiko nicht vollständig abgesichert sei.
Eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen. So müsste die EU-Kommission erst noch grünes Licht geben. Zudem ist die Maßnahme auch innerhalb der Bundesregierung nicht unumstritten. Gerade im Bundeswirtschaftsministerium vertritt man die Ansicht, Hausbanken sollten sich nicht jedes Risikos entledigen dürfen.
Schon jetzt ginge die Staatsgarantie für Kredite weit über die in der Finanzkrise hinaus. „Wir werden erst einmal mit der jetzigen Regelung leben müssen“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Zugleich bat er die Banken, in der Krise bei der Prüfung von Kreditanträgen „auch mal ein bisschen Fünfe gerade sein zu lassen“.
Dagegen können Start-ups auf mehr Unterstützung durch den Staat bauen. Scholz verkündete am Dienstag überraschend, Teile eines schon länger geplanten zehn Milliarden Euro schweren „Start-up-Fonds“ vorzuziehen.
Dieser Fonds soll über eine Tochter der staatlichen KfW-Bank in junge Firmen investieren und am Ende ein Volumen von zehn Milliarden Euro erreichen. Zwei Milliarden davon sollen nun schnellstmöglich dafür eingesetzt werden, jungen Unternehmen zu helfen.
Auch viele Gründer leiden unter Schwierigkeiten, weil wegen der Coronakrise Finanzierungsrunden verschoben werden. „Wir wollen, dass diese innovativen Unternehmen für unser Land erhalten bleiben“, sagte Scholz.
Im Wirtschaftsministerium wird darüber hinaus schon jetzt an einem „Fitnessprogramm“ für die Zeit nach der Krise gearbeitet, mit dem die Betriebe wieder für den internationalen Wettbewerb flott gemacht werden sollen.
Dabei gehe es um „strukturelle Verbesserungen, zum Beispiel bei Steuern und Bürokratie und der Digitalisierung“, erläuterte Bareiß. Auch die Energiekosten müsste die Regierung dabei in den Blick nehmen.
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