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26.04.2022

09:00

Ladeinfrastruktur

Der Staat hält seine Ladesäulen-Flächen zurück – Unternehmen fürchten Wucherpreise

Von: Claudia Scholz

Flächen für E-Auto-Ladestationen sind Mangelware. Eine Plattform soll der Knappheit entgegenwirken, doch der Staat weist kaum eigene Plätze aus. Das könnte den Ausbau verzögern.

Elektroauto dpa

Elektromobilität

Geeignete Flächen zu finden stellt Unternehmen vor eine der größten Herausforderungen beim Aufbau öffentlicher Ladeinfrastruktur.

Düsseldorf Geht es nach der Bundesregierung, soll es bis 2030 deutschlandweit eine Million öffentliche Ladepunkte geben. Dafür bräuchte es eine Million Parkplätze, auf denen die Elektroautos laden können. Zwei Ladeplätze benötigen eine Fläche von rund 36 Quadratmetern. Hinzu kommt der Platz für Trafostationen und Schaltanlagen, um den Strom aus den Spannungsebenen bis zur Ladesäule übertragen zu können.

Allein für das bundesweite „Deutschlandnetz“ werden derzeit tausend Standorte für durchschnittlich sechs bis acht Schnellladestationen gesucht. Doch wo soll der Platz für all die Ladesäulen in den kommenden Jahren herkommen?

Die geeigneten Flächen zu finden ist für Unternehmen eine der größten Herausforderungen beim Aufbau öffentlicher Ladeinfrastruktur. „Die Suche nach Flächen ist sehr langwierig“, sagt Linda Boll, Sprecherin des Ladesäulenbetreibers Fastned. Im urbanen Raum Platz für einen Ladepark zu bekommen grenze an ein Wunder, sagt auch Jörn Hansen, Entwicklungsleiter bei TankE, einem Tochterunternehmen des Energieversorgers Rheinenergie.

Dabei gibt es sogar eine Plattform, die von der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur entwickelt wurde, um mögliche Plätze von Besitzern an Suchende zu vermitteln. Die Bundesregierung wollte bis Ende 2020 eigene dafür geeignete Liegenschaften identifizieren und in dem „Flächentool“ hinterlegen. Länder, Kommunen und Unternehmen sollten es ihr gleichtun.

Bund weist keine Plätze für Ladestationen aus

Doch ein Blick in dieses Tool zeigt, dass es kaum genutzt wird und vor allem die öffentliche Hand ihre Flächen zurückhält. Aktuell sind darin keine Plätze des Bundes enthalten. Die Bundesländer haben lediglich drei Liegenschaften hinterlegt und die Landkreise nur zwölf.

Die meisten Flächen, rund 700 Liegenschaften, wurden von Kommunen eingestellt. Allerdings gibt es in Deutschland fast 11.000 Kommunen. Bisher hat also nur ein sehr geringer Anteil der Kommunen seine potenziellen Flächen angezeigt.

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Auch der Bund hätte jede Menge Flächen: In seinem Eigentum befinden sich laut Bundesanstalt für Immobilienaufgaben rund 461.000 Hektar Grundstücksfläche und mehr als 19.000 Liegenschaften. Zudem existieren in Deutschland gegenwärtig mehr als 150 Millionen Parkplätze.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) fordert, die Verfügbarkeit von Flächen für Stromtankstellen zu verbessern. Die Plattform der Bundesregierung müsse zeitnah „mit Leben gefüllt werden“ und die öffentliche Hand zur Anzeige ihrer Liegenschaften bewegt werden.

Es bedürfe einer regelmäßigen Überprüfung, ob der Bund und die bundeseigenen Betriebe etwa die Deutsche Bahn über Raum für Ladestationen und den notwendigen Netzbetrieb verfügen. Diese sollten danach öffentlich ausgewiesen werden, damit Ladesäulenbetreiber die Flächen bewerten und ein Angebot zur Nutzung abgeben können.

Von der Now GmbH, die für die Bunderegierung den Ausbau der Stromsäulen koordiniert, heißt es: „Zwischen Inhabern von Liegenschaften, die im Flächentool eingetragen wurden, und Ladeinfrastrukturbetreibern kommt es regelmäßig zu privatrechtlichen Vereinbarungen, die zur Errichtung von Ladeinfrastruktur führt.“

Das Bundesverkehrsministerium betont, dass es für das Deutschlandnetz an 200 unbewirtschafteten Rastanlagen Flächen für Schnellladestationen zur Verfügung stellt. Die Bereitstellung weiterer bundeseigener Liegenschaften sei „Gegenstand einer Überarbeitung des Masterplans Ladeinfrastruktur“.

Unternehmen sorgen sich vor Wucherpreisen

Unternehmen befürchten, dass es durch das geringe Angebot zu einer Verknappung und Wucherpachtpreisen kommen könnte. Es werde noch eine Herausforderung für alle Teilnehmer werden, Standorte für das Deutschlandnetz aufzutreiben, sagt Ulf Schulte, Deutschlandchef des Ladesäulenbetreibers Allego. „Die Gefahr besteht, dass die Besitzer der Flächen überteuerte Pachtgebühren verlangen“, fürchtet er. Dem sollte das Flächentool laut Now GmbH entgegenwirken.

Linda Boll, Fastned-Sprecherin, meint: „Der Ausbau ist durch die schwierige Flächensuche schwer skalierbar. Man ist auf den guten Willen des Bürgermeisters angewiesen, muss Verhandlungen mit Bauämtern und privaten Besitzern führen.“

Bei jedem Platz hätten sie mit unterschiedlichen Besitzern in Deutschland zu tun. Bei Kommunen und Stadtwerken sei es schwer, Fuß zu fassen. „Kommunen antworten zum Teil nicht auf Anfragen. Oder sie sagen: Wir machen es mit den Stadtwerken.“

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Die Stadtwerke wiederum und andere kommunale Unternehmen haben im Flächentool nur 21 potenzielle Flächen ausgewiesen. Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) mit 1.500 Mitgliedern sagt dazu: In der Regel hätten diese keine öffentlich zugänglichen Potenziale für Ladeplätze. Es fänden sich zwar in vielen Fällen kleine Besucherparkplätze, diese seien aber de facto nicht für die Allgemeinheit zugänglich.

„Niemand kann erwarten, dass ein Unternehmen die eigene öffentlich zugängliche Fläche freigibt, damit andere Akteure dort Ladesäulen errichten. Ein Discounter würde auch nicht zulassen, dass ein konkurrierender Einzelhändler einen Pop-up-Store auf seinem Parkplatz aufbaut“, heißt es vom VKU.

Der Branchenverband BDEW verlangt mehr Transparenz von den Kommunen. Dazu müsste eine Übersicht erstellt werden, welche Städte und Gemeinden in Deutschland bereits Liegenschaften für Ladesäulen ausschreiben und für Infrastruktur vorgesehene Flächen in ihren Bebauungsplänen ausweisen.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, gibt zu bedenken: „Letztlich wird der prognostizierte Bedarf an öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur nicht allein auf öffentlichen Flächen zur Verfügung gestellt werden können.“ 

Der Verkehrsraum in den Städten sei bereits jetzt eng, umkämpft und nicht beliebig erweiterbar. Auch Bus und Bahn, Radfahrer oder Fußgänger hätten berechtigte Interessen, so Landsberg. Es müsse vermehrt auch der private und halböffentliche Raum bei Handel und Gastronomie und als Quartierslösung in Parkhäusern genutzt werden.

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