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09.05.2022

16:37

Landtagswahl

Die digitalpolitische Bilanz des Andreas Pinkwart

Von: Teresa Stiens

PremiumDer erste deutsche Digitalminister ist mit vielen Erwartungen und noch mehr Ankündigungen angetreten. Wie viele konnte er erfüllen?

Was hat der Superminister beim Thema Digitalisierung vorangebracht? imago images/Political-Moments

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart

Was hat der Superminister beim Thema Digitalisierung vorangebracht?

Andreas Pinkwart ist ein Mann, der gern die eine oder andere Anekdote erzählt – „Dönekes“, wie man in seinem Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen sagen würde. Wenn der FDP-Politiker zum Beispiel bei einem Wahlkampfauftritt im ostwestfälischen Höxter über Energiesicherheit spricht, erzählt er von seinem ersten Besuch dort 1996.

Damals sei er nachts allein nach Hause gefahren und habe sich plötzlich gefühlt wie in einer anderen Welt – weil überall blinkende Windränder standen. So berichten lokale Medien von Pinkwarts Auftritt.

Momentan steckt der 61-Jährige mitten in der heißen Phase des Landtagswahlkampfs. Als liberaler „Superminister“ war Pinkwart in Düsseldorf in den vergangenen fünf Jahren mit gleich vier Themen betraut: Wirtschaft, Innovation, Energie und Digitalisierung.

Für all diese Bereiche braucht er also momentan Geschichten, um die Menschen zu überzeugen, dass er und seine Partei das bevölkerungsreichste Bundesland voranbringen. Momentan stehen die Liberalen in NRW allerdings in Umfragen bei gerade einmal acht Prozent – vier Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl 2017.

Die wohl größte Herausforderung für Pinkwart dürfte in den fünf Jahren in seinem Zuständigkeitsbereich Digitalisierung gelegen haben. NRW war das erste Bundesland, das die Kompetenzen für Digitalthemen in einem Ressort bündelte – Pinkwart war also gewissermaßen der erste deutsche Digitalminister.

Noch drei Jahre bis zur digitalen Verwaltung?

Gestartet war er deshalb mit einem ambitionierten Vorhaben: Bis 2025 sollten die Verwaltung des Landes digital und Behördengänge überflüssig sein. Die rot-grüne Vorgängerregierung in Düsseldorf hatte noch von 2031 als Zieljahr gesprochen. Pinkwart wollte nicht weniger als NRW modernisieren – doch ist ihm das gelungen?

Wenn man Andreas Pinkwart selbst danach fragt, erzählt er, na klar, eine Anekdote. Zwischen seinen beiden Ministerämtern als Forschungsminister bis 2010 und als Wirtschafts- und Digitalminister ab 2017 leitete Pinkwart die Leipzig Graduate School of Management. Als er nach seinem Ausflug in die Wissenschaft zur nordrhein-westfälischen Politik zurückgekehrte, habe er gemerkt, dass in dieser Zeit digitalpolitisch nichts passiert sei. Das habe er ändern wollen.

„Ich habe bei meinen Studenten sehr großen Wert auf Digitalkenntnisse gelegt“, berichtet Pinkwart. Auch jetzt als Minister gebe er den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Hauses die Chance, sich digital weiterzubilden, um sie zu motivieren, die Digitalisierung „auch zu ihrer eigenen Aufgabe zu machen“.

Im Januar feierte Pinkwart groß den „Meilenstein“ von 10.000 Beschäftigten der Landesverwaltung, die ihre Akten rein digital bearbeiten würden. Laut der eigenen Karrierewebsite hat das Land NRW allerdings insgesamt über 300.000 Beschäftigte.

Andreas Pinkwart im Gespräch mit der Abgeordneten Wibke Brems (Grüne). imago images/Michael Gstettenbauer

Landtagsplenum in Düsseldorf

Andreas Pinkwart im Gespräch mit der Abgeordneten Wibke Brems (Grüne).

Ende vergangenen Jahres meldete der Minister außerdem Vollzug bei 14 Zielen seiner Digitalstrategie – dazu zählen etwa die Förderung von Blockchains oder Bildungsangebote zur Medienkompetenz.

Was Pinkwart als Erfolg verbucht, setzt Christina Kampmann, Sprecherin für Digitalisierung der SPD-Fraktion im Landtag, allerdings in ein anderes Verhältnis: „Von insgesamt 44 Zielen wurden erst 14 umgesetzt“, gibt sie zu bedenken. Einen Großteil der Versprechen habe das Ministerium außerhalb der Legislaturperiode datiert. „Für eine Landesregierung, die sich das Thema Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben hat, ist das nicht befriedigend“, kritisiert sie.

Kampmann lobt trotzdem die Zusammenarbeit mit Pinkwart. „Menschlich hat er zu Recht einen sehr guten Ruf“, sagt sie. Politisch hingegen sei er als Ankündigungsminister bekannt, der gern von Einzelbeispielen berichte – „die können aber nicht über strukturelle Probleme hinwegtäuschen“, sagt Kampmann. Der ländliche Raum gleiche bei der Versorgung mit schnellem Internet beispielsweise weiterhin einer „digitalen Wüste“.

Große Unzufriedenheit mit der Digitalisierung

Bis 2022 sollten eigentlich, so hatte es Pinkwarts Ministerium versprochen, sämtliche Gewerbegebiete an das Glasfasernetz angeschlossen sein. Bis Ende 2020 waren es laut einer parlamentarischen Anfrage der Grünen allerdings gerade einmal 782 von fast 4000.

Nur etwa zehn Prozent der Menschen in NRW sind mit der digitalen Infrastruktur zufrieden, etwa vier Prozent mit der digitalen Verwaltung – das geht aus einer Civey-Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Eco hervor. Damit ist noch deutlich Luft nach oben, NRW liegt aber im Vergleich mit anderen Bundesländern in der Umfrage etwa im Mittelfeld.

Gute Nachrichten gibt es für Pinkwart und seine FDP trotzdem. Denn laut der Civey-Umfrage halten in NRW fast 30 Prozent der Befragten die Liberalen für die Partei mit der besten Digitalkompetenz. Damit liegt die FDP in NRW weit vor allen anderen Parteien – und verbucht über alle Bundesländer hinweg den höchsten gemessenen Zustimmungswert.

Viel Rückenwind also für den Digitalminister, der gern erzählt, welches Bild er für seine Sicht auf die deutsche Bürokratie und die Digitalisierung der Verwaltung nutze: „Deutschland hat die Bürokratie nicht nur erfunden, sondern in der analogen Welt mit kunstvollen Regelungen zur Perfektion entwickelt, die wir jetzt eins zu eins in die digitale Welt übertragen wollen.“ Er ist sich aber sicher: „Das kann nicht funktionieren, wir müssen das Regelwerk und die Prozesse neu denken und deutlich vereinfachen.“

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