In Hessen wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die Sozialdemokraten wollen mit Bundesinnenministerin Faeser in den Wahlkampf ziehen. Ihr Amt im Bund behält sie trotzdem.
Nancy Faeser
Die Innenministerin wird Frontfrau der SPD im hessischen Landtagswahlkampf.
Bild: IMAGO/Jens Schicke
Berlin Bundesinnenministerin Nancy Faeser wird SPD-Spitzenkandidatin in Hessen für die Landtagswahl im Oktober – und bleibt gleichzeitig Ministerin. Das erfuhr das Handelsblatt aus Kreisen der Landespartei, später bestätigte Faeser ihre Kandidatur dem „Spiegel“. „Ich werde kandidieren“, sagte sie.
Faeser betonte, dass es in einer Demokratie eine Selbstverständlichkeit sei, dass man aus einem Amt heraus für Wahlen kandidieren könne. Das machten die Ministerpräsidenten schließlich auch, die sich dieses Jahr zur Wahl stellen – auch jene von CDU und CSU in Bayern und Hessen. Auf dem Hessengipfel der Landes-SPD am Freitag in Friedewald soll die Kandidatur Faesers offiziell verkündet werden.
Die Innenministerin will ihr Amt im Kabinett von Olaf Scholz (SPD) nur dann aufgeben, wenn sie die Wahl in Hessen gewinnt und Ministerpräsidentin werden kann. „Oppositionsführerin war ich schon“, sagte sie. Sollten sich die Wählerinnen und Wähler anders entscheiden, „werde ich weiterhin als Bundesinnenministerin meiner Verantwortung gerecht werden“.
Zuvor war eine mögliche Doppelrolle Faesers sowohl bei der Opposition als auch bei den Koalitionspartnern im Bund, den Grünen und der FDP, auf Kritik gestoßen. Die Funktionen ließen sich nicht miteinander vereinbaren, hieß es. Aus der CDU gab es bereits Forderungen, dass die 52-Jährige umgehend ihren Posten als Bundesinnenministerin aufgeben müsse.
Dass Faeser nach der Wahl in Berlin bleiben will, wäre nichts Ungewöhnliches. Es gibt sogar eine historische Parallele. 1995 war CDU-Bundesinnenminister Manfred Kanther Spitzenkandidat in Hessen. Die CDU wurde bei der Landtagswahl stärkste Kraft, Kanther aber nicht Ministerpräsident. Rot-Grün behielt damals eine Mehrheit. Kanther blieb Innenminister in Bonn, die Rolle des Oppositionsführers in Hessen übernahm Roland Koch.
Faeser, die seit 2019 Landesvorsitzende der hessischen SPD ist und seit 2021 Bundesministerin des Innern und für Heimat, hatte es bis zuletzt offengehalten, ob sie den Wahlkampf in Hessen anführen will. In der letzten Umfrage von Infratest Dimap lag die SPD in Hessen fünf Prozentpunkte hinter der CDU.
Faeser war vor dem Wechsel nach Berlin seit 1996 in der Kommunal- und Landespolitik aktiv und saß 18 Jahre im Landtag. In der SPD wird betont, diese Verankerung im Land unterscheide sie auch von Norbert Röttgen, der stets in der Bundespolitik aktiv war und als Bundesumweltminister und CDU-Spitzenkandidat im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf 2012 offenließ, ob er auch als Oppositionsführer nach Düsseldorf wechseln würde. Die CDU verlor die Wahl, Röttgen wollte Minister bleiben – und wurde von Kanzlerin Angela Merkel entlassen.
Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet von der Spitzenkandidatur Faesers bei der Wahl in Hessen keine Beeinträchtigung für ihre Arbeit als Bundesinnenministerin. „Von Nancy Faeser, von der ich weiß, dass es eine sehr, sehr pflichtbewusste Frau ist, kann ich sagen: Die wird jeden Tag alles tun für die Aufgabe, die sie hat“, sagte Scholzin einer Fragerunde mit Bürgern im hessischen Marburg. „Ich finde das ist eine hochprofessionelle, tolle Ministerin, die großartige Arbeit leistet.“
Scholz verwies darauf, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass Amtsinhaber als Spitzenkandidaten Wahlkampf machen. „Ich unterstelle, dass noch niemand in dieser Zeit seine Arbeit nicht gut gemacht hat“, sagte er.
Der Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer schätzt zwar, dass Faeser der SPD mit einer Doppelrolle einiges zumute. Er erwartet jedoch nicht, dass es die Wahlchancen der Hessen-SPD schmälere, wenn sie sich nicht jetzt schon klar zur Landespolitik bekennt.
„Sie tritt an, damit die SPD als führende Regierungspartei mit ihr als Ministerpräsidentin Landespolitik machen kann“, sagte Neugebauer dem Handelsblatt. Darunter gehe es nicht. Faeser und die SPD könnten ihre Anhänger nicht mobilisieren, „wenn sie nur auf Platz und nicht auf Sieg setzen“.
Ihr Amt als Bundesinnenministerin könne ihr dabei von Nutzen sein. Faeser könne „klarmachen, dass sie aufgrund ihrer Verankerung in der Bundespolitik besser zur Lösung bestimmter auch Hessen betreffender Probleme wie Migration und innere Sicherheit beitragen kann“, sagte der Experte.
Der Wahlkampf dürfte Faeser stark binden. Und auch als Innenministerin hat sie einen vollen Terminkalender: Innerhalb der Koalition steht das Thema Einwanderung auf ihrer Agenda ganz oben. Die Ampel will neue Wege gehen und die Einwanderung von Fachkräften steuern.
Zudem steht Faeser als Verhandlungsführerin des Bundes im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes wohl ein heißer Frühling bevor. Die nächste Verhandlungsrunde beginnt am 22. Februar.
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