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05.10.2018

07:28

Manpower-Deutschlandchef Brune

„Eigentlich hätten wir jeden Tag eine Medaille verdient“

Von: Frank Specht

Der Deutschlandchef des Personaldienstleisters Manpower sieht seine Branche zu Unrecht an den Pranger gestellt. Vor allem bei der Flüchtlingsintegration leiste sie gute Dienste.

„Es ist traurig, wie wir hier teilweise die Integrationsdebatte führen.“ Bert Bostelmann für Handelsblatt

Manpower-Deutschlandchef Brune (r.)

„Es ist traurig, wie wir hier teilweise die Integrationsdebatte führen.“

Seit April vergangenen Jahres gelten schärfere Regelungen für den Einsatz von Zeitarbeitern. Sie müssen nach neun Monaten genauso entlohnt werden wie die Stammbelegschaften (Equal Pay). Die Einsatzdauer in einem Unternehmen ist auf höchstens 18 Monate befristet, wenn nicht per Tarifvertrag abweichende Regelungen vereinbart sind.

Nach Ablauf der Höchstüberlassungsdauer müssen Zeitarbeiter entweder übernommen werden oder in einem anderen Entleihunternehmen beschäftigt werden. Diese Regelung greift erstmals ab Oktober.

Gewerkschaften wie der IG Metall und der Opposition geht die Regulierung aus der vergangenen Wahlperiode aber noch nicht weit genug. Sie kritisieren, dass Zeitarbeiter weiter häufig schlechter gestellt sind als das Stammpersonal oder sogar in „prekären“ Verhältnissen arbeiten. Außerdem verdrängten Zeitarbeiter oder über Werkverträge eingekaufte externe Dienstleister weiter Stammarbeitsplätze in den Betrieben.

Herwarth Brune, der Deutschlandchef von Manpower, Nummer drei unter den Personaldienstleistern hierzulande, nimmt seine Branche gegen die Kritik in Schutz. Vor allem bei der Flüchtlingsintegration, aber auch bei der Weiterbildung von Geringqualifizierten leiste sie gute Dienste.

Herr Brune, welche Erfahrungen haben Sie mit der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes gemacht?
Was alles zu Equal Pay gehört, ist nicht ausreichend klar formuliert worden. Wohl aber die fälligen Strafen bei Nichteinhaltung. Das führt zu Verunsicherung. Grundsätzlich halte ich Equal Pay aber für richtig, weil die Zeitarbeit viel zu lange unter dem Billigimage gelitten hat.

Und die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten?
Damit habe ich größere Schwierigkeiten. Viele Einsätze – sei es die Elternzeitvertretung oder das Projekt beim Flugzeugbauer – dauern länger. Doch wir müssen den Zeitarbeiter nach 18 Monaten abziehen, obwohl er dann vielleicht weniger verdient, weil er beim neuen Entleiher nicht gleich mit Equal Pay einsteigt. Aber wir haben ja glücklicherweise ein paar Tarifverträge abgeschlossen, die eine längere Einsatzdauer erlauben.

Die Politik wollte Missbrauch bekämpfen …
Das ist auch in unserem Sinne. Wir leiden am allermeisten unter dem schlechten Ruf der Branche, der aber längst nicht mehr gerechtfertigt ist. Manche unserer Zeitarbeiter verdienen mehr als die Stammbelegschaften. Und wenn man sieht, was unsere Branche für Flüchtlinge oder Langzeitarbeitslose tut, hätten wir eigentlich jeden Tag eine Medaille verdient.

Spüren Sie die Regulierung in Ihrem Unternehmen?
Der Anteil der reinen Zeitarbeit an unserem Umsatz ist in den letzten fünf, sechs Jahren stetig zurückgegangen, macht aber immer noch rund 70 Prozent aus. Das ist aber auch gewollt, weil wir andere Geschäftsfelder wie die Karriereberatung oder den IT-Service ausgebaut haben.

Wir haben in einzelnen Regionen Vollbeschäftigung. Finden Sie überhaupt noch neue Leute?
Das ist in der Tat ein Problem. Wir haben über alle unsere Töchter hinweg mehr als 20.000 offene Stellen, die wir im Auftrag von Kunden besetzen sollen, für die uns aber die Kandidaten fehlen. Das geht oft nur mit Qualifizierung, bei der aber auch die Höchstüberlassungsdauer stört.

Was meinen Sie?
Oft schicken wir einen Mitarbeiter zum Kunden und lassen ihn dort weiterbilden. Das dauert aber schon mal länger als eineinhalb Jahre – und dann ist die Überlassungszeit vorbei. Eine Klausel im Gesetz, dass die Höchstüberlassungsdauer bei Qualifizierungen nicht zählt, wäre sehr hilfreich.

Die Regierung plant eine Nationale Weiterbildungsstrategie. Kann die Zeitarbeit da helfen?
Wir arbeiten schon heute mit der Bundesagentur für Arbeit zusammen. Ein Konzept könnte so aussehen: Wir entleihen einen Mitarbeiter an ein Unternehmen. Dort würde der von Montag bis Donnerstag arbeiten, wird aber von uns von Montag bis Freitag voll bezahlt. Am Freitag stellt uns das Unternehmen seine Räumlichkeiten und Geräte für die Qualifizierung zur Verfügung. Schulungsmaterial und Lehrer zahlt das Jobcenter. So leistet jeder seinen Beitrag.

Lob von der Arbeitsagentur erhält die Zeitarbeitsbranche auch für die Flüchtlingsintegration …
Es ist traurig, wie wir hier teilweise die Integrationsdebatte führen. Wer soll denn unsere Rente zahlen, wenn keine Migranten kommen? Wir täten gut daran, unsere Willkommenskultur aufrecht zu erhalten und uns mehr Gedanken zu machen, wie wir Flüchtlinge integriert bekommen. Sie beschäftigungslos vor ihren Containern warten zu lassen, ist keine Integration. Diese findet in der Firma statt bei den Kollegen. Anstatt uns da immer neue Knüppel zwischen die Beine zu werfen, sollte uns die Politik jeden Tag umgarnen.

Die Regierung sagt befristeten Jobs den Kampf an. Erwarten Sie dadurch Aufwind für die Zeitarbeit?
Wir haben große namhafte Kunden, die unsere Zeitarbeiter übernommen haben, als Equal Pay anstand. Allerdings mit einem befristeten Vertrag. Sollte die stärkere Regulierung befristeter Jobs nun zu mehr Zeitarbeit führen, würde mich das natürlich freuen. Aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht daran.

Herr Brune, vielen Dank für das Interview.

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