Verkehrsminister Volker Wissing lädt angesichts Tausender maroder Brücken zum Gipfel. Im Talkformat geht es vor allem um eins: Wie lässt sich schneller bauen?
Volker Wissing
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lädt zum Brückengipfel, wo seine Beamten mit Vertretern der Autobahn GmbH, Ingenieuren und Bauunternehmen, Genehmigungsbehörden und Umweltverbänden diskutieren sollen.
Bild: imago images/Political-Moments
Berlin In der Transportbranche erinnern sich Lastwagenfahrer dieser Tage an einen Witz, der vor einigen Jahren in Mode war: Ein Vater aus den neuen Bundesländern fährt mit seinen Kindern nach Westdeutschland und sagt: „Seht ihr, liebe Kinder, so sahen die Straßen bei uns früher auch mal aus.“
Aus dem Witz sei nun bitterer Ernst geworden, heißt es heute. Binnen weniger Jahre musste der Bund auf zentralen Autobahnen den Verkehr sperren oder teilsperren wie auf der A1 die Rheinbrücke bei Leverkusen oder sogar umgehend sprengen wie die Salzbachtalbrücke bei Wiesbaden oder auf der A45 die Talbrücke Rahmede. Der Verkehr quält sich dann über andere Bundes- und Landstraßen und belastet zugleich die Anwohner in den Ortschaften.
Die Fälle werden sich in den kommenden Jahren häufen. Es geht um Tausende Stahlbetonbrücken aus den 60er- und 70er-Jahren, die schlichtweg unter der Verkehrslast zusammenbrechen und bei denen kleinste Konstruktionsfehler zu Rost im Stahl und somit zum Platzen des Betons führen. „Wir haben als neue Bundesregierung einen erheblichen Sanierungsstau und Instandsetzungsrückstand angetroffen“, sagte Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer (FDP).
Deshalb soll es nun schnell gehen. Für diesen Donnerstag hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zum Brückengipfel geladen. Vier Stunden lang diskutieren seine Beamten im Talkformat mit Vertretern der Autobahn GmbH, Ingenieuren und Bauunternehmen, Genehmigungsbehörden und Umweltverbänden die Frage, wie all die maroden Ingenieursbauwerke schnell fit gemacht werden können für das immense Verkehrswachstum im Transitland Deutschland. Der Chef der Bundesgesellschaft wird einen Sachstandsbericht abgeben und darauf drängen, „die Anzahl der jährlich zu erneuernden Brücken von 200 auf 400“ zu verdoppeln, wie Geschäftsführer Stephan Krenz bereits erklärt hat.
Doch ist allein das eine Herkulesaufgabe für die erst seit 2021 operativ aktive Autobahngesellschaft. 42 Projekte sind derzeit in der Planung oder werden umgesetzt. Weitere sieben Projekte wickelt die Deges ab, eine für Großprojekte verantwortliche Gesellschaft von Bund und Ländern.
Allenfalls 70 Projekte pro Jahr seien derzeit realistisch, berichten Insider. Jede Talbrücke sei ein Unikat und kein Standardbau. Die Autobahngesellschaft soll zumindest statt 1,8 Milliarden Euro in diesem Haushaltsjahr 2,2 Milliarden Euro erhalten, um ihre Arbeit durchzuführen. 5,6 Milliarden Euro kann sie investieren, um das Fernstraßennetz zu erhalten.
Im Gespräch ist ein neuer Brückensanierungsplan, den es eigentlich schon seit 2013 gibt. Eine Art Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der bundeseigenen Autobahngesellschaft ist im Gespräch. Solch ein Konstrukt nutzt der Bund bei der bundeseigenen Bahn, die so ihr Netz mit regelmäßig fließendem Geld erhalten und projektscharf ihre Arbeit belegen soll. Über zehn Jahre läuft das Projekt jeweils, doch es gibt Kritik an dem Modell.
Neben Geld und Sanierungsplan gibt es aber ein weiteres Problem: die Planung. Anfang Januar hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine „möglichst beschleunigte Neubauplanung“ in Aussicht gestellt. Einen Ersatzneubau, also einen Bau, der genauso wie die alte Brücke entsteht, kann der Staat ohne aufwendige Genehmigungsverfahren umsetzen. Wird die Brücke aber um einen Fahrstreifen erweitert, dann handelt es sich um einen Neubau – und damit dauert es schnell mehr als zehn Jahre vom Schaden bis zur neuen Freigabe einer Strecke.
„Wir sollten aus der Not eine Notwendigkeit machen“, heißt es unter den Bauplanern des Bundes. In Rahmede etwa geht es darum, dass der Verkehr schnell wieder über die Brücke fließen kann. Über einen „unbürokratischen Dialog“ diskutieren sie beim Brückengipfel.
Auch der Umweltverband BUND will da nicht im Weg stehen. „Wir sind uns mit vielen Beteiligten in der Region einig, dass für die Talbrücke Rahmede schnell eine Lösung gefunden wird, die allen Belangen – insbesondere denen der betroffenen Bevölkerung – gerecht wird und vor allem auch rechtssicher ist. Insofern gehe es in diesem konkreten Fall nicht um das Ob, sondern das Wie, sagte Dirk Jansen, Geschäftsführer des BUND in Nordrhein-Westfalen. Es lägen bereits viele Gutachten vor, sodass der Arten-, Natur- und Umweltschutz „nicht als Sündenbock für etwaige längere Planungs- und Genehmigungszeiten taugt“.
Talbrücke Rahmede
In Rahmede etwa geht es darum, dass der Verkehr schnell wieder über die Brücke fließen kann. Über einen „unbürokratischen Dialog“ diskutieren sie beim Brückengipfel.
Bild: imago images/Hans Blossey
Generell habe der BUND nichts gegen schnelle Planungsverfahren, sie müssten nur rechtssicher sein. Er sehe indes „mit großer Besorgnis, dass offenbar einige Akteure beabsichtigen, bei Brückenersatzbauten generell auf ein Planfeststellungsverfahren inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung zu verzichten. Dies kann nicht nur mit nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt verbunden sein, sondern schmälert auch die Akzeptanz für solche Vorhaben.“
Ohnehin kosten nicht nur die Planungsverfahren Zeit, auch deren Prüfung durch den Bund, selbst bei Ersatzneubauten. Dies zeigt sich exemplarisch auf der A29 bei Oldenburg. Dort soll die 441 Meter lange Huntebrücke binnen fünf Jahren an Ort und Stelle gleich neu entstehen. Sie stammt aus dem Jahr 1978 und ist einsturzgefährdet.
Die Experten der bundeseigenen Autobahngesellschaft rechnen zugleich mit einem „starken Anstieg des täglichen Verkehrsaufkommens bis 2030“. Nun soll binnen fünf Jahren der Ersatzbau her. Ein Nadelöhr im Verfahren war bislang das Bundesverkehrsministerium selbst: Es muss bisher jede Planung genehmigen.
Ende 2020 hatte das damalige Landesamt die Entwurfsplanung abgeschlossen und an das Bundesministerium gesendet, wo die Pläne erst nach zehn Monaten den sogenannten „Gesehen-Vermerk“ erhielten. Die Ausschreibungen liefen bereits parallel, um Zeit zu sparen. Ende des Jahres sollen die Bauarbeiten beginnen.
In Rahmede hat der neue Bundesverkehrsminister Wissing reagiert und einen Bürgerbeauftragten benannt. Auch Italien hatte vor einigen Jahren in Genua einen solchen Beauftragten ernannt, als dort eine zentrale Brücke in der Stadt eingestürzt war, was mehreren Menschen das Leben gekostet hatte. Nun soll der Bürgermeister von Lüdenscheid vor Ort Ansprechpartner sein und so helfen, Konflikte schnell zu lösen. Es geht um Umweltbelange und um Eigentumsrechte, aber auch um Lärmschutz für die vom Umleitungsverkehr gebeutelten Anwohner.
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