Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

24.05.2022

08:55

McKinsey-Studie

Deutschland kann mit digitaler Medizin 42 Milliarden Euro sparen

Von: Jürgen Klöckner

Das deutsche Gesundheitswesen hat durch die Digitalisierung einer Studie zufolge bereits rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr gespart. Doch es gibt noch mehr Potenzial.

Ärztin DigitalVision/Getty Images

Ärztin an Computer

Die elektronische Patientenakte soll die medizinische Versorgung verbessern.

Berlin Durch die schleppende Digitalisierung der Medizin entgehen Deutschland Einsparungen in Milliardenhöhe. Die Ausgaben für Gesundheit könnten um bis zu 42 Milliarden niedriger sein, wenn das Land konsequent auf digitale Technologien gesetzt hätte. Das ist das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey, die am Dienstag vorgestellt wird und dem Handelsblatt vorliegt.

Der Betrag entspricht etwas mehr als einem Zehntel der jährlichen Gesamtausgaben von etwa 343 Milliarden Euro. In der Analyse hat McKinsey das Potenzial für den deutschen Markt von 26 derzeit verfügbaren digitalen Gesundheitstechnologien beziffert. „Dies aber bleibt noch weitestgehend ungenutzt“, sagt Studienautor Stefan Biesdorf.

Deutschland habe zwar einige wichtige Digitalisierungsvorhaben auf den Weg gebracht, etwa die „App auf Rezept“, die elektronische Patientenakte (ePA) und bessere Bedingungen für Videosprechstunden. „Das Problem aber ist, dass die Angebote entweder noch nicht oder nicht ausreichend genutzt werden, weil der Nutzen für die Anwender noch nicht ersichtlich ist“, sagt Biesdorf.

Am deutlichsten wird dies an der elektronischen Patientenakte, die die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten seit 2021 anbieten müssen. Röntgenbilder auf CD, Papierakten und Faxe sollen damit der Vergangenheit angehören. Laut der Studie ließen sich so sieben Milliarden Euro pro Jahr einsparen.

Tatsächlich aber nutzen nur wenige Versicherte das Angebot, weil die Funktionen noch sehr begrenzt sind und erst nach und nach verfügbar gemacht werden sollen. Nur 300 Millionen Euro pro Jahr würden deswegen derzeit durch die ePA eingespart.

Gesundheitswesen hat rund 1,4 Milliarde pro Jahr eingespart

Insgesamt habe das deutsche Gesundheitswesen durch die Digitalisierung lediglich rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr gespart – im Vergleich zu 2018, als die Studie das erste Mal veröffentlicht wurde. „Das ist eine ernüchternde Bilanz“, sagt Biesdorf.

Tempo will auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach machen, der allerdings bislang noch keine konkreten Vorhaben vorgelegt hat. AP

Karl Lauterbach

Tempo will auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach machen, der allerdings bislang noch keine konkreten Vorhaben vorgelegt hat.

Online-Terminbuchungen verringern die Kosten im Gesundheitswesen um 400 Millionen Euro. Bis zu 300 Millionen Euro fallen weg, weil es Ärzten seit der Coronapandemie deutlich erleichtert wurde, Diagnosen per Videokonsultation stellen zu dürfen. Insgesamt liegt hier das Potenzial aber fast zwanzig Mal höher.

Die Pflege spart zwischen 100 und 300 Millionen Euro mithilfe von Software, die das Personal miteinander vernetzt und so Absprachen erleichtert. „Das zeigt zwar, dass es gelungen ist, das Potenzial eingeschränkt zu nutzen“, sagt Biesdorf. „Corona hat als Katalysator gewirkt – allerdings nur in Teilbereichen.“

Nicht nur die elektronische Patientenakte warte auf ihren Durchbruch, auch das elektronische Rezept ist noch nicht ausgerollt. Der Start wurde mehrere Male verschoben, das Projekt befindet sich noch in der Testphase. „Das ist unglücklich, gleichzeitig zeigt der Fall, wie viel Zeit vom Gesetz bis zur Umsetzung verstreichen kann, wenn man die Bedürfnisse des Nutzers – hier des Arztes – nicht ausreichend würdigt“, sagt der Forscher.

Erfolgreich seien vor allem jene Anwendungen, deren Nutzen unmittelbar erkennbar sei, wie die Online-Terminbuchung oder die Telemedizin. Hinderlich seien hier gesetzliche Grenzen – etwa, dass Ärzte nur 30 Prozent ihrer Patienten telemedizinisch behandeln und abrechnen können.

Biersdorf sagt: „Erschwerend kommt hinzu, dass nicht alle Technologien es allen recht machen.“ Eine Fernüberwachung von chronischen Patienten spart der gesetzlichen Krankenkasse zwar Geld und ist für den Erkrankten angenehmer, dem Krankenhaus würden dadurch allerdings möglicherweise Einnahmen wegfallen. „Hier ist die Politik gefordert, Vorbehalte durch gesetzliche Vorgaben abzubauen und den Einsatz von Technologien zu befördern“, sagt Biesdorf.

Tempo will auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach machen, der allerdings bislang noch keine konkreten Vorhaben vorgelegt hat. Ende März kündigte der SPD-Politiker an, nach der parlamentarischen Sommerpause damit zu beginnen, eine umfassende Strategie zu erarbeiten. „Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir viel Taktik, viel Technik und Innovation, aber keine richtige Strategie“, sagte Lauterbach.

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×