In einem Brief an die EU-Generaldirektion Umwelt fordert das Ministerium ein starkes EU-Lieferkettengesetz, das Defizite der deutschen Regelung ausgleicht.
Arbeiter auf einer Palmöl-Plantage in Malaysia
In einem EU-Lieferkettengesetz soll nach dem Willen von Umweltverbänden auch der Umweltschutz stärker adressiert werden.
Bild: Bloomberg/Getty Images
Berlin, Brüssel Lange stand das Sorgfaltspflichtengesetz auf der Kippe, bis der Bundestag die umstrittene Regelung im Juni schließlich doch verabschiedete. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wollten ein möglichst scharfes Schwert gegen Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferketten von Unternehmen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) witterte neue Bürokratie und fürchtete um die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen – und stand auf der Bremse. Am Ende einigte sich die Große Koalition auf einen Kompromiss, der Unternehmen neue Sorgfaltspflichten auferlegt, um etwa Kinderarbeit bei Lieferanten zu verhindern, sie aber vor zivilrechtlicher Haftung bei Verstößen schützt. Das Gesetz gilt ab 2023 für Firmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten, ein Jahr später sinkt die Schwelle auf 1.000 Mitarbeiter.
Doch das Umweltministerium hält den mühsam errungenen Kompromiss für nicht weitgehend genug – und fordert eine Korrektur auf europäischer Ebene. Zwar könne das deutsche Gesetz teilweise als Blaupause für das geplante europäische Lieferkettengesetz dienen, etwa, was die Sanktionsmechanismen angehe, schreibt Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth an die Generaldirektorin Umwelt bei der EU-Kommission, Florika Fink-Hooijer.
„Gleichzeitig weist das deutsche Regelwerk mit Blick auf umweltbezogene Belange Lücken auf, die auf europäischer Ebene adressiert werden sollten“, heißt es in dem Schreiben, das dem Handelsblatt vorliegt.
Auf EU-Ebene wird derzeit ebenfalls an einem Lieferkettengesetz gearbeitet. Eigentlich wollte die EU-Kommission noch vor der Sommerpause einen Vorschlag präsentieren. Doch hatte der Ausschuss für Normenkontrolle der Behörde kürzlich ein verheerendes Zeugnis ausgestellt und damit vorerst einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kernpunkt der Kritik: Die Kommission müsse besser erläutern, warum ein EU-Lieferkettengesetz überhaupt erforderlich sei.
Das EU-Parlament hatte bereits im März einen sehr weitgehenden Richtlinienvorschlag vorgelegt, der beispielsweise eine zivilrechtliche Haftung und die Einbeziehung kleiner und mittlerer Unternehmen vorsieht. Menschenrechts- und Umweltgruppen setzen große Hoffnungen auf eine europäische Lösung.
Das deutsche Gesetz sei zwar „ein wichtiger Etappenerfolg, weist aber noch zu viele Schwächen auf“, heißt es etwa bei der Initiative Lieferkettengesetz, in der sich Organisationen wie Brot für die Welt, Greenpeace, BUND oder DGB zusammengeschlossen haben. Nötig sei ein noch wirksameres Lieferkettengesetz, das für alle Unternehmen in Europa gelte.
Das sieht Umweltstaatssekretär Flasbarth, der von 2009 bis 2013 Chef des Umweltbundesamtes war, ähnlich. Das deutsche Gesetz erfasse nur die vorgelagerte Lieferkette – also die Lieferanten – und den eigenen Geschäftsbereich von Unternehmen, nicht aber die nachgelagerte Lieferkette.
Deshalb sei beispielsweise der Export gefährlicher Stoffe aus Deutschland weiter möglich, auch wenn dadurch in den Empfängerländern durch Verseuchung des Trinkwassers oder der Böden Menschenrechte verletzt würden. Auch müssten in einem EU-Lieferkettengesetz Umweltbelange generell stärker berücksichtigt werden.
Inwieweit der Umweltschutz einbezogen werden sollte, war auch innerhalb der deutschen Regierungskoalition umstritten. Vom Gesetz erfasst ist Umweltzerstörung jetzt nur, wenn sie im Zusammenhang mit konkreten Menschenrechtsverletzungen steht, wenn also beispielsweise die Gesundheit von Beschäftigten geschädigt wurde.
Außerdem werden umweltbezogene Pflichten etabliert, die sich aus zwei internationalen Abkommen zum Schutz vor den Gesundheits- und Umweltgefahren durch Quecksilber und langlebige organische Schadstoffe ergeben. Allgemeine Gefahren wie der Klimawandel, etwa durch Waldzerstörung, werden nicht erfasst.
Weil das deutsche Gesetz in erster Linie auf die Umsetzung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen abziele, sei es schwer gewesen, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbelange umfassend zu berücksichtigen, schreibt Flasbarth. Diesen engen Fokus gebe es auf europäischer Ebene aber nicht.
Das Bundeswirtschaftsministerium teilte auf Anfrage mit, der Brief sei nicht zwischen den Ressorts abgestimmt und spiegele nicht die Haltung der Bundesregierung wider. Man könne deshalb zum Inhalt keine Stellung nehmen. Der für das nationale Lieferkettengesetz zuständige SPD-Berichterstatter Bernd Rützel sagte, das deutsche Lieferkettengesetz sei das schärfste weltweit und zugleich Richtschnur für ein europäisches Gesetz. „Für Menschenrechte weltweit ist es ein gutes Signal, wenn das zukünftige europäische Lieferkettengesetz noch strenger wird, besonders im Hinblick auf Umweltstandards.“
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×