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17.09.2020

14:36

Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft

Koalition stützt Scheuers Funklochgesellschaft trotz massiver Kritik

Von: Daniel Delhaes

Union und SPD übergehen den Einwand des Bundesrechnungshofs und billigen eine bundeseigene Mobilfunkgesellschaft. Grüne, Linke und FDP üben scharfe Kritik.

„Die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft wird ein immer größeres Debakel für Minister Scheuer.“ dpa

CSU-Politiker Andreas Scheuer

„Die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft wird ein immer größeres Debakel für Minister Scheuer.“

Berlin Trotz massiver Kritik des Bundesrechnungshofs haben die Haushaltspolitiker von Union und SPD grünes Licht für den Aufbau einer Bundesgesellschaft gegeben, die Funklöcher stopfen soll. Fünf Milliarden Euro hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dafür vorgesehen.

Auf diese Weise sollen bestehende Funklöcher des Mobilfunknetzes in unwirtschaftlichen Regionen, die die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica bislang noch nicht gestopft haben, staatlich koordiniert geschlossen werden. Die Gründung der Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) als Tochter des verstaatlichten Lkw-Mautbetreibers Toll Collect erfolgte bereits im Juli.

Der Rechnungshof hatte jüngst in einem Gutachten gefordert, das Projekt komplett neu aufzusetzen. Gemäß der Bundeshaushaltsordnung müsse zunächst eindeutig nachgewiesen werden, dass die Gründung einer Bundesgesellschaft im Vergleich zu anderen Lösungen vorteilhafter sei. Diesen Nachweis hat das Ministerium laut den Prüfern nicht erbracht.

Das Gutachten sei „auf das gewünschte Resultat der GmbH-Lösung zugeschnitten“ gewesen, heißt es in dem Bericht. Das Fazit der Kontrolleure: Das Ministerium muss noch einmal ran. Scheuers Behörde hatte lediglich die Kritik der Prüfer zu Details des Gesellschaftervertrags aufgegriffen: zum Beispiel die Gesellschaft zeitlich zu befristen.

Doch die Koalition fordert keine neue Prüfung – um Minister Scheuer nicht zu düpieren. Stattdessen hat der Haushaltsausschuss Auflagen gemacht, die bis Mitte November, wenn der neue Bundeshaushalt beschlossen werden soll, erfüllt sein müssen. So seien „konkrete, aussagekräftige, überprüfbare und zeitlich definierte Ziele festzulegen“, mit denen „eine wirksame Erfolgskontrolle“ erfolgen könne.

Dies sei abzustimmen mit auf Bundesebene bereits bestehenden Einrichtungen wie etwa der Bundesnetzagentur, der Autobahn GmbH oder der Broadband GmbH der Deutschen Bahn AG, die allesamt auch mit dem Mobilfunkausbau zu tun haben. Auch sei „zu klären, wie die Zusammenarbeit mit den Auftragsverwaltungen der Länder sowie mit anderen mit der Netzabdeckung befassten Akteuren erfolgen soll und welche Einnahmen der Bund durch die Bereitstellung passiver Telekommunikationsinfrastruktur an seinen Bundesfernstraßen erzielen kann“, heißt es in dem Beschluss.

Der Opposition reichen die Einschränkungen nicht. Grüne, Linke und FDP hatten gemeinsam einen Gegenantrag eingebracht. „Der Haushaltsausschuss nimmt den Bericht des Bundesrechnungshofs – nach dem das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur nicht darlegen konnte, dass die Gründung der MIG ein geeignetes haushaltsrechtskonformes Instrument darstellt – zustimmend zur Kenntnis“, hieß es in dem Antrag.

„Wir brauchen keine neuen CSU-Prestigebehörden“

Es seien weder Ziele und Aufgaben für die MIG festgelegt worden, noch sei eine ergebnisoffene Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgt. Entsprechend sollten alle Arbeiten an der Gesellschaft bis zum Jahresende eingestellt und Haushaltsmittel gesperrt werden. Die Koalition lehnte den Antrag ab.

„Die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft wird ein immer größeres Debakel für Minister Scheuer“, erklärte der Haushaltspolitiker der Linken, Victor Perli, dem Handelsblatt. „Bevor jetzt eine neue überflüssige Gesellschaft entsteht, sollte geprüft werden, ob sich die Ausbauförderung nicht mit bestehenden Gesellschaften bewältigen lässt.“ Der Rechnungshof habe in der Haushaltssitzung noch einmal bekräftigt, dass eine neue Wirtschaftlichkeitsuntersuchung geboten sei.

Die Haltung der Rechnungsprüfer ist ohnehin eindeutig: Bevor es überhaupt zu einer Gründung kommt, müsse das Ministerium zunächst „rechtskonforme und aktuelle Haushaltsunterlagen vorlegen“. Dies sei bisher „nicht gelungen“. Erst dann könne der Haushaltsgesetzgeber „sachgerechte Entscheidungen über die Freigabe von Haushaltsmitteln treffen“.

Doch haben CDU, CSU und SPD anders entschieden. Die Maßgaben der Koalition seien zwar unzureichend, sagte Perli, zugleich aber auch ein Misstrauensvotum gegen Minister Scheuer: „Nachdem der Rechnungshof seine Pläne für eine Toll-Collect-Tochter zerrissen hat, traut ihm jetzt auch die eigene Regierungskoalition nicht mehr und fordert im Haushaltsausschuss Nachbesserungen, was die Ziele der Gesellschaft und die Zusammenarbeit mit den Ländern angeht.“

Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Christian Kindler, sagte: „Wir brauchen in Deutschland keine neuen CSU-Prestigebehörden mit klangvollem Namen, sondern Strukturen, die gezielt Probleme lösen.“ Es sei „ungeheuerlich“, dass der Aufbau der Gesellschaft trotz aller Kritik vom Ministerium vorangetrieben werde.

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