Deutschlands Schulen und Hochschule sind schlecht digitalisiert. Eine Expertenkommission fordert tiefgreifende Reformen und eine andere Grundhaltung der Gesellschaft.
Schulkinder mit Laptop
In deutschen Schulen fehlt es an Lehrern und Material für digitalen Unterricht.
Bild: imago images/Greatstock
Berlin Deutschland ist bei der digitalen Bildung nicht so weit, wie es gern wäre. Das hat vor allem die Coronapandemie gezeigt. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz empfiehlt daher jetzt „tiefgreifende Veränderungen“ des Bildungssystems, um die Digitalisierung voranzubringen. Das geht aus einem entsprechenden Gutachten hervor, das die Kommission am Montag vorgestellt hat.
„Es ist kein Geheimnis, dass wir im digitalen Bereich international hinterherhinken“, sagt Olaf Köller, Co-Vorsitzender der SWK und wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaft und Mathematik (IPN). Laut dem „E-Learning-Index“ der Lernplattform Preply, der die Voraussetzungen für erfolgreiche digitale Bildung untersucht, lag Deutschland Ende vergangenen Jahres nur auf Platz 18 von 32 untersuchten OECD-Ländern.
Um den digitalen Rückstand aufzuholen, sind nach Ansicht der SWK einige weitgehende Reformen im Bildungsbereich notwendig. Denn die Coronapandemie habe den Bedarf noch einmal besonders deutlich gemacht. „Wir hatten bis zur Pandemie eine gewisse Tradition des analogen Unterrichts“, sagt Köller. Corona habe zwar einiges vorangebracht, trotzdem müsse aus Sicht der Experten noch viel passieren, um die „Anforderungen einer digitalen Welt“ bewältigen zu können und ihre Möglichkeiten zu nutzen.
Die von der SWK vorgeschlagenen Reformen sollen nicht nur für weiterführende Schulen und Hochschulen, sondern bereits für Grundschulen und Kindergärten gelten. Die Kommission spricht von „elementarer Informatikkompetenz“. Die könnte beispielsweise mithilfe von Spielen vermittelt werden, schlägt Ulrike Cress, Direktorin des Leibniz-Instituts für Wissensmedien, vor. Informatik sollte außerdem Teil des Sachkundeunterrichts der Grundschule werden.
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Eine solche frühkindliche Medienerziehung ist nach Ansicht der Experten bisher auch daran gescheitert, dass in der Gesellschaft oft eine negative Sicht auf digitale Medien herrsche, die auch in einigen Bildungsplänen vermittelt werde. „Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Kinder in einer digitalisierten Welt aufwachsen, ist eine solche Grundhaltung nicht konstruktiv“, kritisiert das SWK-Gutachten.
Stattdessen empfiehlt die Kommission, die technische Infrastruktur für Kitas und Grundschulen auszubauen und eigene medienpädagogische Konzepte auch für kleinere Kinder zu erarbeiten. Dafür müssten auch Erzieherinnen und Erzieher gezielt geschult werden. „Es war uns wichtig, Empfehlungen für den Weg von der Wiege bis zur Hochschule abzugeben“, sagt der SWK-Co-Vorsitzende Köller. Laut Ansicht der Experten müsse das Bildungssystem ganzheitlich betrachtet werden.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP)
Für ein modernes digitales Bildungssystem braucht es hohe Investitionen.
Bild: IMAGO/Political-Moments
Für die weiterführenden Schulen empfiehlt die SWK, ein Pflichtfach Informatik ab dem Schuljahr 2024/2025 einzuführen. Eine Forderung, die bisher durchaus umstritten war, da ein neues Schulfach gleichzeitig bedeuten würde, andere Fächer zurückzubauen. Denn: Man könne nicht einfach immer mehr Schulstunden anhäufen, gibt Ties Rabe (SPD), Hamburgs Senator für Schule und Berufsbildung, zu bedenken. Gerade in Bundesländern, in denen die Gymnasialzeit nur acht Jahre dauert, gilt es als schwierig, ein zusätzliches Pflichtfach im Lehrplan unterzubringen.
Ein weiteres Problem für das Schulfach Informatik liegt im Mangel an dafür ausgebildeten Lehrkräften. „Aktuell kann die Zahl der Absolventinnen und Absolventen an den Universitäten den Bedarf an Informatiklehrkräften bei Weitem nicht decken“, heißt es in der Studie. Daher sollten „alternative Professionalisierungswege“ erschlossen werden.
Lehrerinnen und Lehrer sollten sich beispielsweise berufsbegleitend weiterbilden können – und währenddessen weniger in ihren eigentlichen Fächern unterrichten. Außerdem sollte der Quereinstieg in den Lehramtsberuf für Menschen mit Abschlüssen aus IT-Berufen vereinfacht werden.
Um Lehrpläne zu erarbeiten, das Personal zu schulen und die entsprechende Infrastruktur bereitzustellen, brauche es allerdings „hohe Investitionen“, gibt die SWK zu bedenken.
>> Lesen Sie hier: Informatikunterricht bleibt an Schulen die Ausnahme
Im Rahmen des „Digitalpakts Schule“ hatte der Bund 2019 insgesamt rund 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Ende 2021 waren davon allerdings erst rund 1,2 Milliarden Euro abgeflossen. 2,4 Milliarden Euro wurden laut Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) bereits bewilligt, aber noch nicht ausbezahlt.
Karin Prien (CDU), Präsidentin der Kultusministerkonferenz, fordert, das Thema Digitalisierung des Bildungssystems jetzt auf allen Ebenen voranzutreiben. „Wir hätten uns fünf Jahre früher in allen gesellschaftlichen Bereichen auf den Weg machen sollen“, sagt Prien. Doch diese Debatte zu führen nütze nichts – entscheidend sei, jetzt einen strategischen Ansatz zu verfolgen. Dazu gehöre, die Hardwareausstattung zu verbessern, den Lehrplan weiterzuentwickeln und die Lehrkräfte besser auszubilden.
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