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23.03.2021

17:41

Nationale Wasserstoffstrategie

Watsche vom Wasserstoffrat: Experten kritisieren Vorgehen der Bundesregierung

Von: Klaus Stratmann

Die Bundesregierung will Wasserstoff Weltmeister werden. Doch Katherina Reiche, Vorsitzende des Gremiums, sieht noch viel Handlungsbedarf seitens der Politik.

Die Bundesregierung beschloss im vergangenen Jahr die „Nationalen Wasserstoffstrategie“. dpa

Wasserstofftanks

Die Bundesregierung beschloss im vergangenen Jahr die „Nationalen Wasserstoffstrategie“.

Berlin Katherina Reiche, Vorsitzende des Wasserstoffrats, kritisiert die bisherigen Schritte der Bundesregierung zur Umsetzung der Wasserstoffstrategie. „Es geht darum, umgehend Fahrt aufzunehmen. Der Rest der Welt schläft nicht. Andere Nationen waren schneller als wir und sind zudem deutlich zielstrebiger“, sagte sie dem Handelsblatt.

Der Wasserstoffrat besteht aus 25 Expertinnen und Experten, die die Bundesregierung bei der Umsetzung der 2020 beschlossenen „Nationalen Wasserstoffstrategie“ beraten. Reiche wurde im Sommer vergangenen Jahres zur Vorsitzenden des Gremiums gewählt. Im Hauptberuf ist sie Vorstandsvorsitzende der Westenergie AG. Diese ist die größte Tochtergesellschaft des Eon-Konzerns. In dem Unternehmen hat Eon das Netzgeschäft (Strom, Gas, Wasser, Internet) gebündelt.

An einer zentralen Stelle sieht Reiche akuten Handlungsbedarf. Sie hält die Regelung für eine Entlastung bei den Stromkosten für die Produktion von Wasserstoff mittels Elektrolyse für unzureichend. „Die Stromkosten sind der größte Kostentreiber bei der Wasserstoffelektrolyse. Unternehmen, die in die Wasserstoffelektrolyse investieren wollen, brauchen daher eine verlässliche und langfristige Zusage, dass sie bei den Stromkosten deutlich entlastet werden“, sagte Reiche.

Die von der Koalition beschlossene Regelung im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) helfe dabei „nur teilweise“. Die Entlastung bei der EEG-Umlage greife nur dann, wenn der Strom mittels Anlagen produziert werde, die nicht in der EEG-Förderung sind.

Damit kämen neben einigen Wasserkraftanlagen im Wesentlichen die wenigen Altanlagen in Betracht, die nach 20 Jahren Betriebsdauer bereits aus der EEG-Förderung herausgefallen seien. „Das wird nicht ausreichen, um die vorhandenen Wasserstoffbedarfe abdecken zu können“, kritisierte Reiche.

Bundesregierung will Wasserstoff-Weltmeister werden

Die Regelung, die Gegenstand einer Verordnungsermächtigung im kürzlich novellierten EEG ist, sei „nur ein Beispiel für den fehlenden Rückenwind der Politik“, sagte Reiche. Die Bundesregierung habe sich das Ziel gesetzt, Wasserstoff-Weltmeister zu werden. Wer schnell vorankommen wolle, dürfe aber „nicht gleichzeitig auf der Bremse stehen“, sagte sie.

Reiche hat Zweifel, ob es gelingt, das Ziel der Wasserstoffstrategie zu erreichen, bis 2030 Elektrolysekapazitäten von fünf Gigawatt (GW) zu errichten. Dabei reichten die fünf GW ohnehin nur aus, um jährlich 14 Terawattstunden grünen Wasserstoff zu produzieren.

„Damit verbleibt eine Lücke von jährlich etwa 40 Terawattstunden Wasserstoff, um den bereits heute vorhandenen Gesamtbedarf von 57 Terawattstunden decken zu können.“ Diese Lücke müsse durch Importe sowie durch nicht regenerativ erzeugten Wasserstoff gedeckt werden, sagte sie. „Die Dimensionen sind gewaltig.“

Der Löwenanteil des heutigen Bedarfs von 57 Terawattstunden wird durch Wasserstoff gedeckt, der durch Dampfreformierung aus Erdgas hergestellt wird. Dabei wird CO2 frei.

Ziel der Bundesregierung ist es, möglichst viel davon durch klimaneutralen Wasserstoff zu ersetzen. Allerdings kommt ein erheblicher Wasserstoffbedarf hinzu, weil beispielsweise die Stahlindustrie künftig Kokskohle durch klimaneutralen Wasserstoff ersetzen muss, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren.

„Es geht darum, umgehend Fahrt aufzunehmen. Der Rest der Welt schläft nicht.“ Westenergie AG

Katherina Reiche

„Es geht darum, umgehend Fahrt aufzunehmen. Der Rest der Welt schläft nicht.“

Nach Reiches Überzeugung reichen die Pläne der Politik nicht aus, um den Transformationsprozess in den betroffenen Branchen zu meistern. Industrieunternehmen sei „allein mit Investitionszuschüssen des Staates nicht geholfen“, warnte Reiche. „Sie brauchen vielmehr auch die verbindliche Zusage der Politik, dass sie über Jahre bei den laufenden Kosten unterstützt werden“, sagte sie.

Der Einsatz von grünem Wasserstoff werde noch lange erheblich teurer sein als der Einsatz konventioneller Energieträger und Rohstoffe. Die Bundesregierung müsse rasch ein funktionierendes System mit verbindlichen Zusagen entwickeln, forderte Reiche. Dieser Kraftakt sei überfällig. „Die Gefahr ist, dass die erhofften Investitionen ausbleiben.“

Die Vorsitzende des Rats plädiert dafür, grünen Wasserstoff im Wärmemarkt einzusetzen. Er biete die Möglichkeit, Emissionssenkungen im Gebäudebestand sanierungsunabhängig mit existierenden Gas- oder Fernwärmeanschlüssen zu realisieren. Außerdem gebe es mit Blick auf Prozesswärme in Industrie und Gewerbe keine echten Alternativen.

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