Der Personalmangel in Deutschlands Schulen und Kitas wird dramatisch: Bis 2030 fehlen fast 180.000 Fachkräfte. Bildungsforscher fordern nun unkonventionelle Maßnahmen.
Schulklasse
Weil Lehrkräfte fehlen, fehlt es an Unterricht.
Bild: imago/photothek
Berlin Der Personalmangel in der deutschen Bildungslandschaft wird in den nächsten Jahren dramatisch: Allein bis 2030 fehlen nach dem neuen nationalen Bildungsbericht in Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten (Kitas) fast 180.000 Fachkräfte.
Mitte des Jahrzehnts wird das Minus bereits bei 66.000 Kräften liegen. Der ab 2026 greifende Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Ganztagsgrundschule wird deshalb kaum zu erfüllen sein.
„Wir werden hier möglicherweise Verteilungskämpfe auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erleben“, sagte der Sprecher des Autorenteams Kai Maaz, zugleich Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF), mit Blick auf den allgemeinen Fachkräftemangel. Insgesamt arbeiten rund 2,6 Millionen Menschen im Bildungsbereich, das sind etwa sechs Prozent der Erwerbstätigen.
Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Schleswig-Holsteins Schulministerin Karin Prien (CDU), sprach von „großem Handlungsbedarf“. Man müsse auch darüber nachdenken, die Klassen wieder zu vergrößern. Das habe Studien zufolge weniger negative Folgen als vielfach vermutet.
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Voraussetzung sei allerdings, dass es mehr Schulsozialarbeiter gebe, die die vielen psychischen Probleme der Schüler auffangen könnten. Mit diesem Hinweis zielte Prein auf den Bund, der die Sozialarbeiter bezahlen soll. Prien räumte auch ein, dass die Abbrecherquoten im Lehramtsstudium mit „teilweise über 70 Prozent“ viel zu hoch seien.
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Bildungsforscher Maaz forderte unkonventionelle Maßnahmen von der Politik: Sie dürfte nicht nur an größere Klassen denken, sondern müsse außerschulische Anbieter integrieren und die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz (KI) viel besser nutzen, um Spielräume zu schaffen. Daneben verlangte er, zum Schließen der Lücken „müssen wir die Ressourcen im System heben, die vor allem in den hohen Teilzeitquoten stecken“.
Von den Kita-Kräften arbeiten nach den Daten des Bildungsberichts nur 41 Prozent Vollzeit, von den Lehrkräften nur 55 Prozent und auch an den beruflichen Schulen nur jede zweite. Daneben, so Maaz, müssten die Ausbildungskapazitäten erhöht und die lange Ausbildungsdauer von insgesamt rund sieben Jahren müsste verkürzt werden.
Einer Studie des früheren, in die Wissenschaft zurückgekehrten Berliner Bildungsstaatssekretärs Mark Rackles zufolge werden in Deutschland seit 20 Jahren Lehrkräfte bis zu 40 Prozent unter Bedarf ausgebildet. Viele Länder machten auch nur alle fünf Jahre eine neue Prognose. Die Folge ist, dass sich die Länder gegenseitig Lehrkräfte abwerben, eine Koordination der Kultusminister in der Ausbildung gibt es nicht.
Zuletzt mussten daher immer mehr Seiteneinsteiger eingestellt werden, für deren Qualifizierung es ebenso wenig gemeinsame Standards gibt.
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Das Gehalt allein macht den Lehrerberuf offenbar nicht attraktiv genug. Das ist nach Vergleichen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nicht nur deutlich höher als im internationalen Vergleich.
In Deutschland verdienen Lehrkräfte im Schnitt auch bis zu neun Prozent mehr als andere Akademiker. Allerdings ziehen die gut bezahlten Gymnasiallehrer den Schnitt deutlich nach oben. Bei allen anderen müsse die Politik deutlich nachlegen, fordert etwa die Personalberatung Kienbaum in einer Studie – und empfiehlt eine Anwerbekampagne wie bei der Bundeswehr.
Zugleich steigen die Herausforderungen. Inzwischen haben von den Kindern unter sechs Jahren in Deutschland 40 Prozent einen Migrationshintergrund – und brauchen daher teilweise entsprechend mehr Unterstützung. Maaz forderte hier – zum wiederholten Mal – mehr Verbindlichkeit bei der Sprachförderung.
Daneben gebe es inzwischen zwar Bildungspläne für die Kita, „aber es gibt keinerlei Kontrolle, ob und wie diese erfüllt werden“. Das sei im Ausland anders: „In Großbritannien etwa wird nicht nur erwartet, dass die Kinder bei Schuleintritt schon den Zahlenraum 20 kennen können, es wird auch kontrolliert.“ KMK-Präsidentin Prien räumte ein, dass die Schulpolitiker auch hier „die Anstrengungen noch mal verstärken müssen“.
Das Kluft zwischen Anspruch und konsequentem Handeln setzt sich in den Schulen fort. „Auch dort bleibt das Nicht-Erreichen von Bildungsstandards folgenlos“, stellte Maaz fest. „Wenn etwa ein Viertel der Kinder in einer zweiten Klasse noch Probleme mit bestimmten Lernanteilen habe, werde dennoch mit dem darauf aufbauenden Stoff weitergemacht, den diese Kinder dann natürlich auch nicht nachhaltig lernen können.“
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