Flutkatastrophe im Ahrtal, Juli 2021
Bereits im Juni 2022 hatte sich die Ministerpräsidentenkonferenz für die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden ausgesprochen. Im Dezember erteilte jedoch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dem Vorhaben eine Absage.
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Nur die Hälfte der privaten Hausbesitzer ist gegen Schäden durch Naturkatastrophen abgesichert. Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wollen nun eine Pflichtversicherung erzwingen.
Berlin ü
Flutkatastrophe im Ahrtal, Juli 2021
Bereits im Juni 2022 hatte sich die Ministerpräsidentenkonferenz für die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden ausgesprochen. Im Dezember erteilte jedoch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dem Vorhaben eine Absage.
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Per Bundesratsinitiative wollen Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg die Einführung einer bundesweiten Elementarschaden-Pflichtversicherung für Gebäudebesitzer erreichen.
„An die Stelle spontaner staatlicher Ad-hoc-Hilfen muss eine langfristige Risikoprävention durch eine Pflichtversicherung für Elementarschäden treten“, heißt es in dem gemeinsamen Entschließungsantrag, der am Dienstag vom NRW-Landeskabinett beschlossen wurde und nun dem Bundesrat zugeleitet wird. Der Antrag liegt dem Handelsblatt vor.
In dem Antrag heißt es weiter, es brauche systematische Maßnahmen, „damit nach einer Hochwasserkatastrophe oder anderen Großschadenereignissen kein Mensch vor dem finanziellen Ruin stehen muss“. Die vergangenen Monate und Jahre hätten gezeigt, dass Extremwetterereignisse immer häufiger aufträten.
Konkreter Anlass der Debatte ist die Katastrophe vom Sommer 2021, bei der durch Starkregen und Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie in Teilen Bayerns, Baden-Württembergs und Sachsens zahlreiche Menschen starben und hohe Schäden an Wohn- und Gewerbeimmobilien entstanden.
Zum Wochenbeginn hatte das Bundeswirtschaftsministerium eine Studie zum Schadenpotenzial durch den Klimawandel vorgestellt. Darin rechnen die Experten zwischen 2022 und 2050 mit volkswirtschaftlichen Schäden in Höhe von 280 bis 900 Milliarden Euro für Deutschland.
Laut Versicherungswirtschaft verfügt nur rund die Hälfte der privaten Gebäudeeigentümer über eine Elementarschadenversicherung. Mit einer solchen Police kann man sich gegen Schäden durch Überschwemmung, Erdbeben, Lawinen, Schneedruck und Vulkanausbrüche absichern.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte dem Handelsblatt: „Es gibt dringenden Handlungsbedarf.“ Es dürfe nicht sein, dass das Thema nur unmittelbar nach einer Katastrophe auf der Agenda stehe und danach vergessen werde.
Hendrik Wüst
Der NRW-Ministerpräsident fordert eine Pflichtversicherung für Elementarschäden.
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„Die Länder sind sich deshalb einig: Die bundesweite Pflichtversicherung für Elementarschäden muss kommen“, sagte Wüst.
Bereits im Juni 2022 hatte sich die Ministerpräsidentenkonferenz für die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden ausgesprochen. Im Dezember erteilte jedoch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dem Vorhaben eine Absage. Er hielt eine bundesweite Pflichtversicherung politisch „für falsch“.
Es sei unangebracht, den Wohngebäudeeigentümern noch mehr Kosten aufzubürden. Buschmann hatte den Ländern jedoch freigestellt, eigene Regelungen zu schaffen.
Direkt danach hatten allerdings Teile der Bundesregierung auf weitere Beratungen zur Sache verwiesen, so etwa das Verbraucherschutzministerium. Am 17. Februar war ein Bericht der Bundesregierung zur möglichen Einführung einer Pflichtversicherung veröffentlicht worden. Hier ging es unter anderem um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit.
NRW-Landeschef Wüst sagte: „Wir haben bereits im Juni 2022 eine Zusage des Bundeskanzlers erhalten, das Thema anzugehen. Doch bis heute hat der Bund keine brauchbaren Lösungswege präsentiert.“
Nun soll also die Bundesratsinitiative die Dinge vorantreiben. Per Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden, „kurzfristig einen konkreten bundesgesetzlichen Regelungsvorschlag“ zur Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung zu erarbeiten. „Katastrophen machen nicht an Landesgrenzen halt“, heißt es in dem Antrag.
Bei der Ausgestaltung der Pflichtversicherung solle der finanzielle Aufwand für private Haushalte „in zumutbaren Grenzen“ gehalten werden.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte dem Handelsblatt: „Wir müssen bei diesem wichtigen Thema endlich vorankommen.“ Unwetter warteten nicht auf die Politik. „Jedes weitere Ereignis bringt hohe Schäden und immense finanziellen Folgekosten für Bund und Länder.“
Ohne bundesweite solidarische Pflichtversicherung könne der Staat das nicht auf Dauer stemmen. „Ein konkreter bundesgesetzlicher Regelungsvorschlag ist deshalb überfällig“, erklärte Kretschmann.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kündigte an, die Länder würden „über das weitere gemeinsame Vorgehen auf der Ministerpräsidentenkonferenz in der kommenden Woche beraten“. Sie hielten die Einführung einer bundesweiten Versicherungspflicht weiterhin „für dringend notwendig“.
Es gebe mittlerweile zahlreiche Studien, die enorme Schäden durch den Klimawandel in Deutschland prognostizierten. „Wir müssen uns darauf einstellen und handeln, dabei gilt es keine Zeit zu verlieren“, erklärte Weil. Ein Baustein der Risikoprävention sei die Elementarschaden-Pflichtversicherung.
Da der neue Vorstoß der Länder dem Bundesjustizministerium (BMJ) noch nicht vorlag, wollte sich das Ressort aktuell dazu nicht äußern. Es wies jedoch darauf hin, dass die Justizministerien der Länder sowie Verbände noch bis zum 15. Mai eine Stellungnahme zum Bericht der Bundesregierung abgeben können.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) lehnt eine Versicherungspflicht ab, sieht aber generellen Handlungsbedarf, da für Deutschland mit einer weiteren Zunahme von Schäden durch Naturkatastrophen zu rechnen sei. „Unsere Einschätzung deckt sich mit Studien, zum Beispiel von Swiss Re“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen dem Handelsblatt. Nach einer Prognose des Schweizer Rückversicherers würden bis zum Jahr 2040 die wetterbedingten Katastrophenschäden in Deutschland um 90 Prozent zunehmen.
Asmussen mahnte Gegenmaßnahmen an, um das Risiko eines solchen Szenario zu mindern. „Nur durch klimaangepasstes Bauen können die volkwirtschaftlichen Schäden der Zukunft durch Klimaänderungen und Extremwetterereignisse verringert werden“, sagte er. „Prävention und Klimafolgenanpassung sind der Dreh- und Angelpunkt, damit Schäden durch Naturkatastrophen und damit Versicherungsprämien finanziell nicht aus dem Ruder laufen.“
Asmussen wies vor diesem Hintergrund auch darauf hin, dass nur etwa jeder zweite Hausbesitzer in Deutschland eine sogenannte Elementarschadenversicherung abgeschlossen habe, um sich vor den finanziellen Folgen extremer Naturgefahren zu schützen. Nach dem Ahrtal-Hochwasser hätten die Versicherer etwa 400.000 neue Elementarschadenversicherungen bei Wohngebäuden registriert – vier Mal mehr als sonst in einem Quartal. „Direkt nach einer Naturkatastrophe haben die Menschen das Bedürfnis, sich abzusichern“, erklärte Asmussen. Leider nehme jedoch das Interesse „mit wachsendem zeitlichem Abstand zum Ereignis“ wieder ab.
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