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02.06.2022

21:37

Naturkatastrophen

Länder wollen Pflichtversicherung für Elementarschäden an Gebäuden

Von: Heike Anger

Als Folge der Hochwetterkatastrophe 2021 dringen die Bundesländer auf eine Pflichtversicherung für Elementarschäden. Es soll auch ein gemeinsames Kompetenzzentrum geben.

Die Flutkatastrophe hatte die Debatte um eine verpflichtende Versicherung gegen Elementarschäden neu entfacht. mauritius images / Chromorange

Zerstörte Häuser im Ahrtal

Die Flutkatastrophe hatte die Debatte um eine verpflichtende Versicherung gegen Elementarschäden neu entfacht.

Berlin Die Bundesländer haben sich für die Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden für alle Gebäudebesitzer ausgesprochen. Der Bund hat nach Angaben des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (CDU) zugesagt, die Einführung zu prüfen. Die Länderchefs hätten sich einstimmig dafür ausgesprochen, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am Donnerstag nach ihrem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) weiter.

„Wir müssen dafür sorgen, dass nach einem Unwetter kein Mensch vor dem finanziellen Ruin steht“, sagte Wüst. „Klimawandel führt dazu, dass auch der Schutz vor Extremwetter zur Krisenfestigkeit unseres Landes gehört.“

Hintergrund ist die Hochwasserkatastrophe 2021, bei der in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie in Teilen Bayerns, Baden-Württembergs und Sachsens mehr als 180 Menschen starben.

An Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie Straßen und Brücken entstanden Milliardenschäden. In vielen Fällen existierte kein Versicherungsschutz für Elementarschäden.

Die Regierungschefs stimmten dem Antrag von Baden-Württemberg, der von Sachsen unterstützt wurde, nach dpa-Informationen ohne Aussprache zu. Zuvor hatten die Justizminister bei ihrer Konferenz in Schwangau im Allgäu festgestellt, dass eine solche Pflichtversicherung gegen Elementarschäden, zum Beispiel durch Starkregen oder Erdrutsche, rechtlich durchaus möglich sei.

Keine Fehlanreize mit Blick auf Eigenvorsorge

Im Beschluss der Justizministerkonferenz, die dem Handelsblatt vorliegt, heißt es, eine „Pflicht für private Wohngebäudeeigentümer zur Versicherung gegen Elementarschäden innerhalb eines vom Gesetzgeber auszugestaltenden Korridors“ werde als „für verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen“ erachtet.

Es müssten aber „substanzielle Selbstbehalte oder vergleichbare Instrumente vorgesehen werden“. Auch dürfe es nicht zu „Fehlanreizen hinsichtlich der Eigenvorsorge“ kommen. „Maßgebend ist die konkrete Ausgestaltung einer Versicherungspflicht durch den Gesetzgeber“, heißt es in dem Beschluss.

Gegebenenfalls seien auch weitergehende Maßnahmen zu ergreifen, um aufgrund der risikobasiert zu ermittelnden Prämien die Eigentümer von „Hochrisikoobjekten“ zu entlasten, wobei die Kosten nur in engem Umfang auf Dritte umgelegt werden könnten.

2017 hatte eine Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz noch „durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken“ gegen eine solche Pflichtversicherung angeführt. Nach einer erneuten Prüfung kam die Länder-Arbeitsgruppe aber nun zu einem etwas anderen Schluss.

Schon vor der Justizministerkonferenz hatte sich der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) im Handelsblatt für eine Pflichtversicherung für Elementarschäden stark gemacht.

Angesichts der geänderten klimatischen Bedingungen müsse davon ausgegangen werden, dass sich solche Ereignisse wie die Hochwasserkatastrophe wiederholten, erklärte er. Darauf müsse mit präventiven Schutzmaßnahmen, aber auch mit einer Pflichtversicherung für Elementarschäden bei Wohngebäuden reagiert werden.

Nach der Konferenz sagte Biesenbach, es müsse eine angemessene Eigenbeteiligung geben, wenn etwa Schäden „in einem kleinen fünfstelligen Bereich“ selbst getragen und nur höhere oder existenzgefährdende Schäden versichert werden.

Nur die Hälfte der Gebäude gegen Elementarschäden versichert

Nach Angaben des Versicherungsverbandes GDV sind derzeit nur rund 46 Prozent der Gebäude in der Bundesrepublik über eine Elementarschadenversicherung versichert, die bei Starkregen, Hochwasser oder Erdrutschen einspringen würde.

Die Versicherungswirtschaft betont, dass eine Pflichtversicherung „bei verfassungskonformer Umsetzung“ enge Grenzen habe. „Sie wird am Ende nur mit deutlich eingeschränktem Versicherungsschutz umsetzbar sein, zum Beispiel nur für hochgefährdete Gebäude oder nur für Neubauten“, sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Bestandsbauten oder Gebäude in Gebieten, die nicht als hochrisikogefährdet gelten, seien dann nicht versichert.

Aus Sicht von Verbraucherschützern stellt eine Pflichtversicherung mitunter einen zu großen Eingriff in die Grundrechte dar.

Unterdessen einigten sich die Innenminister von Bund und Ländern bei ihrer Frühjahrskonferenz in Würzburg auf den Aufbau eines gemeinsamen Kompetenzzentrums für den Zivil- und Katastrophenschutz.

Das Kompetenzzentrum soll beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn angesiedelt werden. Bund und Länder entsenden Experten. Ziel sei es, sich bestmöglich auf Krisen vorzubereiten - von Hochwasserlagen bis zum Krieg in der Ukraine.

„Wir machen ein gemeinsames Lagebild, das heißt die Informationen werden gemeinsam geteilt“, schilderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Im Schadensfall solle gemeinsam entschieden werden, wie etwa einer Katastrophe begegnet werden solle.

Hohe Kosten für Warnapps und Sirenensysteme

Auf eine konkrete Geldsumme für Bundeszuschüsse zur Finanzierung für den Bevölkerungsschutz konnte sich die Runde aber offenbar nicht einigen. Zuvor hatten mehrere Länder, darunter das SPD-geführte Niedersachsen und das CSU-geführte Bayern, eine Summe von zehn Milliarden Euro über mehrere Jahre vom Bund gefordert, um den Zivil- und Katastrophenschutz in Deutschland zu stärken.

Allein der Wiederaufbau eines Sirenensystems könnte Berichten zufolge eine Milliarde Euro verschlingen, der Ausbau von Warnapps und eines Cell-Broadcasting-Systems zur flächendeckenden Handy-Warnung weitere 400 Millionen.

Mit Material der Deutschen Presse-Agentur.

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