Erstmals seit zehn Jahren wurde untersucht, wie effizient der Kampf gegen Geldwäsche in Deutschland geführt wird. Das Zeugnis fällt durchwachsen aus.
Razzia wegen Verdachts auf Geldwäsche
Polizisten durchsuchen bei einer Razzia am 16. Juni in Gotha ein Fabrikgebäude.
Bild: dpa
Berlin Für die Bundesregierung war es eine heikle Prüfung. Erstmals seit zehn Jahren haben internationale Experten über mehrere Monate untersucht, wie erfolgreich Deutschland bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität und Geldwäsche ist.
An diesem Freitag diskutierten Vertreter der Financial Action Task Force (FATF) ihre Prüfungsergebnisse bei einem Treffen in Berlin. Und wie in der Vergangenheit fielen die Ergebnisse wenig schmeichelhaft aus: Deutschland hat nach wie vor ein Geldwäscheproblem.
Zwar sei die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung in den vergangenen Jahren gestärkt worden, „in bestimmten Bereichen sind jedoch erhebliche Verbesserungen erforderlich“, hieß es in der Zusammenfassung der FATF-Sitzung.
Die internationalen Prüfer bemängeln, dass die Überwachung des Privatsektors wirksamer werden müsse. Die Anti-Geldwäsche-Einheit FIU bekommt zwar relativ viele Verdachtsmeldungen von Banken, aus dem gewerblichen Bereich wie etwa von Notaren, Kunst- und Autohändlern aber nur sehr wenige.
Zudem fordert die FATF Deutschland auf, mehr Informationen über die wirtschaftlichen Eigentümer bestimmter Vermögenswerte bereitzustellen. So zeigte sich erst jüngst bei der Durchsetzung der Sanktionen gegen Russland, wie schwierig es mitunter ist herauszufinden, wem eine Immobilie tatsächlich gehört.
Deutschland gilt Kritikern seit vielen Jahren als „Geldwäscheparadies“, wie es ein hoher Beamter ausdrückt. So ist es in Deutschland verhältnismäßig leicht, kriminelles Geld aus dem Drogenhandel durch Investitionen in Autos, Immobilien oder teure Uhren zu waschen. Die Bundesregierung hatte deshalb schon mit einem eher durchwachsenen Bericht der FATF gerechnet.
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Insgesamt 14 Mitarbeiter beschäftigten sich im Bundesfinanzministerium ausschließlich mit der FATF-Prüfung, hinzu kamen weitere Beamte in anderen Behörden wie der Finanzaufsicht Bafin. Insgesamt 1778 Seiten schickte das Bundesfinanzministerium vergangenes Jahr an die FATF mit Sitz in Paris, um zu dokumentieren, was Deutschland alles tut, um Geldwäsche zu bekämpfen.
Immerhin: Die FATF erkennt an, dass Deutschland einige Probleme angepackt habe, auch wenn noch nicht alle Maßnahmen in Kraft getreten seien, wie es in der Zusammenfassung heißt. Der vollständige Bericht soll erst im September veröffentlicht werden.
Der Kriminologe Kai Bussmann von der Universität Halle-Wittenberg schätzte in einer Studie vor etlichen Jahren, dass in Deutschland jährlich 50 bis 100 Milliarden Euro gewaschen werden. Andere Studien kommen zwar auf einen etwas niedrigeren Betrag. Aber Einigkeit herrscht dennoch: Deutschland hat ein Geldwäscheproblem.
Geldwäscheermittler hatten vor der FATF-Prüfung deshalb darauf gehofft, dass der Bericht möglichst harsch ausfällt. „Sonst ändert sich hier nie was“, sagte einer. Der Ermittler fand es deshalb auch unglücklich, dass ausgerechnet ein Beamter aus dem Bundesfinanzministerium, Marcus Pleyer, seit Beginn 2020 Vorsitzender der FATF ist.
„Es fällt mir schwer, an Zufälle zu glauben, wenn ausgerechnet im Jahr der Prüfung ein deutscher Spitzenbeamter Präsident der FATF wird“, hatte auch Lisa Paus, damals noch Finanzpolitikerin der Grünen, bei Pleyers Ernennung 2020 gesagt.
Pleyer betonte hingegen am Freitag nach der FATF-Sitzung, dass er sich von der Untersuchung ferngehalten habe. Die Ergebnisse stellte deshalb auch seine Stellvertreterin vor.
Bei der Untersuchung 2010 war das Urteil der FATF deutlich harscher ausgefallen. Das Fazit der Kontrolleure damals: Deutschland sei „für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung anfällig“. Gerade einmal bei 29 von 49 untersuchten Kriterien erfüllte Deutschland die Anforderungen, fünfmal gab es die schlechteste Note „nicht erfüllt“ – etwa wegen zu niedriger Bußgelder.
Die Ergebnisse waren so katastrophal, dass Deutschland fast auf der schwarzen Liste der Länder gelandet wäre, die ein „Risiko für das internationale Finanzsystem darstellen“. Damit hätte sich Deutschland in Gesellschaft von Ländern wie Angola, Iran oder Nordkorea befunden.
Das hatte die Bundesregierung damals noch verhindern können und Besserung gelobt. Sowohl Wolfgang Schäuble (CDU) wie auch Olaf Scholz (SPD) brachten in den zehn Jahren darauf als Bundesfinanzminister immer wieder diverse Aktionsprogramme gegen Geldwäsche auf den Weg. Allerdings mit durchwachsenem Erfolg.
Kanzler Scholz spricht bei der Financial Action Task Force (FATF)
Die FATF ist das wichtigste internationale Gremium zur Bekämpfung und Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.
Bild: dpa
Scholz wollte etwa durch ein Maßnahmenprogramm sicherstellen, dass Behörden, Bundesländer, Finanzaufsicht, Bundeskriminalamt und Bundesnachrichtendienst enger beim Kampf gegen Schwarzarbeit und Finanzkriminalität zusammenarbeiten. Auch wurden Meldevorschriften für Immobilienmakler, Notare, Goldhändler, Auktionshäuser und Kunsthändler verschärft.
Diese Fortschritte erkennt auch die FATF an, aber viele Reformen blieben stecken oder gerieten zum Debakel. So verlagerte Schäuble 2017 die Financial Intelligence Unit (FIU), eine Spezialeinheit zur Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung, vom Bundeskriminalamt zum Zoll.
Doch die wenigen Beamten dort kamen nicht hinterher, die auf einmal auf sie einprasselnden Verdachtsfälle zu prüfen. Zwischenzeitlich stauten sich bei der FIU 50.000 unbearbeitete Fälle. Hinzu kamen Technikpannen. Die Software war nicht einsatzbereit, Aushilfskräfte mussten per Fax Meldungen bearbeiten.
Die FATF-Kontrolleure loben, dass viele Behörden in Deutschland personell besser aufgestellt wurden. Zugleich mahnen sie, dass auch die FIU weiter bei der Informationsverarbeitung gestärkt werden müsse. Bis heute sind bei der FIU längst nicht alle Stellen besetzt, weshalb die Einheit bisher nicht die einst versprochene Schlagfertigkeit entwickelte.
Andere Probleme werden nur langsam angegangen. So kritisierte die FATF bereits in ihrem Bericht 2010, dass es an vielen Kontrollstellen ein „unzureichendes Bewusstsein“ für Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsrisiken gebe. So erhält die FIU rund 97 Prozent ihrer Verdachtsmeldungen von Finanzinstituten. Andere wie Autohändler, Makler oder Notare geben weniger Hinweise. Immerhin: Die Notare haben ihre Verdachtsmeldungen zuletzt deutlich erhöht.
Ein weiteres Problem ist aus Sicht von Geldwäschebekämpfern eine fehlende Bargeldobergrenze. Während es in vielen anderen Ländern eine solche Obergrenze gibt, können in Deutschland auch große Summen in bar beglichen werden.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gelobte vor der Vorstellung des Berichts Besserung. Schon vor einigen Wochen kündigte er an, die FIU schlagkräftiger aufstellen zu wollen. Lindner konnte sich die Kritik auch ohne schlechtes Gewissen anhören. Die Verantwortung für die Zustände fallen in die Amtszeit seiner beiden Vorgänger Schäuble und Scholz.
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