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10.07.2019

07:11

Nordrhein-Westfalen

Stadt Monheim will heute kostenlosen Nahverkehr für alle Einwohner ab 2020 beschließen

Die Stadt Monheim entscheidet heute über den kostenlosen Nahverkehr für alle Einwohner ab April 2020. Verkehrsverbünde warnen vor den negativen Folgen.

Ein Bus des städtischen Verkehrsbetriebs „Bahnen Monheim“ steht am Busbahnhof von Monheim am Rhein (Kreis Mettmann). dpa

Gratis-Nahverkehr

Ein Bus des städtischen Verkehrsbetriebs „Bahnen Monheim“ steht am Busbahnhof von Monheim am Rhein (Kreis Mettmann).

Monheim am Rhein Die Stadt Monheim am Rhein will als eine der wenigen Kommunen in Deutschland einen Gratis-Nahverkehr beschließen. Der Stadtrat der 44.000-Einwohner-Stadt im Kreis Mettmann nahe Düsseldorf soll sich bei einer Sitzung am Mittwochabend für diese Maßnahme entscheiden, die spätestens ab April 2020 gelten soll. Die Annahme gilt als sicher, da die kommunale Partei Peto von Bürgermeister Daniel Zimmermann das Sagen in dem Lokalparlament hat.

Die städtische Flotte umfasst 47 Busse. Bürger, die in Monheim gemeldet sind, sollen auch ins benachbarte Langenfeld umsonst fahren können. Eine Bahn hat Monheim nicht, die Busse steuern aber mehrere S-Bahn-Haltestellen kurz hinter der Stadtgrenze an – dort können zum Beispiel Pendler in die S-Bahn umsteigen und nach Düsseldorf fahren.

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Für so eine Fahrt halbiert sich der Preis. Für die wegbrechenden Ticketeinnahmen zahlt Monheim pro Jahr etwa drei Millionen Euro an das lokale Nahverkehrsunternehmen.

Bürgermeister Zimmermann hofft, dass die Passagierzahlen steigen. Beim gewünschten Umstieg auf den Bus spiele Psychologie eine große Rolle. „Das Auto hat man sich einmal gekauft und es steht dann in der Garage - es verursacht zunächst keine sichtbaren Kosten, die kommen erst später an der Tankstelle“, sagt der 37-jährige. Beim Bus hingegen müsse man pro Fahrt je nach Preisstufe etwa drei Euro zahlen – „für manche ist das eine Hemmschwelle“. Die entfalle nun - das könnte einige Bürger zum Umstieg auf den Bus bewegen, sagt er.

Ob Monheim aber eine Vorbildfunktion hat für andere Kommunen, ist fraglich. Denn das kleine Städtchen am Rhein hat eine Sonderrolle: Es gilt als Steueroase, nirgendwo sonst im Bundesland zahlen Konzerne weniger Gewerbesteuern als hier. Inzwischen sprudeln die Steuereinnahmen im einst klammen Monheim. Einen Jahresüberschuss von knapp 30 Millionen Euro erwirtschaftete die Stadt zuletzt – bei einem Gesamthaushalt von 400 Millionen Euro ein beachtlicher Wert.

Derzeit legten die Monheimer einer Umfrage zufolge 55 Prozent ihrer Wegstrecke in Autos, Mopeds oder Motorrädern zurück und nur 10 Prozent mit dem Nahverkehr - der Rest zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Etwa drei Millionen Euro wird Monheim pro Jahr an sein Nahverkehrsunternehmen zuschießen müssen, um die Einnahmenausfälle zu begleichen. Das wäre nur ein Zehntel des jüngsten Jahresüberschusses. Die Stadt kann sich also leisten, was andere Kommunen nicht können.

Ganz neu ist das Konzept ohnehin nicht. 1998 führte die Brandenburger Stadt Templin dies bereits ein, die Fahrgastzahlen schnellten in die Höhe. Weil mehr Busse nötig waren, stiegen die Kosten. 2003 wurde das Gratis-Konzept daher beendet, immerhin blieben die Fahrten auch danach billig. In der bayerischen Gemeinde Viechtach fährt seit einiger Zeit ein Kleinbus, der nach Bedarf als Rufbus vor allem ältere Menschen gratis in den Ortskern oder ins Krankenhaus bringt.

Das wohl ambitionierteste Vorhaben gibt es seit Ende 2018 in dem 26.000-Einwohner-Städtchen Pfaffenhofen bei München, wo immerhin sechs Linienbusse kostenlos Passagiere befördern. Seit dem Start der Gratis-Busse im Dezember haben sich die Fahrgast-Zahlen in Pfaffenhofen von 1000 auf 2300 täglich mehr als verdoppelt.

„Mittel fehlen bei Investition und Betrieb“

Verkehrsverbünde sehen kommunalen Gratis-Nahverkehr kritisch – sie warnen davor, dass durch fehlende Ticketeinnahmen Geld für Investitionen fehle. Dass Gratis-Nahverkehr eine kommunale Ausnahme von der Regel bleiben wird, darauf weist eine Antwort des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR) hin. Er umfasst auch Düsseldorf und den Ruhrpott. „Im gesamten VRR würde ein kostenloser Nahverkehr einen Ausfall von jährlich rund 1,3 Milliarden Euro bedeuten“, sagt ein Sprecher. „Diese Mittel fehlen dann bei Investition und Betrieb.“

Der Ticketpreis sei zwar „ein Kriterium für die Verkehrsmittelwahl“, aber die Qualität sei wichtiger, also etwa Pünktlichkeit und häufige Fahrten. Auch der „Verband Deutscher Verkehrsunternehmen“ ist skeptisch. Eine Sprecherin gibt zu bedenken: „Viele Städte können sich die Finanzierung eines kostenlosen ÖPNV langfristig nicht leisten.“

Mehr: Um die Klimaziele zu erreichen muss es grundlegende Reformen im Verkehr geben. Mobilität braucht einen grundsätzlichen Wandel.

Von

dpa

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