PremiumBei der Landtagswahl am Sonntag geht es um mehr als die Eroberung der Düsseldorfer Staatskanzlei. Auch für Kanzler Scholz und Oppositionsführer Merz steht viel auf dem Spiel.
Scholz und Merz
Die Wahlen in NRW gelten seit jeher als „kleine Bundestagswahl“. Ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands lebt an Rhein und Ruhr.
Bild: Imago (2)
Berlin, Herne Kurz vor dem großen Wahltag in Nordrhein-Westfalen reist der Kanzler nicht etwa in die Ukraine, sondern stellt sich den Fragen des NRW-Senders WDR. Gleich zwei Interviews wird Olaf Scholz dem WDR geben – genauso wie CDU-Chef Friedrich Merz.
Die mediale Offensive von Kanzler und Oppositionsführer im Wahlkampfendspurt zeigt: Die Wahl in Nordrhein-Westfalen ist mehr als eine gewöhnliche Landtagswahl. Es ist eine Stellvertreterwahl, bei der auch für Scholz und Merz viel auf dem Spiel steht.
Laut Umfragen bahnt sich in Düsseldorf am Sonntag ein Herzschlagfinale an. Die Union liegt laut Umfragen bei knapp über 30 Prozent, die SPD knapp darunter. Da aber die Grünen stark sind, könnte es für Rot-Grün reichen, auch eine Ampel wäre denkbar.
Sollte die SPD Nordrhein-Westfalen tatsächlich von der CDU zurückerobern, würde das die Kritik an der angeblich mangelnden Führungsstärke von Scholz in der Ukrainekrise abklingen lassen, da sich der Kanzler in seinem vorsichtigen Kurs bestätigt sehen darf. Verliert die SPD dagegen die Wahl, wird der Druck auf den Kanzler weiter zunehmen.
Das Gleiche gilt für Oppositionsführer Merz. Einen Sieg im bevölkerungsreichsten Bundesland mit einem Amtsinhaber ohne großen Bonus könnte sich der neue CDU-Vorsitzende mit auf die Fahnen schreiben. Ein grün-schwarzes Bündnis in NRW würde dem konservativen Merz Optionen für die Zukunft im Bund eröffnen.
Eine Niederlage hingegen würde Zweifel schüren, ob die Renovierung der CDU unter Merz wirklich gelingen kann. „Das Ergebnis ist sowohl für die Ampelkoalition als auch für die CDU der Gradmesser ihres bisherigen politischen Kurses“, sagt der Bonner Politikwissenschaftler Volker Kronenberg.
Die Wahlen in NRW gelten seit jeher als „kleine Bundestagswahl“. Ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands lebt an Rhein und Ruhr. 13 Millionen Menschen sind zur Wahl aufgerufen, keine andere Landtagswahl ist so repräsentativ für das gesamte Land.
Die Auswirkungen auf die Bundespolitik sind nicht zu unterschätzen. 2005 kündigte der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering nach der verheerenden Niederlage in NRW Neuwahlen im Bund an, die zur Wahl Angela Merkels führten. Und nur dank seines Wahlsiegs 2017 war Armin Laschet in der Lage, Kanzlerkandidat der Union zu werden.
Wer in NRW regiert, an dem geht in der Bundespolitik wenig vorbei. Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen werden immer auch als potenzielle Kanzlerkandidaten gehandelt – es sei denn, sie nehmen sich so aus dem Spiel wie einst Hannelore Kraft (SPD), die allen bundespolitischen Ambitionen eine Absage erteilte und so ihr politisches Ende einläutete.
Merz wie Scholz haben im Wahlkampf deshalb großen Einsatz vor Ort gezeigt – und sind damit auch ein Risiko eingegangen. Der Kanzler hielt am Tag der Arbeit am 1. Mai eine viel beachtete emotionale Rede in Düsseldorf, bei der Abschlusskundgebung an diesem Freitag in Köln tritt er wieder auf. Gemeinsame Plakate von Scholz mit SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty hängen an Rhein und Ruhr.
Scholz macht damit die Wahl in NRW auch zu einer Abstimmung über seinen Kurs. Denn anders als im Saarland und Schleswig-Holstein, wo die SPD jeweils einen glänzenden Sieg und eine krachende Niederlage einfuhr, stehen die Spitzenkandidaten nicht so sehr im Fokus. Auch deshalb setzt Kutschaty auf Scholz als Zugpferd.
CDU
Friedrich Merz unterstützt Spitzenkandidat Wüst tatkräftig in NRW.
Bild: Getty Images
CDU-Chef Merz hat alles versucht, damit es keinen Scholz-Effekt gibt. Seine Reise nach Kiew, seine Attacken auf den Kanzler im Bundestag und die Debatte über das Sondervermögen der Bundeswehr – Scholz sollte im NRW-Wahlkampf nicht zum Wählermagneten werden. Merz war im Wahlkampf omnipräsent, absolvierte einen Auftritt nach dem anderen, am Freitagabend tritt er noch mal in Münster auf.
Nordrhein-Westfalen ist seine politische Heimat, eine Niederlage wäre besonders bitter. Auch wenn er mit Partei- und Fraktionsvorsitz nun alle Macht in der CDU auf sich vereint, bleiben in der Partei Zweifel, ob der 66-jährige Merz der richtige Mann für die Zukunft ist.
Merz und die CDU hoffen, dass die Kritik an Scholz‘ Kurs im Ukrainekrieg und der Wahlerfolg am vergangenen Sonntag in Kiel Rückenwind geben. „Die CDU braucht dringend weitere Erfolge nach Schleswig-Holstein, um zu zeigen, dass man wieder mit ihr rechnen muss“, sagt der Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst. Auch für Friedrich Merz sei der Ausgang der Wahl „extrem wichtig, um seine Position als Vorsitzender der CDU zu festigen“.
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SPD-Spitzenkandidat Kutschaty stand am Mittwoch dieser Woche in Herne und verteilte rote Rosen an Passanten in der Innenstadt. Herne ist eine vom Strukturwandel besonders stark betroffene Stadt und eine SPD-Hochburg.
Doch die Kommentare der SPD-Mitglieder und Passanten waren auch hier nicht schmeichelhaft. Ein SPD-Mitglied aus dem Herner Ortsverein sagt, es fehle der CDU, aber auch der SPD an Führungsfiguren mit Charisma. „Scholz hat das Charisma nicht, und Kutschaty auch nicht.“ Immerhin habe SPD-Chef Lars Klingbeil „Potenzial“.
Eine Passantin, die vorbeiläuft, hält wiederum von Merz wenig: Sie sei Pflegekraft, die CDU habe hier viel verpennt. „Für mich ist die CDU mit Merz als Parteivorsitzenden nicht wählbar.“ Ein anderer Fußgänger sagt dagegen, die SPD sei „viel zu grün geworden“.
Ein klares Stimmungsbild gibt es hier nicht. Das passt zu den Umfragen. In NRW scheint am Sonntag jeder Wahlausgang möglich. Nur eines steht fest: Es wird Verlierer geben. Und die heißen nicht nur Kutschaty oder Wüst, sondern auch Merz oder Scholz.
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